Der Direktor des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie Bill Hansson erzählt Geschichten aus der Welt der Gerüche: von feinen Hundenasen, die beim Spaziergang die Nachrichten des letzten Tages erschnüffeln, über Pflanzen, die Alarmnoten aussenden, wenn sie von Schädlingen befallen werden, bis hin zum Duft von Neugeborenen, der unterschiedliche Reaktionen bei Männern und Frauen hervorruft. Hansson nimmt uns mit auf eine Reise in die Labore, in denen Geruchsforscherinnen und -forscher dem Rätsel der menschlichen Sexualpheromone nachgehen, auf Expedition zur Weihnachtsinsel, wo Riesenkrabben vom Geruch von Kokosnüssen angelockt werden, bis in die Tiefe der Meere, wo Anglerfischer sich in kompletter Dunkelheit allein anhand ihres Geruchssinns orientieren. Er reist weit in die Vergangenheit und erklärt, warum nicht nur unsere ungewaschenen Vorfahren, sondern auch unsere Umwelt einst komplett anders gerochen haben - und was CO2-Emissionen und das Ozonloch damit zu tun haben. Er zeigt auf, wie die Geruchstechnologie schon heute unseren Alltag beeinflusst, ob mit dem Markenduft der Bäckereifiliale oder dem CO2-Messgerät, das uns vor Corona-Ansteckungen schützen soll. Und er liefert Ausblicke in die Zukunft der Geruchsforschung, die zum Beispiel an Möglichkeiten arbeitet, Geruchseindrücke über weite Distanzen zu vermitteln. Eine Reise zu den der buntesten Nasen aus Tier-, Pflanzen- und Menschenwelt und eine Einladung in die verblüffende Welt der Geruchsforschung
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Rezensentin Nicola von Lutterotti schlendert durch die Duftlandschaften, die der chemische Ökologe Bill Hansson in seinem Buch ausbreitet. Der durch verrottenden Plastikmüll getäuschte Albatros und der Geruch von Säuglingen steigt der Rezensentin beim Lesen direkt in die Nase, so anschaulich schildert der Autor die Bedeutung des Geruchssinns, seine Entwicklung und seine Gefährdung durch die Umweltverschmutzung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Nicola von Lutterotti schlendert durch die Duftlandschaften, die der chemische Ökologe Bill Hansson in seinem Buch ausbreitet. Der durch verrottenden Plastikmüll getäuschte Albatros und der Geruch von Säuglingen steigt der Rezensentin beim Lesen direkt in die Nase, so anschaulich schildert der Autor die Bedeutung des Geruchssinns, seine Entwicklung und seine Gefährdung durch die Umweltverschmutzung.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2021Dieses süße Aroma von Plastikmüll
Was die Nase so leisten kann: Bill Hansson unternimmt einen Streifzug durch die Welt der Düfte und erklärt, warum der Geruchssinn häufig unterschätzt wird.
Viele, wenn nicht die meisten Menschen messen dem Geruchssinn weitaus weniger Bedeutung bei als dem Sehen und Hören. Die derzeitige Pandemie könnte indes einige zum Umdenken bewogen haben. Das gilt zumindest für all jene, denen das neue Coronavirus zeitweilig das Riechvermögen geraubt hat. Ein Ausfall des Geruchssinns schränkt die Lebensqualität nämlich nachhaltig ein, ja er kann mitunter in eine Depression münden.
Als besonders belastend empfinden es die Betroffenen, dass alles gleichermaßen fade schmeckt, ob Ravioli aus der Dose oder lukullische Köstlichkeiten. Was vielen erst dann bewusst wird: Um die unterschiedlichen Geschmacksnoten eines Lebensmittels zu erkennen, ist ein intaktes Riechorgan unerlässlich. Denn die meisten Gaumenfreuden haben ihren Ursprung in der Nase. Die Zunge spielt diesbezüglich eine untergeordnete Rolle. Sie kann lediglich fünf rudimentäre Geschmäcker wahrnehmen, darunter süß, salzig, sauer, bitter und würzig (umami).
