Die edition suhrkamp digital präsentiert kurze, aktualitätsbezogene, thesenstarke Bände, Manifeste, Langreportagen, Dossiers und Features. AlleTitel sind auch als eBook erhältlich. Mehr zur Reihe und den einzelnen Bänden unter: www.editionsuhrkampdigital.de E. L. James' BDSM-Trilogie Shades of Grey war weltweit ein gigantischer Erfolg, insbesondere bei Frauen. Aber warum? Wegen des vermeintlich pornographischen Inhalts? Weil eine ausgeklügelte Marketingstrategie dahintersteckte? Eva Illouz liest die Trilogie vor dem Hintergrund der These, daß manche Bücher deshalb zu Bestsellern werden, weil sie ein tatsächlich bestehendes und weitverbreitetes soziokulturelles Problem zugleich darstellen und lösen. Shades of Grey ist ihr zufolge weder ein »Mamiporno « noch ein antifeministisches Machwerk, sondern funktioniert wie ein gut gemachter Ratgeber, der zeigt, wie sich die Aporien zeitgenössischer heterosexueller Liebesbeziehungen praktisch überwinden lassen. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Im Suhrkamp Verlag erschien zuletzt ihr vieldiskutierter Bestseller Warum Liebe weh tut. Eine soziologische Erklärung (2011 und st 4420).
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Durchweg plausibel findet Andrea Roedig Eva Illouz' Argumente in ihrem Essay, in dem sie dem Erfolgsgeheimnis von "Shades of Grey" nachgeht. Ihrer These, dass es sich bei dem Bestseller keineswegs um antifeministische, pornografische Literatur, sondern vielmehr einen Selbsthilfekurs in Erotik handelt, akzeptiert die Rezensentin ebenso wie die Aussage, es spiegle sich in dem Buch eine Sehnsucht der Frauen nach sexueller Freiheit wider. Dabei nimmt Illouz nach Ansicht der Rezensentin die Gefahren und Abgründe, die von sadistischen Praktiken ausgehen, nicht ernst genug und bleibt mit ihrer Analyse an der bürgerlichen Oberfläche stecken.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2013Eva Illouz und die Politik der Gefühle
Eine "neue Liebesordnung" hatte die israelische Soziologin Eva Illouz am vergangenen Sonntag in der Berliner Schaubühne versprochen. Sie sollte einerseits über so leptosome Begriffe wie eine "Politik der Gefühle" sprechen, andererseits über das neue Lieblingslehrbuch der gender studies: Mit "Fifty Shades of Grey" lässt sich nicht nur der Emanzipationsgrad - Stichwort: heterosexuelle Zwangsmatrix -, sondern auch die Verklemmtheitskurve unserer Gesellschaft messen. (Eva Illouz: "Die neue Liebesordnung". Frauen, Männer und ,Shades of Grey'. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, 80 S., 7,99 [Euro])
Moderatorin Carolin Emcke, die selbst vor zwei Jahren ein Buch über ihr Leben als offen "schwul" lebende Frau geschrieben hatte, wollte von Illouz wissen, ob ihre Beschäftigung mit dem Thema Liebe als etwas Minderwertiges betrachtet worden sei. Schlimmer noch, sagte Illouz, es sei als Frauenthema abgestempelt worden. Moment! Immerhin stammt der Klassiker der Liebessoziologie von einem Mann. Niklas Luhmann, der 1982 in "Liebe als Passion" im gleichen Verlag wie Illouz die Codes entschlüsseln half, welche die sozialen Bedingungen für Zweisamkeitsutopien erst erschaffen, wird von Illouz geflissentlich ignoriert. Illouz und Emcke diskutierten das Konzept einer "authentischen Liebe" vielmehr so, als handele es sich um eine neue Frage.
Das Problem sei doch, man könne ein falsches Bewusstsein haben, beeinflusst etwa durch Konsumverhalten, und trotzdem authentisch empfinden. Darin liegt ja gerade die Crux des modernen Liebeslebens, so durchschaubar kapitalistisch das ganze Romantik-Business von Online-Partnerbörsen bis hin zu hyperindividualistischen Lebensstilentscheidungen auch sein mag: Wir leben in den Wahrheiten, die wir uns erschaffen. Wäre also die im Titel der Veranstaltung annoncierte Politik der Gefühle nichts als ein dem Individuum vom Markt übergestülptes Emotionsregime? Die neuere Gefühlsforschung weist recht emotionslos auf die Vergänglichkeit bestimmter Empfindungsweisen hin, etwa auf die Flaute des männlichen Ehr- und des weiblichen Schamgefühls. Nein, sagt Illouz: Objekte und Emotionen werden immer koproduziert. Gefühle realisieren sich im Ritual. Was war also zuerst da? Die Valentinstags-Grußkarten-Industrie oder das Bedürfnis, sich an einen einzelnen Menschen zu binden?
