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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Alles hätte so schön sein können, doch dann kam die Moderne: Hans Traxler erzählt acht Episoden aus dem Leben mit Kunst und ungewollten Künstlern.
Wer Hans Traxler kennt - und wer kennte ihn nicht, den Nestor (92 Jahre!) der Neuen Frankfurter Schule, Mitbegründer der Satirezeitschrift "Titanic", Schöpfer der Leuchtgans Paula oder von Franz, dem Jungen, der ein Murmeltier sein wollte, Illustrator von Mark Twain, Eichendorff, Tucholsky oder Peter Härtling (um nur wenige zu nennen) und Autor hinreißender Kindheitserinnerungen unter dem Titel "Mama, warum bin ich kein Huhn?" -, der weiß um Traxlers Abscheu vor Dilettantismus. Kein Wunder bei einem, dem derart viel meisterlich von der Hand geht.
Das ist auch bei seinem jüngsten Buch so. Wobei sich der Zeichner Traxler hier auf acht ganzseitige, im wörtlichen Sinne federleichte Illustrationen und eine Titelvignette beschränkt. Aber umso ausgiebiger kommt der Autor Traxler zum Zuge, mit acht "Kunstgeschichten", und diese Gattungsbezeichnung darf man doppelt verstehen: als Geschichten über Kunst und als überaus kunstreiche Geschichten. Traxler hat als Erzähler einen Heidenspaß, den man ihm gerade dann anmerkt, wenn er darin seinen Götterzorn aufblitzen lässt. "Befreien wir die Malerei von der Diktatur der Inhalte!", wettert da eine Sankt Petersburger Kunststudentin im Jahr 1913. "Nieder mit der Figurenmalerei! Schluss mit der Sklaverei der Maltechnik und der Farbenlehre! Erlösen wir die Kunst von der Folter der Perspektive, der Anatomie, des Faltenwurfs und der Lichtregie!" Weg also mit allem, was Traxler selbst liebt und praktiziert? Nein, die Dame scheitert mit ihrer Revolution, doch ein skrupelloser Kommilitone "borgt" sich ihre Idee. Und so ist der Titel des Buchs zustande gekommen: "Die Nacht, in der Kasimir Malewitsch das Schwarze Quadrat klaute".
Jede der acht Geschichten gilt einem Künstler: sechs realen und zwei ausgedachten, alle Repräsentanten der Moderne. Ihr kunstgeschichtlicher Rang ist unterschiedlich: Malewitsch, Mondrian, Niki de Saint-Phalle und Beuys sind Stars, Josef Thorak ist als Hitlers Lieblingsbildhauer diskreditiert, und Adolf Hitler selbst wäre zwar besser Postkartenmaler geblieben, aber nicht aus ästhetischen Gründen. Immerhin betreibt Traxler in seiner Erzählung "Wien 1907" alternative Geschichtsschreibung, weshalb die Pläne Hitlers sich darin auf die Eroberung von Bühnenraum im Osten beschränken. Und in der Thorak-Geschichte wird der Diktator mitten im Zweiten Weltkrieg vom abbrechenden Arm einer Skulptur erschlagen, allerdings ohne dass es Folgen für die Weltgeschichte gehabt hätte. Warum nicht, das liest man besser selbst nach.
Es sind kleine Bezauberstücke, die Traxler aus dem Ärmel schüttelt, manche boshaft, manche wundersam, und der kürzeste Satz des Buchs ist bezeichnend für seinen Umgang mit dem Phantastischen: "Feen können das", heißt es da, als ein solches Wesen gerade dem neugeborenen Piet Mondrian sein Talent angehext hat. Wobei das in Traxlers Augen eher ein Fluch war. Wie auch die Erfolgs-Geschichte "35 000 Mäuse" als Farce den Kunsthandelsbetrieb aufs Korn nimmt, aber zugleich das todtraurige Porträt eines Vereinsamten zeichnet, dessen sinn- und qualitätfreies serielles Schaffen postum zur Sensation wird. Für diesen Pius Melzel gibt es kein direktes Vorbild, aber es stecken etliche indirekte darin. Während in der letzten Geschichte, "Ein schöner Tod", das Vorbild für den eigensinnigen Schriftsteller Ortwin Doblauer allen deutlich sein dürfte, die nicht nur Hans Traxler, sondern auch dessen Weggefährten kennen. Und wer kennte sie nicht? Und erkennte deshalb auch nicht den Mann, der selbst für seinen Debütroman ein Pseudonym verwendet hat? Wenn auch nicht Ortwin Doblauer. ANDREAS PLATTHAUS.
Hans Traxler: "Die Nacht, in der Kasimir Malewitsch das Schwarze Quadrat klaute . . .". Acht Kunstgeschichten. Kunstmann Verlag, München 2022. 126 S., 9 Abb., geb., 20,- Euro.
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