»Regime profitieren immer von den Geschichten, die nicht erzählt werden« Die Herausgeberinnen Natalie Amiri und Düzen Tekkal
15 Frauen im Iran und im Exil erzählen in diesem Buch ihre bewegenden Geschichten. Einige von ihnen haben Nachrichten aus Gefängnissen geschmuggelt. Sie sprechen über ein Leben ohne Rechte, aber mit Sittenwächtern, über patriarchale Strukturen und eine neue Generation von Männern, über Gewalt, Erniedrigung, Entmündigung und wirtschaftliche Not.
Ihre Botschaften sind erschütternd, zutiefst berührend und zugleich voller Mut und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Es sind Geschichten, die gehört und verbreitet werden müssen. Lassen Sie uns alle Schallverstärker sein!
15 Frauen im Iran und im Exil erzählen in diesem Buch ihre bewegenden Geschichten. Einige von ihnen haben Nachrichten aus Gefängnissen geschmuggelt. Sie sprechen über ein Leben ohne Rechte, aber mit Sittenwächtern, über patriarchale Strukturen und eine neue Generation von Männern, über Gewalt, Erniedrigung, Entmündigung und wirtschaftliche Not.
Ihre Botschaften sind erschütternd, zutiefst berührend und zugleich voller Mut und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Es sind Geschichten, die gehört und verbreitet werden müssen. Lassen Sie uns alle Schallverstärker sein!
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent René Wildangel bespricht drei Bücher über die Proteste der Frauen im Roman und findet alle äußerst lesenswert. Das Buch von Natalie Amiri und Düzen Tekkal lässt die iranischen Frauen in Gesprächsprotokollen selbst erzählen. Zu Wort kommt beispielsweise die Künstlerin Parastou Forouhar, berichtet der Rezensent, die jedes Jahr in den Iran fährt, um den politischen Widerstand zu unterstützen, seit ihre Eltern vom Regime ermordet wurden. Anonym berichten zwei junge Frauen von der alltäglichen Unterdrückung durch die Islamische Republik und ihrer Gegenwehr. Der Rezensent ist beeindruckt vom "grenzenlosen Mut" der Frauen und tief bewegt von ihren Geschichten, von den Anführerinnen des kürzlich gegründeten Protest-Bündnisses Masih Alinejad, Nazanin Boniadi und Shirin Ebadi hätte er sich allerdings ein genaueres Bild ihres politischen Vorhabens erhofft.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.2023Gewalterfahrungen gehören in diesem Land zum Alltag
Wenn Diplomatie und Dialog versagen: Natalie Amiri und Düzen Tekkal versammeln die Geschichten von fünfzehn Frauen aus Iran
Als Nazanin Boniadi zwölf Jahre alt war, flog sie mit ihren Eltern von Großbritannien nach Iran, um ihre Familie zu besuchen. Während des Aufenthalts war sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Onkel unterwegs, als Männer einer paramilitärischen Miliz sie anhielten und eine Heiratsurkunde verlangten - für die angenommene Ehe zwischen ihr und ihrem Onkel. Auf die Zurechtweisung von Boniadis Mutter drohten die Milizionäre, die Tochter einzusperren.
Ghazal Abdollahi wurde 2015 nahe ihrer Teheraner Universität verhaftet, weil ihr Hijab falsch gesessen haben soll. Sie sollte in einen Van einsteigen, musste ihren Ausweis abgeben. Sie wurde von der Universität verwiesen. Zurück blieben "Demütigung, Angst und Hass", schreibt sie. Auch Ani, die anonym bleiben möchte, wurde in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen, geschlagen und beschimpft. Masih Alinejad wünschte sich als Kind, ein Junge zu sein, um ihre Kleidung freier wählen zu können und ein Fahrrad zu fahren. Shohreh Bayat konnte nicht mehr in den Iran zurückkehren, weil ihr lockerer Hijab bei der Schachweltmeisterschaft 2020 in regierungsnahen Medien für einen Eklat gesorgt hatte.
