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Das Neue an der Neuen Rechten ist nicht ihre Ideologie, sondern deren öffentliches Erscheinen. Der Angriff auf die offene Gesellschaft wird vor allem mit ästhetischen Mitteln geführt. Die Neue Rechte setzt Design und Bilder als zersetzende Werkzeuge ein. Sie übernimmt eine ursprünglich progressive Ästhetik und wendet sie subversiv: Rassismus designt sie zum Diversity Management, Nationalismus zum Wohlfühl-Lifestyle, der »Hipster-Nazi« ist keine Satire und sexistischer Feminismus kein Widerspruch. Daniel Hornuffs Analyse zeigt, dass die Verteidigung der offenen Gesellschaft nicht nur eine…mehr

Produktbeschreibung
Das Neue an der Neuen Rechten ist nicht ihre Ideologie, sondern deren öffentliches Erscheinen. Der Angriff auf die offene Gesellschaft wird vor allem mit ästhetischen Mitteln geführt. Die Neue Rechte setzt Design und Bilder als zersetzende Werkzeuge ein. Sie übernimmt eine ursprünglich progressive Ästhetik und wendet sie subversiv: Rassismus designt sie zum Diversity Management, Nationalismus zum Wohlfühl-Lifestyle, der »Hipster-Nazi« ist keine Satire und sexistischer Feminismus kein Widerspruch. Daniel Hornuffs Analyse zeigt, dass die Verteidigung der offenen Gesellschaft nicht nur eine politische, sondern auch eine ästhetische Aufgabe ist. Diese Dimension wird aber häufig übersehen oder unterschätzt. Daher warnt er: Macht sich im Feld des Politischen ästhetische Überheblichkeit oder Gleichgültigkeit breit, wird den Umtrieben der Neuen Rechten Tür und Tor geöffnet. Ein Plädoyer, ästhetische Urteilskräfte neu zu schärfen, um antipluralistische Subversionen auch intellektuell entkräften zu können.
Autorenporträt
Daniel Hornuff, geb. 1981, ist Professor für Theorie und Praxis der Gestaltung an der Kunsthochschule in der Universität Kassel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Kultur-, Kunst- und Designwissenschaften. Zuletzt erschienen Publikationen und Debattenbeiträge zu Designfiguren des Denkens, zur Kulturgeschichte der Schwangerschaft, zu Formen der Kulturkritik sowie zur Ästhetik neurechter Bewegungen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das letzte Wort zum Erscheinungsbild der Neuen Rechten ist mit diesem Buch des Bildwissenschaftler Daniel Hornuff nicht gesprochen, macht Rezensent Jan Füchtjohann klar. Zum einen konzentriere sich Hornuff viel zu sehr auf Deutschland, moniert Füchtjohann, wie etwa die grelle amerikanische Kultur aus Alt-Rightern, Trumpisten oder 4chan-Punks aussieht, müsse man in Angela Nagles "Digitaler Gegenrevolution" nachlesen. Außerdem besont Füchtjohann, dass der Angriff auf die offene Gesellschaft, nicht mit ästhetischen Mittel geführt werde, wie Hornuff behauptet, denn die die Opfer des NSU, in Hanau und Halle wurden kaltblütig ermordet, nicht durch den Anblick hässlicher Kaffeetassen erschreckt. Aber in einem gibt der Rezensent dem Autor recht: Die Neue Rechte in Deutschland scheint beim Verfassungsschtuz in eine "Schule der Unauffälligkeit" gegangen zu sein. Das Bestreben, als normal durchzugehen, als harmlos und bürgerliche Mitte, das sei das unverkennbare Markenzeichen von AfD und Co. geworden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.03.2020

Die Schule der Unauffälligkeit
Daniel Hornuff untersucht, wie sich neue Rechte wie liberale Bürger gebärden. Darauf sollte man sich aber nicht mehr einlassen
Die alte Bundesrepublik hat es sich in polit-ästhetischer Hinsicht gern leicht gemacht. Konservative etwa sollten immer ein bisschen aussehen wie Helmut Kohl. Er stand „für einen gewissen Nichtzusammenhang von Politik und Lebensform“ und „für in seinem Sinne gelungene Politik, bei in jedem Sinne misslungener Formgebung“. Das schrieb der Kulturkritiker Diedrich Diederichsen unter dem Eindruck eines Schocks. Denn die 1998 gewählte Regierung war eindeutig besser in Form. Als Vizekanzler trat ein früherer Hausbesetzer und Turnschuhträger an. Nun steckte er zusammen mit dem Rotwein trinkenden, Zigarre rauchenden Kanzler in teuren italienischen Anzügen: Das rot-grüne Kabinett hatte sich als Karikatur eines kapitalistischen Boardrooms verkleidet .
In der neuen Mitte war ästhetisch also bereits einiges in Fluss geraten, als es aus der Sozialdemokratie erneut zu Verunsicherungen kam. Zumindest die Abgrenzung von den politischen Rändern schien bis dahin klaren Regeln zu gehorchen. Neo-Nazis waren leicht als das Andere guter Demokraten zu erkennen: Sie trugen Glatzen und verbotene Symbole, Bomberjacken und Springerstiefel, Baseballschläger und Lonsdale-Pullover.
