Als 1986 Risikogesellschaft erschien, machte das Ulrich Beck schlagartig berühmt. Der Soziologe wies nicht nur auf die Nebenfolgen der Industriemoderne hin, er betonte zugleich, dass die Welt sich auch dann permanent verändert, wenn wir meinen, einen vorübergehenden Zustand mit Institutionen und Konzepten einfrieren zu können. Mit beispielloser Neugier spürte Beck den Indizien des Wandels nach und öffnete uns mit der Lust an der terminologischen Innovation die Augen für Individualisierung, Globalisierung und die Transformation der Arbeitswelt.
Am 1. Januar 2015 verstarb Ulrich Beck überraschend und viel zu früh. Bis zu seinem Tod arbeitete er an einem Buch, das beides ist: Summe und radikale Weiterführung seiner Theorie. Während es früher Fixpunkte gab, an denen wir erkennen konnten, was stabil blieb und was nicht, erleben wir heute eine allumfassende Verwandlung, die uns orientierungslos werden lässt. Die Metamorphose der Welt ist der Versuch, diese Globalisierung des Wandels zu verstehen und hochaktuelle Herausforderungen wie Erderwärmung und Migration auf den Begriff zu bringen.
Am 1. Januar 2015 verstarb Ulrich Beck überraschend und viel zu früh. Bis zu seinem Tod arbeitete er an einem Buch, das beides ist: Summe und radikale Weiterführung seiner Theorie. Während es früher Fixpunkte gab, an denen wir erkennen konnten, was stabil blieb und was nicht, erleben wir heute eine allumfassende Verwandlung, die uns orientierungslos werden lässt. Die Metamorphose der Welt ist der Versuch, diese Globalisierung des Wandels zu verstehen und hochaktuelle Herausforderungen wie Erderwärmung und Migration auf den Begriff zu bringen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2016So kommt der Wandel in sein Endstadium
Ultimative sozialwissenschaftliche Zeitdiagnose: Ulrich Becks nachgelassenes Buch "Die Metamorphose der Welt"
Als der Münchner Soziologe Ulrich Beck im Januar 2015 unerwartet starb, arbeitete er gerade an einem Buch zur Frage, wie der Klimawandel unseren Blick auf die Welt verändert. Nach Becks Tod vollendete seine Frau Elisabeth Beck-Gernsheim das Buch gemeinsam mit wissenschaftlichen Weggefährten des Autors. Anfang 2016 erschien es in der englischen Originalfassung, jetzt liegt es auch in der deutschen Übersetzung vor. Das Manuskript war, wie Beck-Gernsheim im Vorwort vermerkt, in vielen Hinsichten ergänzungsbedürftig. Gleichwohl ist das Resultat in Stil und Inhalt unverkennbar ein echter Beck: mit der für ihn typischen Lust zur starken These, zur Begriffserfindung, zur farbenfrohen Metaphorik. Ulrich Beck ist auch in seinem letzten Buch ein Soziologe, der nicht nur für Soziologen schreibt.
Die traurigen Umstände der Veröffentlichung legen nahe, "Die Metamorphose der Welt" als intellektuelles Vermächtnis aufzufassen: als letzte große Zeitdiagnose des wohl einflussreichsten deutschen Zeitdiagnostikers. Und tatsächlich: Der Anspruch könnte größer kaum sein. Beck nimmt sich vor, unsere Gegenwart auf den Begriff zu bringen, und zwar unter Infragestellung sämtlicher Konzepte - wie Evolution, Revolution, Transformation -, die in den Sozialwissenschaften bislang zur Erklärung sozialen Wandels entwickelt worden sind. "Warum nicht Wandel, sondern Verwandlung der Welt?", fragt er folgerichtig im ersten Kapitel und antwortet: Weil Wandel impliziere, dass sich manches ändere, vieles aber gleich bleibe. "Das Wort ,Metamorphose' impliziert eine weitaus radikalere Veränderung: Die ewigen Gewissheiten moderner Gesellschaften brechen weg, und etwas ganz und gar Neues tritt auf den Plan."