Fünfzehn Geschichten iranischstämmiger Frauen haben Natalie Amiri und Düzen Tekkal in "Die mutigen Frauen Irans" zusammengetragen. Amiri ist deutsche Journalistin, Moderatorin und Autorin mit iranischen Wurzeln, Tekkal ist deutsche Menschenrechtsaktivistin und Journalistin kurdisch-jesidischer Abstammung. Sie haben ihre Protagonistinnen nach Jina Mahsa Aminis Tod zu ihren alltäglichen Erfahrungen als Frauen in Iran, zu den Protesten gegen das Regime und zu ihren Hoffnungen befragt. Ein Beitrag von der Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wurde aus dem Ewin-Gefängnis geschmuggelt, wo sie während des Schreibens inhaftiert war. Die Texte führen eindrücklich vor Augen, wie alltäglich Gewalterfahrungen für Frauen in Iran sind und warum Aminis Tod eine solch starke Resonanz in der Bevölkerung verursacht hat: "Dieser Tod betrifft uns alle; es kann jede:n von uns treffen", schreibt Ani.
Die Beiträge heben auch hervor, wie Korruption, Manipulation, Lüge und Gewalt "Wunden" in der Gesellschaft hinterlassen und wie das Mullah-Regime die Beziehungen zwischen Menschen durch Misstrauen "vergiftet". Mit den Aufständen nach Aminis Tod habe sich das geändert. "Wir waren alle gegeneinander. . . . Doch mit Beginn der Revolution öffneten sich unsere Herzen, und das Vertrauen, die Liebe kamen zu uns zurück", so Abdollahi. Die Iranerinnen und Iraner finden nicht trotz Unterdrückung und Gewalt den Mut, weiter auf die Straßen zu gehen, sondern gerade deswegen.
Die Frauen sind sich einig, dass die Proteste Teil eines langen Prozesses des Widerstands, einer Revolution gegen die religiöse Herrschaft der Mullahs sind. In der Vergangenheit habe die Bevölkerung es mit friedlichen Mitteln versucht und auf Reformen gehofft. Aber: "Diplomatie und Dialog versagen, wenn man es mit Menschen zu tun hat, die das Erhängen eines unschuldigen Kindes vor sich selbst ohne ein Anzeichen von Reue legitimieren können", schreibt Jasmin Shakeri. Deshalb akzeptierten alle, die für einen gewaltlosen Widerstand eintreten, das andauernde Leid der Iranerinnen und Iraner, meint Nasrin Sotoudeh.
Inwiefern sich unterschiedliche Widerstandsformen unterschiedlich rechtfertigen lassen, bleibt ausgeklammert, aber abstrakte Abhandlungen wären im Rahmen dieses Formats ohnehin überambitioniert. Das Ziel jedenfalls ist allen Autorinnen klar: Demokratie, Freiheit, Gleichberechtigung. Daran, dass das durch eine Revolution verwirklicht werden kann, obwohl die letzte Revolution in Iran das heutige Regime hervorgebracht hat, zweifelt keine von ihnen.
Die Beiträge beleuchten eine große Bandbreite von Perspektiven. So stammen die Texte von Aktivistinnen in Iran und Frauen im Exil. Sie stammen von bekannten Persönlichkeiten der iranischen Frauenbewegung wie der Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, Schauspielerinnen und Sängerinnen wie Rita Jahanforuz und Nazanin Boniadi, der Grünenpolitikerin und Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, aber auch von Ani und Leily, die anonym bleiben wollen und sich wohl zum ersten Mal Protesten angeschlossen haben. Die Frauen stammen teils aus einem liberalen, aktivistischen Umfeld, Parastou Forouhars Eltern etwa wurden Opfer politischer Morde. Der Widerstand anderer begann bei den traditionellen Vorstellungen der eigenen Familien.
Immer wieder werden Risse in der iranischen Gesellschaft und in der Widerstandsbewegung aufgezeigt. So kommen mit Shila Behjat, Fariuba Balouch, Rita Jahanforuz und Ani die ethnischen oder religiösen Minderheiten der Baha'i, Belutschen, Juden und Kurden zu Wort. Ani erklärt: "Ich habe eigentlich einen kurdischen Namen, habe dann aber als Studentin einen anderen gewählt, weil ich selbst von normalen Leuten beschimpft wurde." Deswegen sei es wichtig, dass Jina Mahsa Amini "Jina" hieß. Dass sie sich auch "Mahsa" nannte, sei Ausdruck einer rassistischen Gesellschaft.
