Wie Tiere und Pflanzen auf den Klimawandel reagieren Seit Jahrzehnten steigende Temperaturen sind eine unabweisbare Tatsache. Weltweit haben sich Tausende von Tier- und Pflanzenarten in Bewegung gesetzt, sind bereits viele Kilometer weit polwärts, bergauf oder in tieferes Wasser gewandert. Das Klimasystem ist sehr träge, und es birgt Tücken und Kipp-Punkte. Zwei trockene Jahre haben genügt, um den deutschen Wald schwer zu schädigen. Was passiert, sollten weitere folgen? Und welche Konsequenzen wird es haben, wenn natürliche Zyklen kollabieren? Um die für große Teile der Menschheit schon jetzt existenzbedrohenden Folgen des Klimawandels zu begrenzen und uns auf die neuen Gegebenheiten vorzubereiten, müssen wir wissen, wie Tiere und Pflanzen auf die klimatischen Veränderungen reagieren. »Ein Aufruf zum Handeln. Er sollte nicht ungehört verklingen.« SWR 2 Lesenswert »Bernhard Kegel beschreibt in einfachen und eindringlichen Worten ein äußerst differenziertes Bild der Natur als ökologisches Netzwerk, das durch den Klimawandel unter Druck gerät.« DEUTSCHLANKFUNK KULTUR
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensentin Claudia Mäder lernt viel vom Biologen Bernhard Kegel, der in seinem Buch "Die Natur der Zukunft" darstellt, wie die Natur auf den Klimawandel reagiert. Tiere und Pflanzen, erfährt Mäder, haben bereits zu wandern begonnen, hin zu den Polen, in die Höhe oder in die Tiefe, je nachdem wo sie kühlere Temperaturen erwarten können. Oder es bilden sich neue Arten wie der - tatsächlich schon aufgekommene - Capuccino-Bär, ein Hybrid aus Eis- und Grizzlybär. Aber auch wie Kegel auf frühere erdgeschichtliche Phasen zurückblickt, in denen die Erwärmung zum Schrumpfen vieler Arten führte, interessiert die Rezensentin. Manches mag einen schlucken lassen, räumt die Rezensentin ein, versichert aber, dass Kegel mit großer Genauigkeit vorgeht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2021Die Zeitbomben ticken schon
Ein nuanciertes Bild der neuen Ökologie: Bernhard Kegel schildert, wie sich der Klimawandel auf die Natur auswirkt. Seine wichtigste Botschaft betrifft aber nicht Tiere und Pflanzen, sondern den Menschen.
Dass es, wenn wir Menschen die Atmosphäre weiter mit Kohlendioxid und Methan vollpumpen, immer heißer, in manchen Regionen der Erde viel zu trocken und in anderen viel zu nass wird, gehört inzwischen zum Allgemeinwissen. Doch die Klimakrise, in der wir uns befinden, ist kein rein physikalisches Phänomen. Nicht nur die Temperatur und die Verteilung des Wassers auf der Erde verändern sich, nein, alles gerät ins Rutschen, die gesamte Natur.
Die natürlichen Lebensgemeinschaften von heute, also etwa Wälder, Savannen, Korallenriffe und die Tundra, werden "in der Verteilung und Zusammensetzung, wie wir sie kennen, keinen Bestand haben", warnt der Biologe und Autor Bernhard Kegel in seinem neuen Buch "Die Natur der Zukunft". Anschaulich und kenntnisreich legt er dar, dass es sich nicht um einen Wandel handelt, wie er ganz normal ist für die Evolution, sondern um ein schnelles und gewaltiges Geschehen. Kegel schöpft dabei wie in früheren Büchern sowohl aus eigenem Erleben wie auch aus einem umfassenden Studium wissenschaftlicher Quellen, was sein Werk zugleich gut lesbar und lehrreich macht.
Die Natur gerät durch die Erwärmung schon heute in Bewegung. Nicht nur Tiere, auch Pflanzen reagieren auf die veränderten Klimabedingungen, werden seltener, weil sie mit den Veränderungen nicht mitkommen, oder auch häufiger, weil sich ihnen neue Territorien zur Besiedlung öffnen. In Deutschland etwa sei damit zu rechnen, dass sich Pflanzen wie die Beifuß-Ambrosie, die ursprünglich bei uns nicht heimisch war, aber warmes Klima mag, mit Ausnahme der hohen Gebirgslagen flächendeckend ausbreiten wird. "Für Allergiker ist das keine gute Nachricht", schreibt Kegel. Schon heute macht diese äußerst allergene Pflanze vielen Menschen zu schaffen.