Beck macht dies vor allem am Klimawandel fest. Dessen umstürzende Bedeutung sieht er weniger darin, dass er zu global koordiniertem Handeln motiviert - nach der Wahl Trumps wohl ungewisser denn je - , sondern darin, dass er "die Art und Weise unseres In-der-Welt-Seins bereits verändert (hat) ... Der steigende Meeresspiegel erschafft neue Landschaften sozialer Ungleichheit, zeichnet neue Weltkarten, deren wichtigste Eintragungen nicht mehr nationalstaatliche Grenzen sind - sondern Höhenlinien."
Neu auch für Beck selbst, der bereits in der "Risikogesellschaft" (1986) sowie in der "Weltrisikogesellschaft" (2007) große Umbrüche diagnostiziert hatte, ist der Gedanke, dass die negativen Nebenfolgen (Risiken), die er in seinen vorherigen Umbruchsbüchern betont hatte, auch mit positiven Nebenfolgen einhergehen könnten, nämlich mit geschärftem Bewusstsein für die globale Tragweite dieser Risiken selbst. Insofern sei der Klimawandel eine potentiell "emanzipatorische Katastrophe". Das Buch erörtert diese These sowie andere Aspekte der "Kosmopolitisierung" (Becks Ausdruck für Globalisierung) an so unterschiedlichen Fallbeispielen wie dem globalen Organhandel, der globalen Ungleichheit, politischen Definitionsmachtverhältnissen, digitalen Risiken und zwischenstaatlichen Beziehungen.
Wie in seinen früheren Büchern erweist sich Becks Idee, die Moderne von ihren wahrgenommenen Nebenfolgen her zu durchdenken, auch hier immer wieder als anregend und aufschlussreich. Seine Analysen werden zudem rhetorisch unterstützt durch schlagkräftige Metaphern wie jene von der "Weltanziehungskraft", die heute auch lokale Akteure und lokale Anliegen in den Sog der Globalisierung hineinziehe.
Doch wie steht es um Becks zentrale These, dass sich die Gegenwart nicht mehr in Begriffen des sozialen Wandels, sondern nur noch in solchen der "Verwandlung" und "Metamorphose" fassen lässt? Sie bleibt eine Behauptung, für die das Buch keinerlei Belege bietet. Mehr noch: Seine eigenen Analysen widerlegen diese These, denn sie argumentieren weitgehend im Rahmen älterer Überlegungen zur "reflexiven Moderne" und "Risikogesellschaft" und implizieren folglich, dass es in der "Weltrisikogesellschaft" neben viel Wandel mindestens eine grundlegende Kontinuität geben muss: die reflexiv-moderne Produktion von Nebenfolgen und Risiken. Beck positioniert sein Interesse an der Globalisierung gegen den "methodologischen Nationalismus" der sozialwissenschaftlichen Forschung, deren Themen- und Begriffswahl sich häufig unreflektiert an den Grenzen des Nationalstaats orientiert. Diese Kritik ist an sich durchaus berechtigt. Angesichts der These des vorliegenden Buchs kann man jedoch auf die Idee kommen, den Spieß umzudrehen und zu vermuten, dass Becks Faszination für den Wandel auch mit einer Art "methodologischem Bundesrepublikanismus" zu tun hat: der Erfahrung relativer Stabilität des Mittelschichtsmilieus der Bundesrepublik Deutschland der fünfziger bis achtziger Jahre, die Beck mit vielen seiner Leser teilt. Gegen diese Erfahrung mag sich der Wandel seit den neunziger Jahren in der Tat spektakulär ausnehmen - aber eben auch nur gegen sie.
In einem weiteren historischen Vergleichsrahmen und von anderen geographischen Standpunkten wird dagegen eher diese Stabilität als Ausnahme auffallen. Man versteht die These daher wohl besser, interpretiert man sie weniger als wissenschaftliche Aussage denn als Kulminationspunkt eines sozialwissenschaftlichen Genres, dessen Gattungsmerkmale der Soziologe Fran Osrecki vor einigen Jahren herausgearbeitet hat - der sozialwissenschaftlichen Zeitdiagnose. Hauptmerkmal dieses Genres ist die Behauptung von Wandel, primäres Anliegen die Attraktion medialer Aufmerksamkeit.
