Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Weltgeschichte - Frühgeschichte, Antike, Note: 1,7, Universität Regensburg (Philosophische Fakultät (Geschichte)), Veranstaltung: Der Prinzipat des Augustus, Sprache: Deutsch, Abstract: I. Einleitung Bei einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Charaktereigenschaften des Tiberius, seinem Wirken als zweiter Prinzeps und Nachfolger des Augustus und nicht zuletzt mit der Art und Weise, wie er von seinem Stiefvater als Nachfolger bestimmt und verstanden wurde, ist nicht zu übersehen, dass sich das Tibe- rius-Bild in der Wissenschaft in den letzten hundert Jahren gewandelt hat. Die Zeiten der Schwarz-Weiß-Malerei, was seine politische Rolle und seine Psyche anbelangt, sind längst vorüber. Tiberius wurde, dies sei angemerkt, zumeist als heuchlerischer und böswilliger Despot hingestellt1, Hermann Schiller und Theodor Mommsen hingegen kommen zu einer äußerst positiven Beurteilung seiner Person2. Die neuere Forschungsliteratur, an dieser Stelle sei insbesondere auf Ernst Kornemanns Tiberius-Biographie und eine weitere Biographie des israelischen Historikers Zvi Yavetz hingewiesen, differenziert auf der einen Seite zwischen dem Bild des Tiberius als Opfer einer augusteischen Nachfolgepolitik, die ihn unwillkürlich als Notlösung aus Gründen der Staatsraison verstand, einem zutiefst gespaltenen Charakter und seinen unzweifelhaft vorhandenen Talenten im Bereich der Diplomatie, der militärischen Führung und der Administration. In der vorliegenden Arbeit will ich versuchen, Fragen zum jahrelangen Ausschauhalten des Augustus nach einem geeigneten Nachfolger, zur Art und Weise, wie diese Nachfolgepolitik in Bezug auf Zwangsvermählungen und -adoptionen betrieben wurde, und nicht zuletzt zum widerspenstigen, bisweilen grotesk anmutenden tiberischen Charakters aufzuwerfen, und diese anhand von Quellen und Sekundärliteratur zu beantworten. Mein Hauptaugenmerk gilt dabei ebenso dem Verhältnis des Tiberius zu seinen Anverwandten und zu Augustus selber, auch sollen seine charakterlichen Merkmale, die in der modernen Forschung immer mehr Bedeutung finden, zur Sprache kommen. Weniger im Mittelpunkt soll dabei die eigentliche Regierungszeit stehen, geprägt von der Affäre um den Prätorianerpräfekten Seian, der durch Intrigen zum zweiten Mann im Staat aufstieg, sowie durch Majestätsprozesse und die Nesiarchie des Regenten von Capri aus. Zur Quellenlage, auf die ich im Laufe der Arbeit in einem eigenen Kapitel noch näher eingehen werde, ist zu sagen, dass Leben und Eigenheiten des Tiberius insbesondere in den Kaiserbiographien des Sueton und in den Annalen des Tacitus beschrieben werden...