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Um die verbotenen Orte ihrer Kindheit zu sehen, unternahm Kapka Kassabova eine Reise in ihre Heimat. Was sie entdeckte, waren Wälder, Gebirge und Landschaften, die ihr Herz stehenbleiben ließen, so schön sind sie. Dort, wo Bulgarien, Griechenland und die Türkei aufeinandertreffen, das alte Thrakien. Bis 1989 war dieses Gebiet eine "verdunkelte, bewaldete Berliner Mauer". Und jetzt? Sie sieht die Wälder des Strandscha-Gebirges und menschenleere Dörfer in den Rhodopen, sie trifft Schmuggler, Wilderer und ganz normale Leute, die ihr Geschichten erzählen über Liebe und Tod, das Einst und das Jetzt…mehr

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Produktbeschreibung
Um die verbotenen Orte ihrer Kindheit zu sehen, unternahm Kapka Kassabova eine Reise in ihre Heimat. Was sie entdeckte, waren Wälder, Gebirge und Landschaften, die ihr Herz stehenbleiben ließen, so schön sind sie. Dort, wo Bulgarien, Griechenland und die Türkei aufeinandertreffen, das alte Thrakien. Bis 1989 war dieses Gebiet eine "verdunkelte, bewaldete Berliner Mauer". Und jetzt? Sie sieht die Wälder des Strandscha-Gebirges und menschenleere Dörfer in den Rhodopen, sie trifft Schmuggler, Wilderer und ganz normale Leute, die ihr Geschichten erzählen über Liebe und Tod, das Einst und das Jetzt und wie es ist, vom Rand plötzlich in die Mitte der Welt gerückt worden zu sein.

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Autorenporträt
Kapka Kassabova wurde 1973 in Sofia geboren und lebt heute in den schottischen Highlands. Sie schreibt unter anderen für The Sunday Times, The Guardian und Vogue. Die letzte Grenze war ¿Book of the Week¿ der BBC und ist ihr erstes Buch in deutscher Übersetzung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2018

Was hätte aus Thrakien alles werden können
Im tiefen Südosten: Kapka Kassabova bereist den Hinterhof Europas und findet statt Menschen Fabelwesen

Das Dreiländereck zwischen der Türkei, Bulgarien und Griechenland ist eine europäische Terra incognita. Der äußerste Südosten des europäischen Südostens, dieser kaum bekannte Hinterhof Europas, ist zugleich der erweiterte Vorhof Istanbuls. Die Rhodopen? Der Evros? Die thrakische Ebene? Pomaken? Edirne? Wer weiß schon etwas darüber, wäre gar je dort gewesen? Kapka Kassabova, eine in Großbritannien lebende, aber in Bulgarien aufgewachsene Autorin, kennt die Region. Aus ihren Aufenthalten im Süden Bulgariens, im Nordosten Griechenlands und im Nordwesten der Türkei ist ein Buch geworden, das "die Menschengeschichte der letzten Grenze Europas" erzählen will.

Und zu erzählen gäbe es viel aus dem Dreiländereck, wo noch vor dreißig Jahren der südlichste Abschnitt des Eisernen Vorhangs hing, "eine von den Armeen dreier Länder verdunkelte, bewaldete Berliner Mauer", wie es die Autorin nennt. Für sie ist das Buch auch ein autobiographisches Experiment, denn sie wollte die Orte sehen, deren Betreten zu ihrer Kindheit verboten, ja lebensgefährlich war. Viele Deutsche, Polen, Tschechen, Ungarn und andere zahlten für den Versuch, einen Urlaub in Bulgarien zur Flucht nach Griechenland zu nutzen, mit dem Leben oder ihrer Freiheit.

Mehr als vierhundert Flüchtlinge gingen bis 1989 als "vermisste Touristen" in eine triste Statistik ein. Andere wurden Opfer eines tragischen Irrtums: Sie hatten, auch getäuscht durch bewusst irreführende Karten, die im Ostblock zur Erschwerung der Flucht gedruckt wurden, den Stacheldrahtzaun überwunden und glaubten, bereits im Westen zu sein. Doch der Zaun stand einige hundert Meter tief auf bulgarischem Territorium und löste beim Durchtrennen der Drähte Alarm aus. Die sich frei Wähnenden waren immer noch im Reich des Unrechts, und oft griffen Grenzer sie auf. Andere wurden verraten von bulgarischen Schäfern oder Waldarbeitern, die Fremde aus Angst oder um eine Prämie, etwa für eine sowjetische Armbanduhr, ans Messer lieferten. Allein aus der DDR versuchten viertausend Bürger, Griechenland oder die Türkei zu erreichen. Wenigen gelang es.

