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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Was Führung in Politik und Wirtschaft unterscheidet
Es besteht kein Mangel an Büchern zum Thema Führung. Das macht es dem Leser nicht leicht, die reichlich vorhandene Spreu vom raren Weizen zu trennen. Das vorliegende Gemeinschaftswerk von Ex-Minister Thomas de Maizière und dem ehemaligen Merck-Chef und heutigen Mehrfach-Aufsichtsrat Karl-Ludwig Kley fällt in die Kategorie Weizen. Die Autoren stellen in origineller Weise Führung in der Politik und in der Wirtschaft einander gegenüber, arbeiten Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus und geben dem Spitzenpersonal in beiden Feldern subjektiv gefärbte Empfehlungen für eine "gute" oder besser erfolgreiche Erfüllung ihres Führungsauftrags. Dabei erheben sie nicht den Anspruch, ultimative Führungsweisheiten zu präsentieren. Ihnen geht es um etwas anderes: Sie werben für ein besseres Miteinander des Spitzenpersonals in Politik und Wirtschaft.
Die Schrift gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil aus der Feder von Thomas de Maizière steht unter der treffenden Überschrift "Die Schaltstellen der Demokratie - Führen in der Politik". Der zweite Teil, der von Karl-Ludwig Kley verfasst wurde, trägt den ebenfalls passend gewählten Titel "Das Kraftwerk des Wohlstands - Führen in der Wirtschaft". Beide Teile sind kongruent aufgebaut und behandeln ähnliche Fragen: Wie gelangt man in ein politisches Spitzenamt, und wie wird man Vorstand einer großen Aktiengesellschaft? Mit welchen Erwartungen wird man in einer Spitzenposition konfrontiert? In welchem Dickicht von Stakeholdern müssen sich Top-Führungskräfte heute behaupten? De Maizière weist zu Recht darauf hin, dass (erfolgreiche) politische Führung vor allem bedeutet, den Unterschied zwischen Sachaufgaben und politischen Aufgaben zu (er)kennen und in beiden Feldern erfolgreich sein zu wollen - und zu wissen, wann was "dran" ist und wie man einen Sachverhalt politisch aufladen oder ein politisches Thema auf eine sachliche Ebene, auch unter Einbezug der Opposition, zurückführen kann. So komme es darauf an, für strategische Reformen einen günstigen Zeitpunkt zu erwischen oder eine günstige Konstellation, etwa kurz nach einer Krise, entschlossen zu nutzen. Spitzenpolitiker müssten sich in gewisser Weise wie die Spinne im Netz verhalten. Sie müssten die Fähigkeit zur "empathischen Führung" entwickeln. Damit meint er eine "starke" Führung, aber mit Einfühlungsvermögen.
Karl-Ludwig Kley geht in seinem flüssiger zu lesenden Teil auf die Führung von großen Aktiengesellschaften ein. Seinen Darlegungen kommt zugute, dass er zwischen Führen (Führungsarbeit strukturieren) und Führung (Bündel aller Führungsmaßnahmen) differenziert. Er bezieht klare Positionen. Vorstände müssten stets wertegeleitet ihren Führungsauftrag wahrnehmen. Dabei dürfe jedoch auch die Werteidee nicht moralisch überhöht werden, denn Unternehmen lebten nicht in einer Traumwelt. Vorstände global tätiger Unternehmen müssten ihre Aufgabe realitätsnah erfüllen. Das gelte etwa für die Gratwanderung bei Geschäften mit Partnern aus Ländern mit politischen Systemen, die europäischen Wertvorstellungen nicht entsprechen. Kleys Führungsmodell orientiert sich am Stakeholder-Ansatz (mit den Kunden als Stakeholder Nummer eins). Gleichwohl: Um ein Stakeholder-Management überhaupt zu ermöglichen, müssen Unternehmen in der Privatwirtschaft zunächst einmal Gewinne erzielen. Er plädiert für eine Neuauflage des Aktiengesetzes und fordert, dass ein Vorstand Krisen als etwas Normales angehen müsse. Führen heißt für ihn, Verantwortung täglich zu leben, verlässlich und loyal zu sein, Vertrauen zu schenken, gelassen sowie belastbar zu sein, für seine Aufgabe zu brennen und bei alledem Mensch zu sein und Stärken und Schwächen zu zeigen.
Im kurzen dritten Teil gehen die Autoren pointiert der Frage nach, was Führung in Wirtschaft und Politik trennt und was sie eint. Sie konstatieren, dass Führung in den beiden Feldern nach jeweils eigenen Regeln funktioniere und dass es trotz aller Gemeinsamkeiten beim Führen von Menschen doch erhebliche Unterschiede zwischen der Führung eines Ministeriums und einer großen AG gebe. Als Hauptgrund für die Schwierigkeiten, die Spitzenkräfte in Politik und Wirtschaft im Umgang miteinander hätten, erkennen die Autoren die unterschiedliche Art der Rekrutierung des Spitzenpersonals in beiden Feldern und hierbei insbesondere die unterschiedliche Gewichtung der fachlichen Eignung. Sie fordern zu Recht, dass bei der Auswahl des politischen Spitzenpersonals dessen fachliche Eignung eine stärkere Berücksichtigung finden sollte. Am Ende ihres Buches formulieren die Autoren zehn unprätentiös formulierte "Goldene Regeln" guter Führung, die damit beginnen, dass nur derjenige gut führen kann, der Menschen mag.
Den Autoren ist die Kontrastierung von kluger Führung in der Politik und in der Wirtschaft gut gelungen. Dies macht den Reiz des Buches aus. Vergleichbares findet man in der gängigen Managementliteratur nicht. Das Buch ist kein Lehrbuch, wohl aber ein lehrreiches Buch, das dem Leser Anstöße zu einer kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst als Führungskraft und damit zur unverzichtbaren Selbstführung bietet. In einer zweiten Auflage würde man sich mehr wünschen über die strategische Führungsaufgabe Zukunftssicherung und auch das Führen im digitalen Zeitalter.ROBERT FIETEN
Karl-Ludwig Kley, Thomas de Maizière: Die Kunst guten Führens. Macht in Wirtschaft und Politik. Herder, Freiburg im Breisgau 2021, 284 Seiten, 25 Euro.
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