Das waren alles kluge, wenn auch nicht neue Gedanken zu der Frage, weshalb wir dauernd an etwas scheitern, was doch die meisten als Imperativ verstehen: Sei glücklich! Lebe hedonistisch! Am besten in einer romantischen Mann-Frau-Beziehung! Dass homosexuelle Lebensstile inzwischen Mainstream geworden sind, weil sich mit Homopaaren eben auch gezielt neue Konsumentengruppen mit Romantikangeboten ansteuern lassen, scheint aus soziologischer Sicht ausgemacht. Wie normativ das heterosexuelle Liebesmodell in einer Massenerzählung wie den "Fifty Shades" noch heute wirkt, kann jeder nachvollziehen, der zu den inzwischen siebzig Millionen Lesern dieser Hau-drauf-Romanze gehört.
KATHARINA TEUTSCH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine "neue Liebesordnung" hatte die israelische Soziologin Eva Illouz am vergangenen Sonntag in der Berliner Schaubühne versprochen. Sie sollte einerseits über so leptosome Begriffe wie eine "Politik der Gefühle" sprechen, andererseits über das neue Lieblingslehrbuch der gender studies: Mit "Fifty Shades of Grey" lässt sich nicht nur der Emanzipationsgrad - Stichwort: heterosexuelle Zwangsmatrix -, sondern auch die Verklemmtheitskurve unserer Gesellschaft messen. (Eva Illouz: "Die neue Liebesordnung". Frauen, Männer und ,Shades of Grey'. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, 80 S., 7,99 [Euro])
Moderatorin Carolin Emcke, die selbst vor zwei Jahren ein Buch über ihr Leben als offen "schwul" lebende Frau geschrieben hatte, wollte von Illouz wissen, ob ihre Beschäftigung mit dem Thema Liebe als etwas Minderwertiges betrachtet worden sei. Schlimmer noch, sagte Illouz, es sei als Frauenthema abgestempelt worden. Moment! Immerhin stammt der Klassiker der Liebessoziologie von einem Mann. Niklas Luhmann, der 1982 in "Liebe als Passion" im gleichen Verlag wie Illouz die Codes entschlüsseln half, welche die sozialen Bedingungen für Zweisamkeitsutopien erst erschaffen, wird von Illouz geflissentlich ignoriert. Illouz und Emcke diskutierten das Konzept einer "authentischen Liebe" vielmehr so, als handele es sich um eine neue Frage.
Das Problem sei doch, man könne ein falsches Bewusstsein haben, beeinflusst etwa durch Konsumverhalten, und trotzdem authentisch empfinden. Darin liegt ja gerade die Crux des modernen Liebeslebens, so durchschaubar kapitalistisch das ganze Romantik-Business von Online-Partnerbörsen bis hin zu hyperindividualistischen Lebensstilentscheidungen auch sein mag: Wir leben in den Wahrheiten, die wir uns erschaffen. Wäre also die im Titel der Veranstaltung annoncierte Politik der Gefühle nichts als ein dem Individuum vom Markt übergestülptes Emotionsregime? Die neuere Gefühlsforschung weist recht emotionslos auf die Vergänglichkeit bestimmter Empfindungsweisen hin, etwa auf die Flaute des männlichen Ehr- und des weiblichen Schamgefühls. Nein, sagt Illouz: Objekte und Emotionen werden immer koproduziert. Gefühle realisieren sich im Ritual. Was war also zuerst da? Die Valentinstags-Grußkarten-Industrie oder das Bedürfnis, sich an einen einzelnen Menschen zu binden?
Das waren alles kluge, wenn auch nicht neue Gedanken zu der Frage, weshalb wir dauernd an etwas scheitern, was doch die meisten als Imperativ verstehen: Sei glücklich! Lebe hedonistisch! Am besten in einer romantischen Mann-Frau-Beziehung! Dass homosexuelle Lebensstile inzwischen Mainstream geworden sind, weil sich mit Homopaaren eben auch gezielt neue Konsumentengruppen mit Romantikangeboten ansteuern lassen, scheint aus soziologischer Sicht ausgemacht. Wie normativ das heterosexuelle Liebesmodell in einer Massenerzählung wie den "Fifty Shades" noch heute wirkt, kann jeder nachvollziehen, der zu den inzwischen siebzig Millionen Lesern dieser Hau-drauf-Romanze gehört.
KATHARINA TEUTSCH
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»Was uns fesselt, lässt uns frei: Shades of Grey ist ein Weltbestseller. Die Soziologin Eva Illouz findet darin den Schlüssel zum aktuellen Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Illouz liest den Bestseller als 'Roman einer Zivilisation': Einerseits erzähle das Buch verschlüsselt von den inneren Herausforderungen heterosexueller Beziehungen heute, andererseits funktioniere es wie ein sexueller Selbsthilfeleitfaden.« Mara Delius DIE WELT 20130615
»... Ihre Deutung des Buches als Anleitung zur sexuellen Selbsthilfe hingegen ist so originell und überzeugend wie der Rest dieser geistreichen Analyse, der es tatsächlich gelingt, den Erfolg von Shades plausibel zu machen.«