Kassabova schildert solche Fälle, spricht mit einstigen Grenzbeamten, trifft in Berlin einen Mann, dessen Flucht glückte, bewandert alte Pfade zwischen den Blöcken. Sie kontrastiert Rückblenden effektvoll mit der Gegenwart, in der Menschen in die andere Richtung drängen und dabei vor einem neuen Grenzzaun stehen, der nicht mehr Europäer am Gehen, sondern Asiaten und Afrikaner am Kommen hindern soll, wenn auch, was ein riesiger Unterschied ist, ohne Schießbefehl.

Kassabova schildert das Grenzgebiet aber auch aus anderen Perspektiven. Sie trifft Thrakologen, also Wissenschaftler, die sich mit den Thrakern befassen, einem untergegangenen Volk, über das Herodot geschrieben hatte, es könnte spielend die Griechen unterwerfen, wenn seine Stämme nur politisch einig wären. Sie schildert die Geschichte der bulgarischen Tabakfelder (Bulgarien war einst der größte Tabakexporteur der Welt) und des Rosenöls, dessen Weltproduktion immer noch zur Hälfte in Thrakien gewonnen wird. Sie besucht die Pomaken, slawischsprachige Muslime in Bulgarien und Griechenland, die in beiden Staaten scheel angesehen werden: "Ebenso wie der kommunistische bulgarische Staat vom Wahn besessen gewesen war, die Pomaken seien eine fünfte Kolonne der Türkei und des Orientalismus, war der griechische Staat der Paranoia unterlegen, die Pomaken seien die fünfte Kolonne Bulgariens und des Kommunismus. Als Reflex auf die Paranoia jedes Staates wurden in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die Namen bulgarischer Pomaken slawisiert (also de-islamisiert), während die Namen griechischer Pomaken türkisiert (also de-slawisiert) wurden."

Solche Hintergründe versucht Kassabova über die Geschichten von Menschen zu verdeutlichen, die sie auf ihrer Reise trifft - und das ist eine exzellente Idee. Nur geht sie oft nicht auf. "Die letzte Grenze" ist eine literarische Großreportage, der es oft an gedanklicher und sprachlicher Akkuratesse mangelt. Dinge passieren und werden geschildert, ohne dass sie etwas erhellen. Sie ereignen sich einfach, da halt immer irgendetwas geschieht. Selten entsteht ein präzises Bild, eine einprägsame Geschichte. Menschen werden mit Sätzen zitiert, aus denen wir nichts über sie lernen und die auch die Handlung nicht entwickeln. Dann wieder folgen seitenlang referierte Geister- und Spukgeschichten, bei denen in die Bewohner der Grenzregionen ständig etwas hineingeheimnisst wird, als seien es Fabelwesen und nicht Menschen wie alle anderen.

Das erinnert an die These der in den Vereinigten Staaten lehrenden Historikerin Maria Todorova, einer anderen bulgarischen Emigrantin, die in ihrem Standardwerk "Die Erfindung des Balkans" zeigt, wie Reiseberichte und Zeitungstexte über den Balkan schon im neunzehnten Jahrhundert meinungsbildende Klischees schufen und von einem für Simplifizierungen durchaus empfänglichen westlichen Publikum dankbar aufgenommen wurden. Weiterführende Literatur: "Durch das Land der Skipetaren" und "In den Schluchten des Balkan" von Karl May.

