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  • Format: ePub

Manche Menschen sagen, man würde rührselig werden, wenn das eigene Ende naht. Scheint zu stimmen, denn unaufhörlich laufen mir die Tränen über das Gesicht, als ich an damals denke, was ich schon lange nicht mehr getan habe. Jetzt im Spätsommer 1902. All das Unglück hat mich krank und alt gemacht. Älter als ich mit sechsundsechzig sein sollte. Louise, Stephanie, ich selber - keine unserer Ehen konnte man glücklich nennen. Nicht einmal ansatzweise. Vor allem meine nicht! Völlig isoliert lebe ich, seit drei Jahren schwer an Herz und Lunge krank, nur noch in meinen Gemächern. Ich habe weder zu…mehr

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  • Größe: 1.39MB
Produktbeschreibung
Manche Menschen sagen, man würde rührselig werden, wenn das eigene Ende naht. Scheint zu stimmen, denn unaufhörlich laufen mir die Tränen über das Gesicht, als ich an damals denke, was ich schon lange nicht mehr getan habe. Jetzt im Spätsommer 1902. All das Unglück hat mich krank und alt gemacht. Älter als ich mit sechsundsechzig sein sollte. Louise, Stephanie, ich selber - keine unserer Ehen konnte man glücklich nennen. Nicht einmal ansatzweise. Vor allem meine nicht! Völlig isoliert lebe ich, seit drei Jahren schwer an Herz und Lunge krank, nur noch in meinen Gemächern. Ich habe weder zu meinen Töchtern Kontakt noch zu meinem Gatten. Wenn ich sterbe, wird Leopold es garantiert verhindern, dass meine Töchter mir in meinen letzten Stunden Beistand leisten und meiner Beisetzung beiwohnen. Weinen und an früher denken. Überrascht darüber, überhaupt noch etwas fühlen zu können, wische ich mir die Tränen aus den Augen. Es war ein sonniger Tag gewesen, an dem ich vor vielen Jahren meine Freiheit verloren hatte und es war ein sonniger Tag gewesen, an dem ich Stephanie in ihr Verderben schickte. Ohne jedes Gefühl, denn Gefühle gab es bei mir eigentlich schon lange nicht mehr. Irritiert blinzele ich mir jetzt die Tränen aus den Augen. Wie damals scheint auch heute die Sonne. Das ist doch wirklich merkwürdig. Ein besonders sonniges Gemüt besitze ich nämlich schon lange nicht mehr. Das lebhafte Mädchen, das ich einst gewesen war, die musikversessene Pferdenärrin, war schon ewig tot. An seine Stelle war eine Frau getreten, die keinerlei Skrupel mehr besaß. Eine Frau, die ihrem Gatten in Boshaftigkeit und Sadismus in nichts nachstand. In gar nichts! In rein gar nichts! Man kann sagen, dass Leopold II., König der Belgier, seine Familie sukzessive zerstört hatte. Und, dass ich, Henriette von Österreich, aus dem ungarischen Zweig des Hauses Habsburg-Lothringen, der auf Erzherzog Joseph, den siebten Sohn von Kaiser Leopold II., meinen Vater, zurückgeht, ihn dabei tatkräftig unterstützt habe. Ich war das gleiche Monster wie er. Im Gegensatz zu ihm wusste ich es allerdings. Ich wusste es, aber es war mir gleichgültig. Eigentlich ist es Stephanies Geschichte, die erzählt werden soll. Die Geschichte meiner Tochter, die man in Österreich als Stephanie von Belgien kennt. Aber es ist auch meine Geschichte, die ich hier erzählen will. Die Geschichte einer Frau im neunzehnten Jahrhundert. Die ich jetzt endlich erzählen muss, um meinen Seelenfrieden zu finden. Seitdem Anna Plochl gestorben ist, habe ich keine einzige Freundin mehr auf dieser Welt. Nur dieses verdammte Tagebuch! Einsam fühle ich mich. Ich bin die Mutter der Frau, die Kaiserin von Österreich werden sollte. Ich bin die Mutter der Kronprinzessin. Mein Name ist Marie-Henriette Anne von Österreich. Gerufen wurde ich Henriette. Oder Jetta, aber daran will ich jetzt wirklich nicht denken, es tut viel zu weh. Am dreiundzwanzigsten August 1836 kam ich im heutigen Budapest zur Welt.

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Autorenporträt
Die Autorin studierte Germanistik und Geschichte. Nach ihrem Debutroman "Ich wollte nie Kaiserin werden" über Eliabeth von Österreich ist "die Mutter der Kronprinzessin" der erste Teil einer Trilogie über Stephanie von Belgien, der Schwiegertochter der legendären Kaiserin Sisi.