Gerüche bestimmen indes nicht nur die Lust am Essen, sondern beeinflussen auch etliche weitere Bereiche des täglichen Lebens. Wie sie unser Verhalten und jenes anderer Lebewesen lenken, hat Bill Hansson, Direktor des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie, in dem kürzlich erschienenen Buch "Die Nase vorn" umfassend, aber nie langatmig, zusammengetragen. Mit anschaulichen Beispielen erläutert der Neuroethologe und Geruchsforscher in auch für Laien verständlicher Weise, weshalb der Geruchssinn in unserer Wahrnehmung zu Unrecht ein Mauerblümchendasein fristet.
So beschreibt er etwa, wie manche Pflanzen den eigenen Geruch mit anderen Duftnoten übertünchen, um hungrige Insekten von sich abzulenken und benachbarte Artgenossen vor dem drohenden Angriff zu warnen. Aufschlussreich sind zudem die Passagen über den teils windungsreichen Erkenntnisweg der Forschung. So wurde Vögeln lange Zeit ein Geruchssinn abgesprochen, weil der Versuch, bestimmte Geier zu einem nicht sichtbaren Tierkadaver zu locken, gescheitert war. Später kam heraus, dass die Vögel das versteckte Aas aufgrund seines zu starken Verwesungsgeruchs links liegen gelassen hatten. Denn sie bevorzugen Tiere, die erst kürzlich gestorben sind.
Auch die menschliche Nase leistet mehr, als ihr gemeinhin zugetraut wird. So zeigen Untersuchungen des Autors, dass Säuglinge einen Geruch ausströmen, den Erwachsene mit verbundenen Augen von jenem älterer Kinder zu unterscheiden vermögen. Besonders überraschend: Väter schnitten dabei besser ab als Mütter und kinderlose Frauen. Das könnte Hansson zufolge daran liegen, dass die Versuchspersonen den Säuglingsduft als beruhigend und süß wahrnahmen. Um das Phänomen näher zu erläutern, geht der Autor Zehntausende Jahre zurück, denn womöglich legten die "aggressiven, männlichen Jäger bei ihrer Rückkehr in die Höhle wegen des wunderbaren Geruchs eine größere Nachsicht mit den lärmenden kleinen Säuglingen an den Tag".
Hansson belässt es gleichwohl nicht dabei, seinen Lesern die faszinierende Welt der Gerüche nahezubringen. Er hält ihnen zugleich vor Augen, wie der Mensch diese nach und nach zerstört. So beeinträchtigt die zunehmende Vermüllung der Umwelt unter anderem die Fähigkeit von Pflanzen und Tieren, sich im Reich der Düfte zu orientieren und geeignete Partner zu finden, sich vor Fressfeinden zu schützen und ihren Hunger zu stillen. Um ein Beispiel zu nennen: Der Plastikmüll in den Ozeanen setzt beim Verrotten den flüchtigen Stoff Dimethylsulfid frei, dessen Geruch Albatrosse und andere Meeresbewohner anlockt. Denn das gleiche Gas scheiden Krillkrebse bei der Verdauung von Phytoplankton aus. Daher landet das Plastik in den Mägen der getäuschten Vögel - mit teils fatalen Folgen.
Ein Fanal für diese Entwicklung ist das immer rasantere Artensterben. Ob es den noch verbliebenen Lebewesen gelingt, sich an die versehrte Umwelt und deren veränderte Gerüche anzupassen, wird sich weisen. Die Ausführungen des Autors lassen zugleich wenig Zweifel daran, dass sich die Duftlandschaften der Erde in Zukunft grundlegend wandeln werden. NICOLA VON LUTTEROTTI
Bill Hansson: "Die Nase vorn". Eine Reise in die Welt des Geruchssinns.
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021. 400 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was die Nase so leisten kann: Bill Hansson unternimmt einen Streifzug durch die Welt der Düfte und erklärt, warum der Geruchssinn häufig unterschätzt wird.
Viele, wenn nicht die meisten Menschen messen dem Geruchssinn weitaus weniger Bedeutung bei als dem Sehen und Hören. Die derzeitige Pandemie könnte indes einige zum Umdenken bewogen haben. Das gilt zumindest für all jene, denen das neue Coronavirus zeitweilig das Riechvermögen geraubt hat. Ein Ausfall des Geruchssinns schränkt die Lebensqualität nämlich nachhaltig ein, ja er kann mitunter in eine Depression münden.
