Eine Reise von fünf Tagen und durch ein ganzes Jahrhundert. Der neue Roman des Büchner-Preisträgers Eine Frau, für ein paar Tage frei von Pflichten, Mann und Kindern, fährt im Januar 1969 von Den Haag über Amsterdam nach Frankfurt. Drei Liebesgeschichten aus den Zeiten der Kriege und Niederlagen gehen ihr durch den Kopf: ihre eigene, die ihrer Eltern, die einer Vorfahrin während der napoleonischen Kriege. Davon möchte sie erzählen, aber die Geschichten und Leben verflechten sich immer mehr: ein König, der die modernen Niederlande aufbaut; seine uneheliche Tochter, die in eine mecklenburgische Adelsfamilie gezwungen wird; ihr Urenkel, der als kaiserlicher U-Boot-Kapitän die roten Matrosen von Kiel überlistet, seiner schwarzen Seele entkommen möchte und zum Volksprediger wird; seine Tochter - die reisende Erzählerin selbst -, die ein gutes deutsches Mädel und trotzdem gegen die Nazis sein wollte und nun im Schreiben Befreiung sucht neben einem Mann, lächelnder Gutsbesitzersohn und Spätheimkehrer, der sich allmählich von ihr entfernt. Dem neuen Roman von Friedrich Christian Delius liegt die bewegte Geschichte seiner eigenen Familie zugrunde. Er erzählt die Reise einer Frau zwischen Scheveningen, Heiligendamm und deutschem Rhein, eine Reise von fünf Tagen und durch ein ganzes Jahrhundert.
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Tilman Krause will den Leser erst einmal beruhigen: Die Liebe taucht schon noch auf in Friedrich Christian Delius' Roman, wenn auch nicht so prominent, wie es der Buchtitel zunächst vermuten lässt. Vielmehr sei sie integriert in eine "prismatisch funkelnde kleine Deutschland-Rhapsodie", in deren Zentrum eine (klein-)bürgerliche Nachfahrin des niederländischen Königs Wilhelm I. steht, die allerlei Liebeserfahrungen in der Bundesrepublik der Sechzigerjahre machen, fasst Krause zusammen. Ein stilles Buch, in dem Delius viel Einfühlungsvermögen für seine Heldin, die selbst so gern Schriftstellerin wäre, beweist, schließt der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.06.2016Niet instappen
Zum Schönsten im vielfältigen Werk von Friedrich Christian Delius gehören die Geschichten mit autobiographischem Hintergrund, allen voran die großartige Erzählung "Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde". So freut sich der treue Delius-Leser auf einen Roman aus der weitverzweigten Familiengeschichte, von der er einige Details schon kennt. Die Erzählerrolle hat der Autor diesmal auf seine Tante Marie von Schabow übertragen. Sie schickt er im Jahr 1969 auf eine Reise durch Holland und Deutschland, um Material für ihre Liebesgeschichten zu sammeln. Es geht um die Affäre des Prinzen von Oranien mit einer Berliner Tänzerin, deren Tochter die Urgroßmutter des Autors war, die Liebe von Maries Vater, dem kaisertreuen U-Boot-Kapitän Hans, der den Nazis widerstand, zu seiner Hildegard sowie um ihre eigene Beziehung zu dem mecklenburgischen Landadeligen Reinhard.
Auf ihrer Reise schaut die Erzählerin den Möwen zu, erfreut sich an der putzigen holländische Sprache, staunt über die Hippies, schaut aus dem Zugfenster und macht sich schließlich Sorgen um ihre Ehe. Zwischendurch fallen ihr Bruchstücke ihres geplanten Romans ein. Sie werden je als absatzlange Sätze wiedergegeben, die mit einem Gedankenstrich enden: "Angefangen mit der Generalstochter, die um ihren geliebten abgestürzten Flieger trauert, und mit dem Wachoffizier, der um seine Brüder, seine Schwester und seine Eltern trauert und die Schöne mit leisem Humor und gereimten Gedichten zu gewinnen versucht, angefangen mit dem verschmitzten, dem lachenden Soldaten, dem Reimdichter in Uniform, bevor er zum felsenfest Gläubigen und Gottgehorsamen wurde, der lachende Mann mit den Rembrandtaugenbrauen -".
