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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Hanno Rauterberg beschreibt Tendenzen der digitalen Kunst
Der Titel des Essays von Hanno Rauterberg über Kunst und Künstliche Intelligenz (KI), "Die Kunst der Zukunft", scheint wuchtige Programmatik und große Theorie zu versprechen. Tatsächlich aber präsentiert sich der Zeit-Redakteur als kenntnisreicher Kurator, der seine Leserschaft mit auf einen Spaziergang durch ein Netz nimmt, das als Museum seiner selbst funktioniert. Seine Erzählung über den "Traum der kreativen Maschine" ist eher anekdotisch und weist auf Trends in der digitalen Kunst hin.
Die kreative Maschine, meint Rauterberg, produziere mit ihrer "schwachen Kreativität" die "ultimative Form von Outsider-Kunst". Angelegt sei diese Entwicklung bereits in mehreren Avantgarde-Bewegungen, beispielsweise in Filippo T. Marinettis Futurismus oder in der Pop Art eines Andy Warhol, der gerne damit kokettiert hat, selbst wie eine Maschine arbeiten zu wollen oder Menschen wie Maschinen für sich arbeiten zu lassen in einer seiner Factories. Über die Figur des Hackers schleicht sich das menschliche Genie, das Rauterberg durch das Lob der Maschine eigentlich verdrängt sieht, dann bei ihm doch wieder zurück auf die Bühne. Wobei gefällt, dass der Hacker hier nicht als Computerverbrecher auftritt, sondern der Begriff auf seinen Ursprung zurückgeführt wird, nämlich als Bezeichnung für eine Trickster-Figur, die sich durch kreativen Umgang mit Technik - und anderen Menschen - auszeichnet.
Dass Rauterberg die Entwicklungen der digitalen Kunst nicht als disruptive Momente schumpeterschen Zuschnitts sieht, sondern sie in den größeren Zusammenhang historischer Strategien der Avantgarden einordnet, ist erfrischend. Wird doch sonst bei Betrachtungen digitaler Technologien gerne eine harte Grenze zwischen "Offline" und "Online" gezogen, die es so nicht gibt. Dafür markiert die noch zu schaffende, wirklich kreative KI bei ihm einen Hoffnungshorizont, nämlich eine Art Jenseits des totalitären Überwachungskapitalismus.
Der Traum von der kreativen Maschine ist einer, "in dem die Natur technisiert, die Technik naturalisiert wird. Und die Kunst als versöhnende Kraft alle Trennungen überwindet." Dabei kommt allerdings auch die KI nicht ohne jemanden aus, der ihre Produkte zur Kunst erklärt. Eine KI kann erst dann eine wahre Künstlerin sein, wenn eine andere KI ihre Werke als Kunst anerkennt. Bisher können Computer nur menschlicher Kunst einen Wert zuweisen, indem sie beispielsweise Trends in Auktionen registrieren und hochrechnen. Neuronale Netzwerke können Kunst erzeugen, so viel sie wollen, aber am Ende muss jemand dazu bereit sein, dem Output einen Wert zuzuweisen.
Es ist schade, dass der Text offenbar vor dem jüngsten Boom kryptographisch signierter Kunstwerke, der Non-Fungible Tokens (NFTs), entstanden ist. Sie sind die bisher deutlichste Fusion von Verschlüsselungstechnik, Blockchain, Geld und Kunst. Markt, Kunst und Hoax sind im Netz schließlich eines, gerade in klassischen Projekten der Netzkunst wie dem "Toywar" der Schweizer Gruppe Etoy (1999) oder "Google Will Eat Itself" der in Österreich beheimateten Gruppe Ubermorgen.com.
Rauterberg führt als Beispiel die Auktion des Outputs eines mit fünfzehntausend Porträts aus Museen gefütterten Generative Adversarial Networks (GANs) der Gruppe Obvious bei Christie's an, bei der 2018 immerhin ein Preis von 432 500 Dollar erzielt wurde. Auch wenn er das Experiment als Kritik einer reduktionistischen Perspektive auf KI versteht, so bleibt am Ende doch vor allem der transaktionale Charakter des Coups in Erinnerung. Kunst mag vielleicht im Rahmen eines digitalen Animismus eine Art Transzendenz in der Immanenz herstellen und über den Überwachungskapitalismus hinausweisen, aber dem Markt entkommt sie nicht. Wenn am Ende Kunst und Markt doch zusammenfallen, was ist die Kunst in diesem Konstrukt dann noch wert?
Nicht nur aus der Perspektive des Markts betrachtet, klafft eine große Lücke in diesem Essay über Kunst und KI. Computerspiele als sowohl umsatzstärkste als auch ästhetisch relevanteste digitale Kunstform kommen darin nicht wirklich vor, weder als zeitgenössische Form des algorithmisch getriebenen Erzählens durch prozedural generierte Spieleumgebungen noch als Manifestation des künstlerischen Einsatzes von Rechentechnik. Dabei basiert maschinelles Lernen auf Stochastik - und die moderne Wahrscheinlichkeitsrechnung wiederum wurzelt in der Betrachtung von Spielen. Mehr Menschen erfahren heute die von Rauterberg angesprochenen Momente der Erhabenheit in Spieleumgebungen als in explizit für Galerie, Festival oder Museum konzipierter Computerkunst. Und vielleicht liegt im Spiel ja auch das wahre Jenseits des Markts.
GÜNTER HACK
Hanno Rauterberg:
"Die Kunst der Zukunft". Über den Traum von der kreativen Maschine.
Suhrkamp Verlag,
Berlin 2021. 195 S.,
br., 16,- [Euro].
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