In Becks letztem Buch erreicht das Genre nun sein logisch-rhetorisches Endstadium: Der Wandel wird selbst zur Zeitdiagnose und ist folglich nur noch in einem Superlativ des Wandels, der "Metamorphose", zu beschreiben. Das passende Gesellschaftskompositum müsste lauten: "Die Wandlungsgesellschaft". Mehr Wandel geht nicht. So gesehen, ist das Buch die ultimative Zeitdiagnose.
Die Neigung, überall Wandel zu sehen, bleibt aber auch nicht ohne Konsequenzen für das soziologische Bild, das Beck von der Globalisierung entwirft. Denn sie paart sich mit einer Präferenz für einen Typus soziologischer Theoriebildung, der "die Moderne" an theoretisch gesetzten Strukturmerkmalen - hier: Nebenfolgen der Modernisierung, Reflexion globaler Risiken - festmacht und alles, was nicht in dieses Bild passt - hier insbesondere den gegenwärtig zunehmenden Nationalismus -, als "gegenmoderne" Phänomene klassifiziert. Normatives Wunschdenken geht dabei bisweilen unvermittelt in theoretische Annahmen über: Der Nationalstaat ist für die globalen Probleme zu klein, meint der politische Mensch, also befinden wir uns ab jetzt im kosmopolitischen Zeitalter, meint der Soziologe.
Im Kontrast zur zeitdiagnostischen Rhetorik bleibt Becks Theorie daher letztlich verblüffend konventionell und ganz im Rahmen einer Tradition, die sich seit dem neunzehnten Jahrhundert darin übt, Haupttrends der Modernisierung zu identifizieren und Phänomene wie den Nationalismus voreilig als Gegen- oder Nebentrends einzuordnen - und folglich chronisch zu unterschätzen. Um solchen Reflexen vorzubeugen, dürfte man nicht lediglich an westlichen Erfahrungen abgelesene Begriffe der Moderne auf Globalisierungsprozesse anwenden, sondern müsste diese Begriffe selbst im Licht historischer Globalisierungsforschung überdenken und modifizieren.
Darin scheint denn auch das eigentliche revolutionäre Potential der Globalisierungsforschung für die sozialwissenschaftliche Theorieentwicklung zu liegen: nicht in Gegenwartsdiagnosen, sondern im intensiven Dialog zwischen soziologischer Theorie und neuerer Globalgeschichtsschreibung.
TOBIAS WERRON
Ulrich Beck: "Die Metamorphose der Welt".
Aus dem Englischen von Frank Jakubzik. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 267 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ultimative sozialwissenschaftliche Zeitdiagnose: Ulrich Becks nachgelassenes Buch "Die Metamorphose der Welt"
Als der Münchner Soziologe Ulrich Beck im Januar 2015 unerwartet starb, arbeitete er gerade an einem Buch zur Frage, wie der Klimawandel unseren Blick auf die Welt verändert. Nach Becks Tod vollendete seine Frau Elisabeth Beck-Gernsheim das Buch gemeinsam mit wissenschaftlichen Weggefährten des Autors. Anfang 2016 erschien es in der englischen Originalfassung, jetzt liegt es auch in der deutschen Übersetzung vor. Das Manuskript war, wie Beck-Gernsheim im Vorwort vermerkt, in vielen Hinsichten ergänzungsbedürftig. Gleichwohl ist das Resultat in Stil und Inhalt unverkennbar ein echter Beck: mit der für ihn typischen Lust zur starken These, zur Begriffserfindung, zur farbenfrohen Metaphorik. Ulrich Beck ist auch in seinem letzten Buch ein Soziologe, der nicht nur für Soziologen schreibt.
Die traurigen Umstände der Veröffentlichung legen nahe, "Die Metamorphose der Welt" als intellektuelles Vermächtnis aufzufassen: als letzte große Zeitdiagnose des wohl einflussreichsten deutschen Zeitdiagnostikers. Und tatsächlich: Der Anspruch könnte größer kaum sein. Beck nimmt sich vor, unsere Gegenwart auf den Begriff zu bringen, und zwar unter Infragestellung sämtlicher Konzepte - wie Evolution, Revolution, Transformation -, die in den Sozialwissenschaften bislang zur Erklärung sozialen Wandels entwickelt worden sind. "Warum nicht Wandel, sondern Verwandlung der Welt?", fragt er folgerichtig im ersten Kapitel und antwortet: Weil Wandel impliziere, dass sich manches ändere, vieles aber gleich bleibe. "Das Wort ,Metamorphose' impliziert eine weitaus radikalere Veränderung: Die ewigen Gewissheiten moderner Gesellschaften brechen weg, und etwas ganz und gar Neues tritt auf den Plan."
