Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Geschichte Europas - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,3, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Historisches Seminar), Sprache: Deutsch, Abstract: Wilhelm von Ockham ist einer der großen Denker des Spätmittelalters und Autor zahlreicher Schriften zum Armutsstreit, zum Papsttum, zum Verhältnis von Kirche und Kaiser. Mit seiner Flucht vom Papsthof in Avignon an den kaiserlichen Hof zu Ludwig dem Bayern, wo er als Berater tätig wird, enden jedoch die theoretischen und beginnen Ockhams sozial-politische Texte. Allerdings setzt keine prinzipielle Veränderung, sondern vielmehr eine Wende in der Zielsetzung der Schriften ein. Die theoretischen Thesen, für ein gelehrtes Publikum bestimmt, werden übertragen auf praktisch-politische Fragen sowohl kirchenrechtlicher als auch sozialer Natur. Ein Gutachten aus dieser Zeit ist die „Consultatio de causa matrimoniali", mit der Ockham auf die sogenannte „Maultaschaffäre“ am Hofe Ludwigs des Bayern reagiert. Es behandelt die Frage, ob der Sohn des Kaisers mit der Herzogin Margarethe von Tirol vermählt werden darf. Der Text bietet ein exzellentes Beispiel für die Beratertätigkeit des Franziskaners am Hofe Ludwig des Bayern, auch wenn der Vorschlag letztendlich nicht umgesetzt wird. Eine Analyse dieser Schrift zeigt, wie sehr Ockham auch in sozialpolitischen Texten seinen Thesen treu bleibt und wie es ihm gelingt, Theorie in die Praxis zu übertragen. Mit der „Maultaschaffäre“ eröffnet sich dem Forscher ein konkret belegbarer, tagespolitischer Fall, der relativ gut dokumentiert ist – abgesehen davon, dass sein Ende nicht wirklich bekannt ist –, an dem sich die Vermischung von politischer Theorie und Praxis ablesen lassen. Sie stellt beispielhaft dar, wie das Bedürfnis des Spätmittelalters, Legitimität zu konstruieren, umgesetzt worden ist. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine angemessene Darstellung des Gutachtens von Ockham zu erarbeiten. Nachdem die Ausgangssituation um die „Maultaschaffäre“ genauer erläutert worden ist, wird die "Consultatio" ausführlich besprochen, da sich in der Forschung bislang keine wirklich intensive Textanalyse findet. Daran anschließend ist zu untersuchen, inwieweit die verbreitete Deutung dem eigentlichen Schriftstück gerecht wird, denn in den meisten Fällen erfolgt keine eingehende Auseinandersetzung mit dem Original. Ockhams Lösungsvorschlag, den er in seinem Gutachten entwickelt, verdient eine eingehendere Betrachtung, als sie ihm bislang widerfahren ist, zumal die von ihm unterbreitete Antwort nicht so eindeutig ist, wie sie meist dargestellt wird.