Unklar lassen die Herausgeberinnen dagegen, wie stark sie in die Texte eingegriffen haben. Aus den Vorworten geht hervor, dass sie die Frauen für das Buch interviewt haben, die Beiträge sind jedoch als Fließtexte ohne Fragen und in Ich-Form verfasst. Es ist wohl das Fehlen der Interviewfragen, das an einigen Stellen zu holprigen Übergängen führt. Wichtiger als für den Stil wären die Fragestellungen aber, damit die Leser nachvollziehen können, was die Frauen erzählen, weil sie explizit danach gefragt wurden, und wo sie ihre eigenen Akzente setzen. In einem Buch, das ihre Geschichten erzählen soll, wäre das wichtig gewesen. SARA WAGENER
Natalie Amiri und Düzen Tekkal: "Die mutigen Frauen Irans". Wir haben keine Angst!
Elisabeth Sandmann Verlag, München 2023. 144 S., geb. 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn Diplomatie und Dialog versagen: Natalie Amiri und Düzen Tekkal versammeln die Geschichten von fünfzehn Frauen aus Iran
Als Nazanin Boniadi zwölf Jahre alt war, flog sie mit ihren Eltern von Großbritannien nach Iran, um ihre Familie zu besuchen. Während des Aufenthalts war sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Onkel unterwegs, als Männer einer paramilitärischen Miliz sie anhielten und eine Heiratsurkunde verlangten - für die angenommene Ehe zwischen ihr und ihrem Onkel. Auf die Zurechtweisung von Boniadis Mutter drohten die Milizionäre, die Tochter einzusperren.
Ghazal Abdollahi wurde 2015 nahe ihrer Teheraner Universität verhaftet, weil ihr Hijab falsch gesessen haben soll. Sie sollte in einen Van einsteigen, musste ihren Ausweis abgeben. Sie wurde von der Universität verwiesen. Zurück blieben "Demütigung, Angst und Hass", schreibt sie. Auch Ani, die anonym bleiben möchte, wurde in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen, geschlagen und beschimpft. Masih Alinejad wünschte sich als Kind, ein Junge zu sein, um ihre Kleidung freier wählen zu können und ein Fahrrad zu fahren. Shohreh Bayat konnte nicht mehr in den Iran zurückkehren, weil ihr lockerer Hijab bei der Schachweltmeisterschaft 2020 in regierungsnahen Medien für einen Eklat gesorgt hatte.
Fünfzehn Geschichten iranischstämmiger Frauen haben Natalie Amiri und Düzen Tekkal in "Die mutigen Frauen Irans" zusammengetragen. Amiri ist deutsche Journalistin, Moderatorin und Autorin mit iranischen Wurzeln, Tekkal ist deutsche Menschenrechtsaktivistin und Journalistin kurdisch-jesidischer Abstammung. Sie haben ihre Protagonistinnen nach Jina Mahsa Aminis Tod zu ihren alltäglichen Erfahrungen als Frauen in Iran, zu den Protesten gegen das Regime und zu ihren Hoffnungen befragt. Ein Beitrag von der Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wurde aus dem Ewin-Gefängnis geschmuggelt, wo sie während des Schreibens inhaftiert war. Die Texte führen eindrücklich vor Augen, wie alltäglich Gewalterfahrungen für Frauen in Iran sind und warum Aminis Tod eine solch starke Resonanz in der Bevölkerung verursacht hat: "Dieser Tod betrifft uns alle; es kann jede:n von uns treffen", schreibt Ani.
Die Beiträge heben auch hervor, wie Korruption, Manipulation, Lüge und Gewalt "Wunden" in der Gesellschaft hinterlassen und wie das Mullah-Regime die Beziehungen zwischen Menschen durch Misstrauen "vergiftet". Mit den Aufständen nach Aminis Tod habe sich das geändert. "Wir waren alle gegeneinander. . . . Doch mit Beginn der Revolution öffneten sich unsere Herzen, und das Vertrauen, die Liebe kamen zu uns zurück", so Abdollahi. Die Iranerinnen und Iraner finden nicht trotz Unterdrückung und Gewalt den Mut, weiter auf die Straßen zu gehen, sondern gerade deswegen.