Beck macht dies vor allem am Klimawandel fest. Dessen umstürzende Bedeutung sieht er weniger darin, dass er zu global koordiniertem Handeln motiviert - nach der Wahl Trumps wohl ungewisser denn je - , sondern darin, dass er "die Art und Weise unseres In-der-Welt-Seins bereits verändert (hat) ... Der steigende Meeresspiegel erschafft neue Landschaften sozialer Ungleichheit, zeichnet neue Weltkarten, deren wichtigste Eintragungen nicht mehr nationalstaatliche Grenzen sind - sondern Höhenlinien."
Neu auch für Beck selbst, der bereits in der "Risikogesellschaft" (1986) sowie in der "Weltrisikogesellschaft" (2007) große Umbrüche diagnostiziert hatte, ist der Gedanke, dass die negativen Nebenfolgen (Risiken), die er in seinen vorherigen Umbruchsbüchern betont hatte, auch mit positiven Nebenfolgen einhergehen könnten, nämlich mit geschärftem Bewusstsein für die globale Tragweite dieser Risiken selbst. Insofern sei der Klimawandel eine potentiell "emanzipatorische Katastrophe". Das Buch erörtert diese These sowie andere Aspekte der "Kosmopolitisierung" (Becks Ausdruck für Globalisierung) an so unterschiedlichen Fallbeispielen wie dem globalen Organhandel, der globalen Ungleichheit, politischen Definitionsmachtverhältnissen, digitalen Risiken und zwischenstaatlichen Beziehungen.
Wie in seinen früheren Büchern erweist sich Becks Idee, die Moderne von ihren wahrgenommenen Nebenfolgen her zu durchdenken, auch hier immer wieder als anregend und aufschlussreich. Seine Analysen werden zudem rhetorisch unterstützt durch schlagkräftige Metaphern wie jene von der "Weltanziehungskraft", die heute auch lokale Akteure und lokale Anliegen in den Sog der Globalisierung hineinziehe.
Doch wie steht es um Becks zentrale These, dass sich die Gegenwart nicht mehr in Begriffen des sozialen Wandels, sondern nur noch in solchen der "Verwandlung" und "Metamorphose" fassen lässt? Sie bleibt eine Behauptung, für die das Buch keinerlei Belege bietet. Mehr noch: Seine eigenen Analysen widerlegen diese These, denn sie argumentieren weitgehend im Rahmen älterer Überlegungen zur "reflexiven Moderne" und "Risikogesellschaft" und implizieren folglich, dass es in der "Weltrisikogesellschaft" neben viel Wandel mindestens eine grundlegende Kontinuität geben muss: die reflexiv-moderne Produktion von Nebenfolgen und Risiken. Beck positioniert sein Interesse an der Globalisierung gegen den "methodologischen Nationalismus" der sozialwissenschaftlichen Forschung, deren Themen- und Begriffswahl sich häufig unreflektiert an den Grenzen des Nationalstaats orientiert. Diese Kritik ist an sich durchaus berechtigt. Angesichts der These des vorliegenden Buchs kann man jedoch auf die Idee kommen, den Spieß umzudrehen und zu vermuten, dass Becks Faszination für den Wandel auch mit einer Art "methodologischem Bundesrepublikanismus" zu tun hat: der Erfahrung relativer Stabilität des Mittelschichtsmilieus der Bundesrepublik Deutschland der fünfziger bis achtziger Jahre, die Beck mit vielen seiner Leser teilt. Gegen diese Erfahrung mag sich der Wandel seit den neunziger Jahren in der Tat spektakulär ausnehmen - aber eben auch nur gegen sie.