Zu den Vorzügen des Buchs zählt, dass der Autor kein schwarzweißes, sondern ein nuanciertes Bild der neuen Ökologie zeichnet. So stellt er auch dar, dass Neophyten, also pflanzliche Einwanderer, durchaus eine positive Rolle spielen könnten, wenn sie Funktionen in Ökosystemen übernehmen, die heimische Pflanzen nicht mehr ausfüllen können. Insgesamt überwiegen jedoch die warnenden Töne. Anhand eines früheren Temperaturmaximums der Erdgeschichte, an der Grenze von Paläozän zu Eozän vor rund 56 Millionen Jahren, führt Kegel seinen Lesern vor Augen, mit welchen Umbrüchen in der Natur bei starkem Anstieg von Kohlendioxid und Temperaturen zu rechnen ist: Von Massensterben von Meeresorganismen bis zur evolutionären Schrumpfung von Säugetieren hätten damals die Konsequenzen gereicht.
Dass die Natur diese Ereignisse verkraftet hat, dürfe uns nicht trösten: Die Phasen des Wandels seien für Lebewesen, die sie durchmachen mussten, oftmals existenzbedrohend gewesen. "Außerdem ist diese Krise (. . .) anders: Sie ist schneller, sie spielt sich in einer Welt ab, die vom Menschen völlig verändert wurde, in der Arten sich nicht mehr frei bewegen können, in der es überall Grenzen und Hindernisse gibt und in der viele Arten, ganze Ökosysteme bereits angeschlagen und in hohem Maße gefährdet sind", warnt Kegel.
Akribisch beschreibt der Autor Prozesse, die bereits heute ablaufen. Während sich mancher darüber freuen wird, dass die Winter kürzer werden, bedeutet dies zum Beispiel für viele Vogelarten eine existentielle Gefahr. Die Rhythmen des Vogelzugs seien auf das bisherige Klima eingestellt. Kürzere Winter in Europa bedeuten, dass sich Insekten früher entwickeln. Das bekommen Vogelarten zu spüren, die zur gewohnten Zeit aus den Winterquartieren zurückkehren und deren Jungen dann nicht mehr weiche, gut verdauliche Larven vorfinden, sondern bereits weiterentwickelte Insekten mit härteren Körpern.
Auch physiologisch könnten viele Arten den Veränderungen nicht gewachsen sein, schreibt Kegel. Für Miesmuscheln und andere Meerestiere könnte der Ozean von morgen zu heiß werden. Zwar gebe es in jeder Population "Plastizität", also Individuen, die mit Extremen besser klarkommen als andere, und zudem die Fähigkeit zur Adaptation, also zu einer schnellen Anpassung an neue Bedingungen. In der warmen Zukunft werde sich das Rad der Evolution aber schneller drehen: "Ob es reichen wird, um entstandene Lücken im Artenbestand wieder zu füllen und Tiere und Pflanzen schnell an den Klimawandel anzupassen, kann heute noch niemand beantworten."
Dass ganze Ökosysteme bedroht sind, etwa Korallenriffe, und die Erderwärmung zur Ausbreitung von gefährlichen Krankheitserregern und sogar neuen Pandemien beitragen kann, verleihen den Ausführungen ihre Dringlichkeit: "Zeitbomben" heißt ein Unterkapitel, "Defaunation" ein anderes.
Das Buch blendet andere Faktoren, die über die Natur der Zukunft entscheiden, ebenso wie die Grundsatzfrage, was Natur in einer vom Menschen dominierten Welt überhaupt noch ist, weitgehend aus. Dass Habitate zerschnitten und umgepflügt werden, Städte sich ausbreiten, Chemikalien die Stoffwechsel und Reproduktionsweisen durcheinanderbringen und allgegenwärtiger Stickstoffdünger die Pflanzenvielfalt verringert, streift Kegel nur am Rand, wie auch neue biotechnologische Verfahren, mit denen ungekannte Lebensformen entstehen oder ausgestorbene Arten wieder zum Leben erweckt werden könnten. Doch die harte Tour durch die realen oder noch drohenden Folgen speziell der Klimakrise rechtfertigen diesen Fokus.