Solches Erzählen mit Hochdruck ergibt einen Kontrast zwischen der etwas läppischen Rahmengeschichte, mit den extrem verdichteten, summarischen und oft auch abstrakten Sätzen. Mit dem Verfahren will Delius offenbar der Gefahr der Harmonisierung von historischen Ereignissen in einem kontinuierlichen Erzählen entgehen. Der passionierte Leser versteht, dass er die Grenzen der Einfühlung in historische Personen erkennen soll, tut sich aber trotzdem schwer mit den Brüchen, zumal er häufig die Übersicht verliert. So ist er bei aller Anerkennung für die kunstvolle Konstruktion ziemlich enttäuscht und wünscht sich den Erzählfluss zurück, den Friedrich Christian Delius so gut beherrscht.
fap.
Friedrich Christian Delius: "Die Liebesgeschichtenerzählerin". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2016. 208 S., geb., 18,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zum Schönsten im vielfältigen Werk von Friedrich Christian Delius gehören die Geschichten mit autobiographischem Hintergrund, allen voran die großartige Erzählung "Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde". So freut sich der treue Delius-Leser auf einen Roman aus der weitverzweigten Familiengeschichte, von der er einige Details schon kennt. Die Erzählerrolle hat der Autor diesmal auf seine Tante Marie von Schabow übertragen. Sie schickt er im Jahr 1969 auf eine Reise durch Holland und Deutschland, um Material für ihre Liebesgeschichten zu sammeln. Es geht um die Affäre des Prinzen von Oranien mit einer Berliner Tänzerin, deren Tochter die Urgroßmutter des Autors war, die Liebe von Maries Vater, dem kaisertreuen U-Boot-Kapitän Hans, der den Nazis widerstand, zu seiner Hildegard sowie um ihre eigene Beziehung zu dem mecklenburgischen Landadeligen Reinhard.
Auf ihrer Reise schaut die Erzählerin den Möwen zu, erfreut sich an der putzigen holländische Sprache, staunt über die Hippies, schaut aus dem Zugfenster und macht sich schließlich Sorgen um ihre Ehe. Zwischendurch fallen ihr Bruchstücke ihres geplanten Romans ein. Sie werden je als absatzlange Sätze wiedergegeben, die mit einem Gedankenstrich enden: "Angefangen mit der Generalstochter, die um ihren geliebten abgestürzten Flieger trauert, und mit dem Wachoffizier, der um seine Brüder, seine Schwester und seine Eltern trauert und die Schöne mit leisem Humor und gereimten Gedichten zu gewinnen versucht, angefangen mit dem verschmitzten, dem lachenden Soldaten, dem Reimdichter in Uniform, bevor er zum felsenfest Gläubigen und Gottgehorsamen wurde, der lachende Mann mit den Rembrandtaugenbrauen -".
Solches Erzählen mit Hochdruck ergibt einen Kontrast zwischen der etwas läppischen Rahmengeschichte, mit den extrem verdichteten, summarischen und oft auch abstrakten Sätzen. Mit dem Verfahren will Delius offenbar der Gefahr der Harmonisierung von historischen Ereignissen in einem kontinuierlichen Erzählen entgehen. Der passionierte Leser versteht, dass er die Grenzen der Einfühlung in historische Personen erkennen soll, tut sich aber trotzdem schwer mit den Brüchen, zumal er häufig die Übersicht verliert. So ist er bei aller Anerkennung für die kunstvolle Konstruktion ziemlich enttäuscht und wünscht sich den Erzählfluss zurück, den Friedrich Christian Delius so gut beherrscht.
fap.
Friedrich Christian Delius: "Die Liebesgeschichtenerzählerin". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2016. 208 S., geb., 18,95 [Euro].
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Delius schreibt voller Liebe zu seiner Hauptfigur, der man sich als Leser nicht entziehen kann. Leipziger Volkszeitung