In einem weiteren historischen Vergleichsrahmen und von anderen geographischen Standpunkten wird dagegen eher diese Stabilität als Ausnahme auffallen. Man versteht die These daher wohl besser, interpretiert man sie weniger als wissenschaftliche Aussage denn als Kulminationspunkt eines sozialwissenschaftlichen Genres, dessen Gattungsmerkmale der Soziologe Fran Osrecki vor einigen Jahren herausgearbeitet hat - der sozialwissenschaftlichen Zeitdiagnose. Hauptmerkmal dieses Genres ist die Behauptung von Wandel, primäres Anliegen die Attraktion medialer Aufmerksamkeit.
In Becks letztem Buch erreicht das Genre nun sein logisch-rhetorisches Endstadium: Der Wandel wird selbst zur Zeitdiagnose und ist folglich nur noch in einem Superlativ des Wandels, der "Metamorphose", zu beschreiben. Das passende Gesellschaftskompositum müsste lauten: "Die Wandlungsgesellschaft". Mehr Wandel geht nicht. So gesehen, ist das Buch die ultimative Zeitdiagnose.
Die Neigung, überall Wandel zu sehen, bleibt aber auch nicht ohne Konsequenzen für das soziologische Bild, das Beck von der Globalisierung entwirft. Denn sie paart sich mit einer Präferenz für einen Typus soziologischer Theoriebildung, der "die Moderne" an theoretisch gesetzten Strukturmerkmalen - hier: Nebenfolgen der Modernisierung, Reflexion globaler Risiken - festmacht und alles, was nicht in dieses Bild passt - hier insbesondere den gegenwärtig zunehmenden Nationalismus -, als "gegenmoderne" Phänomene klassifiziert. Normatives Wunschdenken geht dabei bisweilen unvermittelt in theoretische Annahmen über: Der Nationalstaat ist für die globalen Probleme zu klein, meint der politische Mensch, also befinden wir uns ab jetzt im kosmopolitischen Zeitalter, meint der Soziologe.
Im Kontrast zur zeitdiagnostischen Rhetorik bleibt Becks Theorie daher letztlich verblüffend konventionell und ganz im Rahmen einer Tradition, die sich seit dem neunzehnten Jahrhundert darin übt, Haupttrends der Modernisierung zu identifizieren und Phänomene wie den Nationalismus voreilig als Gegen- oder Nebentrends einzuordnen - und folglich chronisch zu unterschätzen. Um solchen Reflexen vorzubeugen, dürfte man nicht lediglich an westlichen Erfahrungen abgelesene Begriffe der Moderne auf Globalisierungsprozesse anwenden, sondern müsste diese Begriffe selbst im Licht historischer Globalisierungsforschung überdenken und modifizieren.
Darin scheint denn auch das eigentliche revolutionäre Potential der Globalisierungsforschung für die sozialwissenschaftliche Theorieentwicklung zu liegen: nicht in Gegenwartsdiagnosen, sondern im intensiven Dialog zwischen soziologischer Theorie und neuerer Globalgeschichtsschreibung.
TOBIAS WERRON
Ulrich Beck: "Die Metamorphose der Welt".
Aus dem Englischen von Frank Jakubzik. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 267 S., geb., 25,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Auch in seinem letzten, unvollendeten Buch erlebt Fritz Göttler den Soziologen Ulrich Beck mit der ihm eigenen Kombination aus analytischer Klarheit und Empathie. Der von seiner Frau Elisabeth Beck-Gernsheim fertig gestellte Band widmet sich der Metamorphose der Welt, die Beck für essentieller hält als einen bloßen Wandel. Zwangsglobalisierung und Kosmopolitisierung gehen einher mit Digitalem Wandel, Überwachung und Klimawandel, wobei alte Handlungskonzepte obsolet werden, kausales Denken und Erfahrung. Göttler sieht das aufziehende "Zeitalter der Nebenfolgen" spielerisch, anschaulich und in all seinen Paradoxien ausgemalt, beharrlich beobachtet, kraftvoll fomuliert, mitunter etwas redundant, aber nie pessimistisch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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» ... ein Buch, das analytische Klarheit und Empathie zusammenbringt.« Fritz Göttler Süddeutsche Zeitung 20170130