Dass wir schleunigst darüber nachdenken müssen, in welcher Welt und mit welcher Natur wir leben wollen, ist die Grundbotschaft des Buchs. Denn am stärksten könnten von den schnellen Veränderungen nicht Tiere und Pflanzen, sondern wir Menschen überfordert sein. Bei aller Unsicherheit von Prognosen hält Kegel eines für gewiss: "Was uns erwartet, ist in der Geschichte der Menschheit ohne Parallele."
CHRISTIAN SCHWÄGERL
Bernhard Kegel: "Die Natur der Zukunft". Tier- und Pflanzenwelt in Zeiten des Klimawandels. Dumont Verlag, Köln 2021. 384 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein nuanciertes Bild der neuen Ökologie: Bernhard Kegel schildert, wie sich der Klimawandel auf die Natur auswirkt. Seine wichtigste Botschaft betrifft aber nicht Tiere und Pflanzen, sondern den Menschen.
Dass es, wenn wir Menschen die Atmosphäre weiter mit Kohlendioxid und Methan vollpumpen, immer heißer, in manchen Regionen der Erde viel zu trocken und in anderen viel zu nass wird, gehört inzwischen zum Allgemeinwissen. Doch die Klimakrise, in der wir uns befinden, ist kein rein physikalisches Phänomen. Nicht nur die Temperatur und die Verteilung des Wassers auf der Erde verändern sich, nein, alles gerät ins Rutschen, die gesamte Natur.
Die natürlichen Lebensgemeinschaften von heute, also etwa Wälder, Savannen, Korallenriffe und die Tundra, werden "in der Verteilung und Zusammensetzung, wie wir sie kennen, keinen Bestand haben", warnt der Biologe und Autor Bernhard Kegel in seinem neuen Buch "Die Natur der Zukunft". Anschaulich und kenntnisreich legt er dar, dass es sich nicht um einen Wandel handelt, wie er ganz normal ist für die Evolution, sondern um ein schnelles und gewaltiges Geschehen. Kegel schöpft dabei wie in früheren Büchern sowohl aus eigenem Erleben wie auch aus einem umfassenden Studium wissenschaftlicher Quellen, was sein Werk zugleich gut lesbar und lehrreich macht.
Die Natur gerät durch die Erwärmung schon heute in Bewegung. Nicht nur Tiere, auch Pflanzen reagieren auf die veränderten Klimabedingungen, werden seltener, weil sie mit den Veränderungen nicht mitkommen, oder auch häufiger, weil sich ihnen neue Territorien zur Besiedlung öffnen. In Deutschland etwa sei damit zu rechnen, dass sich Pflanzen wie die Beifuß-Ambrosie, die ursprünglich bei uns nicht heimisch war, aber warmes Klima mag, mit Ausnahme der hohen Gebirgslagen flächendeckend ausbreiten wird. "Für Allergiker ist das keine gute Nachricht", schreibt Kegel. Schon heute macht diese äußerst allergene Pflanze vielen Menschen zu schaffen.
Zu den Vorzügen des Buchs zählt, dass der Autor kein schwarzweißes, sondern ein nuanciertes Bild der neuen Ökologie zeichnet. So stellt er auch dar, dass Neophyten, also pflanzliche Einwanderer, durchaus eine positive Rolle spielen könnten, wenn sie Funktionen in Ökosystemen übernehmen, die heimische Pflanzen nicht mehr ausfüllen können. Insgesamt überwiegen jedoch die warnenden Töne. Anhand eines früheren Temperaturmaximums der Erdgeschichte, an der Grenze von Paläozän zu Eozän vor rund 56 Millionen Jahren, führt Kegel seinen Lesern vor Augen, mit welchen Umbrüchen in der Natur bei starkem Anstieg von Kohlendioxid und Temperaturen zu rechnen ist: Von Massensterben von Meeresorganismen bis zur evolutionären Schrumpfung von Säugetieren hätten damals die Konsequenzen gereicht.
Dass die Natur diese Ereignisse verkraftet hat, dürfe uns nicht trösten: Die Phasen des Wandels seien für Lebewesen, die sie durchmachen mussten, oftmals existenzbedrohend gewesen. "Außerdem ist diese Krise (. . .) anders: Sie ist schneller, sie spielt sich in einer Welt ab, die vom Menschen völlig verändert wurde, in der Arten sich nicht mehr frei bewegen können, in der es überall Grenzen und Hindernisse gibt und in der viele Arten, ganze Ökosysteme bereits angeschlagen und in hohem Maße gefährdet sind", warnt Kegel.
