Wladimir Kaminer gehört seit einigen Jahren zu meinen Lieblingsautoren. Seine feinsinnige Beobachtungsgabe und seine Ironie sind unübertroffen.
Für sein aktuelles Buch ging der Autor unter die Kreuzfahrer. Gemeinsam mit seiner Frau Olga bereiste er die Ostsee, den Atlantik, das Mittelmeer und
die Karibik. Für das Ehepaar war es immer wieder ein Abenteuer, die großen Meereskreuzer (Queen of the…mehrWladimir Kaminer gehört seit einigen Jahren zu meinen Lieblingsautoren. Seine feinsinnige Beobachtungsgabe und seine Ironie sind unübertroffen.
Für sein aktuelles Buch ging der Autor unter die Kreuzfahrer. Gemeinsam mit seiner Frau Olga bereiste er die Ostsee, den Atlantik, das Mittelmeer und die Karibik. Für das Ehepaar war es immer wieder ein Abenteuer, die großen Meereskreuzer (Queen of the Seas bzw. AIDA) zu besteigen, weil dort nicht nur Tausende von Passagieren Platz fanden, sondern auch unterschiedlichste Unterhaltungsmöglichkeiten geboten wurden. Kurzum, der Mikrokosmos "Kreuzfahrtschiff" hielt für den Autoren eine Menge Material bzw. Stoff für das vorliegende Buch bereit. Noch dazu musste er für diese Recherchereisen nicht einmal tief in die eigene Tasche greifen, denn meistens durfte er für zwei bis drei Schiffslesungen kostenlos an der Reise teilnehmen - wirklich eine Win-Win-Situation.
Ich habe die launigen 224 Buchseiten mit viel Freude gelesen. Kaminers Beschreibungen von Touristen und Landesnatur waren treffend, wenngleich immer ein wenig überspitzt. Doch das gehört bei ihm einfach dazu. Gern nimmt er auch sich und die Eigenheiten seiner Frau aufs Korn. Dass er dabei stets die Grenzen des guten Geschmacks wahrt, spricht auch für ihn. Mit seiner Meinung über aktuelle politische Entwicklungen hält er ebenso nicht hinter dem Berg, sondern äußert Kritik gern etwas versteckt bzw. metaphorisch verspielt. Ich fand in diesem Zusammenhang vor allem die Gegenüberstellung von Touristen und Flüchtlingen interessant. Denn beide Gruppen flüchten vor etwas. Zudem war es spannend, mit Kaminer hinter die ach so tollen Kulissen der Ozeanriesen und ihrer Urlauber schauen zu dürfen. Geht es doch häufig, so Kaminer, nur ums Essen und um Bespaßung und weniger ums Kennenlernen neuer Kulturen und Nationen. Der Autor hält uns auch hier den Spiegel vor, das aber auf eine charmant freundschaftliche Weise.
Und noch etwas stellte sich bei der Lektüre heraus, der Autor ist auch nur ein "normaler" Reisender, der stets auf der Suche nach einer Bar und guten Gesprächen ist und zu Bettlern nur schwer nein sagen kann. Abgesehen vom Inhalt konnte das "Kreuzfahrerbuch" auch mit seiner großen Schrift und dem bunten maritimen Cover punkten.
Hier noch zwei Lieblingszitate:
"Auch die Engländer wurden schnell rot, doch bei ihnen stach es nicht so ins Auge, weil sie in der Regel viele Tattoos hatten. [...] Andere hatten lange Texte auf dem Rücken, damit ihre Frauen und Kinder unterwegs immer etwas zu lesen hatten." (S. 9)
"Von unseren früheren Reisen wussten wir, dass ein Schlagerprogramm für eine Kreuzfahrt so unverzichtbar war wie die Kotztüte für ein Flugzeug. Beides wird nicht von jedem gebraucht, darf aber trotzdem nicht fehlen." (S. 113)
FAZIT
Kaminers Kreuzfahrtbeobachtungen sind eine lohnenswerte Lektüre, nicht nur für eingeschworene Fans. Lachmuskeltraining inklusive.