Als besonders belastend empfinden es die Betroffenen, dass alles gleichermaßen fade schmeckt, ob Ravioli aus der Dose oder lukullische Köstlichkeiten. Was vielen erst dann bewusst wird: Um die unterschiedlichen Geschmacksnoten eines Lebensmittels zu erkennen, ist ein intaktes Riechorgan unerlässlich. Denn die meisten Gaumenfreuden haben ihren Ursprung in der Nase. Die Zunge spielt diesbezüglich eine untergeordnete Rolle. Sie kann lediglich fünf rudimentäre Geschmäcker wahrnehmen, darunter süß, salzig, sauer, bitter und würzig (umami).
Gerüche bestimmen indes nicht nur die Lust am Essen, sondern beeinflussen auch etliche weitere Bereiche des täglichen Lebens. Wie sie unser Verhalten und jenes anderer Lebewesen lenken, hat Bill Hansson, Direktor des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie, in dem kürzlich erschienenen Buch "Die Nase vorn" umfassend, aber nie langatmig, zusammengetragen. Mit anschaulichen Beispielen erläutert der Neuroethologe und Geruchsforscher in auch für Laien verständlicher Weise, weshalb der Geruchssinn in unserer Wahrnehmung zu Unrecht ein Mauerblümchendasein fristet.
So beschreibt er etwa, wie manche Pflanzen den eigenen Geruch mit anderen Duftnoten übertünchen, um hungrige Insekten von sich abzulenken und benachbarte Artgenossen vor dem drohenden Angriff zu warnen. Aufschlussreich sind zudem die Passagen über den teils windungsreichen Erkenntnisweg der Forschung. So wurde Vögeln lange Zeit ein Geruchssinn abgesprochen, weil der Versuch, bestimmte Geier zu einem nicht sichtbaren Tierkadaver zu locken, gescheitert war. Später kam heraus, dass die Vögel das versteckte Aas aufgrund seines zu starken Verwesungsgeruchs links liegen gelassen hatten. Denn sie bevorzugen Tiere, die erst kürzlich gestorben sind.
Auch die menschliche Nase leistet mehr, als ihr gemeinhin zugetraut wird. So zeigen Untersuchungen des Autors, dass Säuglinge einen Geruch ausströmen, den Erwachsene mit verbundenen Augen von jenem älterer Kinder zu unterscheiden vermögen. Besonders überraschend: Väter schnitten dabei besser ab als Mütter und kinderlose Frauen. Das könnte Hansson zufolge daran liegen, dass die Versuchspersonen den Säuglingsduft als beruhigend und süß wahrnahmen. Um das Phänomen näher zu erläutern, geht der Autor Zehntausende Jahre zurück, denn womöglich legten die "aggressiven, männlichen Jäger bei ihrer Rückkehr in die Höhle wegen des wunderbaren Geruchs eine größere Nachsicht mit den lärmenden kleinen Säuglingen an den Tag".
Hansson belässt es gleichwohl nicht dabei, seinen Lesern die faszinierende Welt der Gerüche nahezubringen. Er hält ihnen zugleich vor Augen, wie der Mensch diese nach und nach zerstört. So beeinträchtigt die zunehmende Vermüllung der Umwelt unter anderem die Fähigkeit von Pflanzen und Tieren, sich im Reich der Düfte zu orientieren und geeignete Partner zu finden, sich vor Fressfeinden zu schützen und ihren Hunger zu stillen. Um ein Beispiel zu nennen: Der Plastikmüll in den Ozeanen setzt beim Verrotten den flüchtigen Stoff Dimethylsulfid frei, dessen Geruch Albatrosse und andere Meeresbewohner anlockt. Denn das gleiche Gas scheiden Krillkrebse bei der Verdauung von Phytoplankton aus. Daher landet das Plastik in den Mägen der getäuschten Vögel - mit teils fatalen Folgen.
Ein Fanal für diese Entwicklung ist das immer rasantere Artensterben. Ob es den noch verbliebenen Lebewesen gelingt, sich an die versehrte Umwelt und deren veränderte Gerüche anzupassen, wird sich weisen. Die Ausführungen des Autors lassen zugleich wenig Zweifel daran, dass sich die Duftlandschaften der Erde in Zukunft grundlegend wandeln werden. NICOLA VON LUTTEROTTI
Bill Hansson: "Die Nase vorn". Eine Reise in die Welt des Geruchssinns.
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021. 400 S., geb., 24,- Euro.
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Ein unterhaltsames und lehrreiches Buch mit viel Party-Talk-Potenzial. Edith Luschmann natur 20220720