Akribisch beschreibt der Autor Prozesse, die bereits heute ablaufen. Während sich mancher darüber freuen wird, dass die Winter kürzer werden, bedeutet dies zum Beispiel für viele Vogelarten eine existentielle Gefahr. Die Rhythmen des Vogelzugs seien auf das bisherige Klima eingestellt. Kürzere Winter in Europa bedeuten, dass sich Insekten früher entwickeln. Das bekommen Vogelarten zu spüren, die zur gewohnten Zeit aus den Winterquartieren zurückkehren und deren Jungen dann nicht mehr weiche, gut verdauliche Larven vorfinden, sondern bereits weiterentwickelte Insekten mit härteren Körpern.
Auch physiologisch könnten viele Arten den Veränderungen nicht gewachsen sein, schreibt Kegel. Für Miesmuscheln und andere Meerestiere könnte der Ozean von morgen zu heiß werden. Zwar gebe es in jeder Population "Plastizität", also Individuen, die mit Extremen besser klarkommen als andere, und zudem die Fähigkeit zur Adaptation, also zu einer schnellen Anpassung an neue Bedingungen. In der warmen Zukunft werde sich das Rad der Evolution aber schneller drehen: "Ob es reichen wird, um entstandene Lücken im Artenbestand wieder zu füllen und Tiere und Pflanzen schnell an den Klimawandel anzupassen, kann heute noch niemand beantworten."
Dass ganze Ökosysteme bedroht sind, etwa Korallenriffe, und die Erderwärmung zur Ausbreitung von gefährlichen Krankheitserregern und sogar neuen Pandemien beitragen kann, verleihen den Ausführungen ihre Dringlichkeit: "Zeitbomben" heißt ein Unterkapitel, "Defaunation" ein anderes.
Das Buch blendet andere Faktoren, die über die Natur der Zukunft entscheiden, ebenso wie die Grundsatzfrage, was Natur in einer vom Menschen dominierten Welt überhaupt noch ist, weitgehend aus. Dass Habitate zerschnitten und umgepflügt werden, Städte sich ausbreiten, Chemikalien die Stoffwechsel und Reproduktionsweisen durcheinanderbringen und allgegenwärtiger Stickstoffdünger die Pflanzenvielfalt verringert, streift Kegel nur am Rand, wie auch neue biotechnologische Verfahren, mit denen ungekannte Lebensformen entstehen oder ausgestorbene Arten wieder zum Leben erweckt werden könnten. Doch die harte Tour durch die realen oder noch drohenden Folgen speziell der Klimakrise rechtfertigen diesen Fokus.
Dass wir schleunigst darüber nachdenken müssen, in welcher Welt und mit welcher Natur wir leben wollen, ist die Grundbotschaft des Buchs. Denn am stärksten könnten von den schnellen Veränderungen nicht Tiere und Pflanzen, sondern wir Menschen überfordert sein. Bei aller Unsicherheit von Prognosen hält Kegel eines für gewiss: "Was uns erwartet, ist in der Geschichte der Menschheit ohne Parallele."
CHRISTIAN SCHWÄGERL
Bernhard Kegel: "Die Natur der Zukunft". Tier- und Pflanzenwelt in Zeiten des Klimawandels. Dumont Verlag, Köln 2021. 384 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rezensentin Claudia Mäder lernt viel vom Biologen Bernhard Kegel, der in seinem Buch "Die Natur der Zukunft" darstellt, wie die Natur auf den Klimawandel reagiert. Tiere und Pflanzen, erfährt Mäder, haben bereits zu wandern begonnen, hin zu den Polen, in die Höhe oder in die Tiefe, je nachdem wo sie kühlere Temperaturen erwarten können. Oder es bilden sich neue Arten wie der - tatsächlich schon aufgekommene - Capuccino-Bär, ein Hybrid aus Eis- und Grizzlybär. Aber auch wie Kegel auf frühere erdgeschichtliche Phasen zurückblickt, in denen die Erwärmung zum Schrumpfen vieler Arten führte, interessiert die Rezensentin. Manches mag einen schlucken lassen, räumt die Rezensentin ein, versichert aber, dass Kegel mit großer Genauigkeit vorgeht.
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