Bei Kassabova begegnen wir Menschen "mit Augen, die zu viel gesehen hatten", und die Grenzregion erscheint bei ihr als "das Reich derjenigen, die die Berge im Blut haben". Berge im Blut zu haben muss sehr unangenehm sein, aber die Männer in diesem Buch ertragen es stoisch, denn sie haben "archaische balkanische Gesichtszüge von granitener Geduld", wobei es Unterschiede gibt: "Der türkische Mann in Thrakien war resigniert, zurückhaltend, hatte Trauer in den Augen. Sein bulgarisches Gegenüber war misstrauisch, aggressiv und Alkoholiker." Über Roma heißt es: "Zigeuner können Muslime sein, Christen oder keines von beiden. Sie können sich in Lumpen kleiden oder sich mit Gold behängen. Sie können mit einer Ziege in einem Herrenhaus wohnen. Egal, was sie tun, sie bleiben unweigerlich sie selbst: grenzenlos."

Zu solchen Klischees kommen dann noch sachliche Fehler, die in ihrer Häufung irritierend sind. Dass es in Edirne ein nominelles Alkoholverbot gibt, ist falsch, denn die Stadt ist stolz auf ihre säkulare Tradition, was nahezu ostentativen Alkoholkonsum einschließt. Es ist kein Zufall, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan noch nie eine Mehrheit in Edirne gewinnen konnte. Dass Erdogans Anhänger "verschleierte Frauen und verbissen blickende Männer" seien, mit Gesichtern, "als würden sie immerzu an Zitronen lutschen", mag originell formuliert sein, aber etwas komplexer ist die Sache wohl doch.

Die größte türkische Oppositionspartei heißt nicht TCF, und "KKK" steht nicht für die Kommunistische Partei Griechenlands. In Griechenland liegt viel im Argen, aber dass Staatsangestellte achtzehn Monate kein Gehalt bekommen hätten, ist nicht vorgekommen. Und wenn die Autorin schreibt: "Ich fühlte es wie eine starke Präsenz: Der Geist des Balkans war hier", wird selbst die granitenste Lesergeduld irgendwann brüchig.

MICHAEL MARTENS

Kapka Kassabova:

"Die letzte Grenze". Am Rand Europas, in der Mitte der Welt.

Aus dem Englischen von

Brigitte Hilzensauer.

Zsolnay Verlag, Wien 2018. 384 S., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Etwas weniger Gerede vom Balkangeist und mehr sprachliche und gedankliche Genauigkeit hätte sich Rezensent Michael Martens gewünscht von Kapka Kassabovas für ihn im Grunde kenntnisreiche Reisereportage aus dem Dreiländereck zwischen Türkei, Bulgarien und Griechenland. Den Ansatz, Geschichte des Eisernen Vorhangs mit persönlichen Erinnerungen und Gesprächen mit Zeitzeugen, Wissenschaftlern, Grenzern, Geflohenen zu versetzen und eine Brücke zwischen Heute und Gestern zu schlagen, findet Martens eigentlich sinnvoll, weil er Hintergründe offenzulegen verspricht. Leider entsteht laut Martens kein präzises Bild. Allzu oft wird der Rezensent Geschichten und Zitaten konfrontiert, die ihm keine Erkenntnis eröffnen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Spannend wie ein Abenteuerrroman, berührend wie ein Gedicht und verzaubernd durch kunstvolle Sprachbilder. Eindringlicher kann man die Welt mit ihren Freuden und Leiden und mit ihrer Schönheit und ihren Schatten nicht erklären." Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.11.18

"Virtuos verwebt Kassabova das Erlebte zu einer Reise durch Zeit und Raum, in ein von antiken und modernen Mythen durchtränktes Land, wo die Grenzen fließend sind und doch die Schicksale bestimmen." Stefan Winkler, Kleine Zeitung, 16.09.18

"Ein polyphones und atmosphärisch dichtes Panorama, das Zusammenhänge sichtbar macht und verborgene Geschichte und Geschichten zum Leuchten bringt." Kristina Pfoser, Ö1 Morgenjournal, 04.09.18

"Vielleicht, weil die Autorin ihr bulgarisches Leben und die bulgarische Kultur als Jugendliche verlassen und sich an neue Kulturen gewöhnen musste, versteht sie die Menschen so gut, die mehrmals nach einer neuen Identität suchen müssen. Sie erzählt über sie mit Verständnis und Wärme, als ob sie sie schon ewig kennt." Todor Ovtcharov, FM4, 04.09.18