Heidelberg 1993. Im Philosophenweg wird eine Leiche gefunden. Der Mann wurde durch Stiche ins Herz getötet und mit barocker Kleidung kostümiert. Kommissar Melzer erhielt kurz zuvor einen anonymen Brief, einen Ausschnitt aus einem Brief der Liselotte von der Pfalz. Eine Kopie dieses Briefes befindet
sich in der Tasche des Toten, hier wurde eine Zeile gekennzeichnet, die auf den Missbrauch von…mehrHeidelberg 1993. Im Philosophenweg wird eine Leiche gefunden. Der Mann wurde durch Stiche ins Herz getötet und mit barocker Kleidung kostümiert. Kommissar Melzer erhielt kurz zuvor einen anonymen Brief, einen Ausschnitt aus einem Brief der Liselotte von der Pfalz. Eine Kopie dieses Briefes befindet sich in der Tasche des Toten, hier wurde eine Zeile gekennzeichnet, die auf den Missbrauch von Kindern schließen lässt. Melzers Freund Friedrich Gontard ist zwar bereits im Ruhestand, bietet aber in diesem Fall seine Hilfe an. Zusammen nehmen die beiden die Ermittlungen auf. Eile ist geboten, denn weitere Briefe tauchen auf und ein weiterer Mord geschieht…
Der Roman lässt sich flott lesen, die Handlung geht schnell und gradlinig voran. Die eigentliche Krimihandlung kommt für meinen Geschmack etwas zu kurz, denn die Ermittlungen führen eher zufällig zum Erfolg. Aber ich denke, dass das in der Absicht der Autorin lag, um das Augenmerk auf das eigentliche Thema des Buches zu legen, den sexuellen Missbrauch von Kindern. Vielleicht aber auch, um hervorzuheben, wie schwer es für Polizei und Justiz ist, für diese Verbrechen entsprechende Beweise zu finden, wenn alle schweigen.
Die Autorin versucht auf alle erdenklichen Bereiche einzugehen, an denen Missbrauch vorkommen kann: Schule, Familie, Kirche. Die Vorkommnisse in der Odenwaldschule kommen zur Sprache, von Thailand ist die Rede. Ja, und auch die „Liselotte-Briefe“ zeigen, dass diese schrecklichen Taten schon seit Jahrhunderten geschehen und die Gesellschaft schon immer geschwiegen hat, anstatt dagegen vorzugehen und die Kinder zu schützen. Außerdem versucht Lilo Beil aufzuzeigen, warum Betroffene die Fälle verschweigen: aus Scham; aus Angst, gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden oder auch, weil sie vom Täter bedroht werden. Am meisten schockiert mich die Tatsache, dass den Kindern, wenn sie denn so mutig sind und um Hilfe bitten, nicht geglaubt wird, schlimmer noch, dass man diese Kinder der Lüge bezichtigt.
Lilo Beil geht sehr vorsichtig mit diesem heiklen Thema um, und schafft es, das nie endende Leid und die Verzweiflung und Hilflosigkeit der missbrauchten Kinder deutlich darzustellen.
Am Ende der Geschichte dann ein nachdenklich machender Satz von Friedrich Gontard: “Selbstjustiz ist nicht erlaubt in unserer Gesellschaft. Aber wenn die Gesellschaft versagt…“ (S.195).
„Die Mauern des Schweigens“ will aufmerksam machen und fordert auf, sich einzumischen und nicht stumm wegzuschauen. Ein lesenswerter, sehr bewegender Roman.