Die Frauen sind sich einig, dass die Proteste Teil eines langen Prozesses des Widerstands, einer Revolution gegen die religiöse Herrschaft der Mullahs sind. In der Vergangenheit habe die Bevölkerung es mit friedlichen Mitteln versucht und auf Reformen gehofft. Aber: "Diplomatie und Dialog versagen, wenn man es mit Menschen zu tun hat, die das Erhängen eines unschuldigen Kindes vor sich selbst ohne ein Anzeichen von Reue legitimieren können", schreibt Jasmin Shakeri. Deshalb akzeptierten alle, die für einen gewaltlosen Widerstand eintreten, das andauernde Leid der Iranerinnen und Iraner, meint Nasrin Sotoudeh.
Inwiefern sich unterschiedliche Widerstandsformen unterschiedlich rechtfertigen lassen, bleibt ausgeklammert, aber abstrakte Abhandlungen wären im Rahmen dieses Formats ohnehin überambitioniert. Das Ziel jedenfalls ist allen Autorinnen klar: Demokratie, Freiheit, Gleichberechtigung. Daran, dass das durch eine Revolution verwirklicht werden kann, obwohl die letzte Revolution in Iran das heutige Regime hervorgebracht hat, zweifelt keine von ihnen.
Die Beiträge beleuchten eine große Bandbreite von Perspektiven. So stammen die Texte von Aktivistinnen in Iran und Frauen im Exil. Sie stammen von bekannten Persönlichkeiten der iranischen Frauenbewegung wie der Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, Schauspielerinnen und Sängerinnen wie Rita Jahanforuz und Nazanin Boniadi, der Grünenpolitikerin und Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, aber auch von Ani und Leily, die anonym bleiben wollen und sich wohl zum ersten Mal Protesten angeschlossen haben. Die Frauen stammen teils aus einem liberalen, aktivistischen Umfeld, Parastou Forouhars Eltern etwa wurden Opfer politischer Morde. Der Widerstand anderer begann bei den traditionellen Vorstellungen der eigenen Familien.
Immer wieder werden Risse in der iranischen Gesellschaft und in der Widerstandsbewegung aufgezeigt. So kommen mit Shila Behjat, Fariuba Balouch, Rita Jahanforuz und Ani die ethnischen oder religiösen Minderheiten der Baha'i, Belutschen, Juden und Kurden zu Wort. Ani erklärt: "Ich habe eigentlich einen kurdischen Namen, habe dann aber als Studentin einen anderen gewählt, weil ich selbst von normalen Leuten beschimpft wurde." Deswegen sei es wichtig, dass Jina Mahsa Amini "Jina" hieß. Dass sie sich auch "Mahsa" nannte, sei Ausdruck einer rassistischen Gesellschaft.
Unklar lassen die Herausgeberinnen dagegen, wie stark sie in die Texte eingegriffen haben. Aus den Vorworten geht hervor, dass sie die Frauen für das Buch interviewt haben, die Beiträge sind jedoch als Fließtexte ohne Fragen und in Ich-Form verfasst. Es ist wohl das Fehlen der Interviewfragen, das an einigen Stellen zu holprigen Übergängen führt. Wichtiger als für den Stil wären die Fragestellungen aber, damit die Leser nachvollziehen können, was die Frauen erzählen, weil sie explizit danach gefragt wurden, und wo sie ihre eigenen Akzente setzen. In einem Buch, das ihre Geschichten erzählen soll, wäre das wichtig gewesen. SARA WAGENER
Natalie Amiri und Düzen Tekkal: "Die mutigen Frauen Irans". Wir haben keine Angst!
Elisabeth Sandmann Verlag, München 2023. 144 S., geb. 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Den wehrhaften Iranerinnen wird ein Denkmal gesetzt. Zu Recht.« Christian Böhme tagesspiegel.de 20230706