Doch dann saß plötzlich ein Bundesbanker mit SPD-Parteibuch in den Talkshows und erklärte, „70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin“ ließen sich vom Staat durchfüttern und würden „ständig neue kleine Kopftuchmädchen“ zeugen, um Deutschland über die Geburtenrate zu „erobern“. Das Land war verdattert. Konnte dieser adrette Mann, der noch dazu dauernd mit Statistiken hantierte – wirklich ein Rassist sein? Klar. Aber weil Sarrazin es eben nicht auch für Blinde offensichtlich war, fanden seine Thesen monatelang großen Anklang.
Zu dieser Zeit muss einigen Leuten ein großer Fernsehstudio-Scheinwerfer aufgegangen sein. So leicht lässt sich die Demokratie überrumpeln? Man muss sich nur eine Tarnkappe auf die Glatze setzen, ein paar Störsignale senden („Wir sind doch nur besorgte Bürger“) und auf eindeutige Reize verzichten (Hitlerbärtchen) – und voilà, schon ist die Rechte stubenrein und alle wollen mit ihr reden. Das ist jedenfalls der Eindruck, den das Buch „Die Neue Rechte und ihr Design“ hinterlässt. Der Autor Daniel Hornuff ist Professor für Theorie und Praxis der Gestaltung an der Kunsthochschule Kassel. Er behauptet, besonders interessant am aktuellen Rechtsradikalismus sei nicht die altbekannte Ideologie: „Das Neue an der Neuen Rechten ist ihr Design.“
Wer allerdings tatsächlich neues Design sucht, sollte nicht Hornuff, sondern Angela Nagle lesen. Die irische Journalistin hat in ihrem 2017 erschienenen Buch „Kill All Normies“ die im Netz entstandene rechte US-Gegenkultur ausgeleuchtet: Ihre neuen Medien (Reddit, 4chan, 8chan), neuen Methoden (trolling, doxing, memes), neuen Kulturkämpfe (Gamergate) und neuen Helden (Milo Yiannopoulos, Gavin McInnes, The Donald), von denen sich einer sogar bis ins weiße Haus getrollt hat. Die englischsprachigen Reaktionäre tragen ihre Mischung aus Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Verschwörungstheorien auf irritierend hippe, technisch avancierte, ironische, punkige und flamboyante Weise vor.
Hornuffs deutschsprachige Rassisten dagegen wollen die Normies nicht killen, sondern sein. Ihr Design ist weder neu noch ungesehen, stattdessen sehen seine Nazis jetzt aus wie alle anderen: „Viele Glatzen sind hipster-kompatibel überwuchert. Und tausende Springerstiefel wurden durch Sneakers ersetzt. Die Feinde der offenen Gesellschaft erscheinen in den Gewändern der offenen Gesellschaft.“ Man weiß daher nicht wirklich, was gemeint sein soll, wenn der Klappentext behauptet: „Der Angriff auf die offene Gesellschaft wird vor allem mit ästhetischen Mitteln geführt.“ Halit Yozgat und Walther Lübke wurden jedenfalls nicht durch den Anblick rechtsradikaler Motivkaffeetassen zu Tode erschreckt. Solche Tassen werden aber ausführlich beschrieben, ebenso Greta-Thunberg-Verschwörungstafeln, „Es gibt immer weniger Deutsche“-Powerpoints und andere rassistische Mitmachspiele.
In der Hauptsache geht es jedoch um Nazis, die sich verkleiden: Als falsche Wahlhelfer („aktiv über mögliche ungültige Stimmen mitentscheiden“), falsche Flüchtlingshelfer („Erste Familien kehren zurück“), falsche Umweltschützer („Umweltschutz ist Heimatschutz“), falsche Feministen („weil die Politik uns durch unkontrollierte Zuwanderung ... Vergewaltigungen, Belästigungen und Misshandlungen importiert hat“), falsche Nachrichtenmagazine („Compact“ sieht für Hornuff im Wesentlichen aus wie der „Stern“) und falsche Normalos („angesiedelt irgendwo zwischen Start-up-Belegschaft, NGO-Gruppe und Mitgliedern eines Dorf-Sportclubs“).
Fast könnte man meinen, die ästhetische Aufrüstung und Ausrüstung der extremen politischen Rechten fände in völlig unterschiedlichen Schulen statt: In den USA in einer eskalierenden Mediensphäre, die immer grellere rechte Charaktere produziert – einen Präsidenten aus dem Reality TV, irrsinnige Fox News- und Breitbart-Demagogen und 8chan-Attentäter. Also laute, politisch abstoßende Menschen, die man anstarrt wie einen spektakulären Autounfall.
Hier dagegen, das weiß man etwa durch das NPD-Verbotsverfahren, die NSU-Morde und Hans-Georg Maaßen, unterhält die Rechte eine bedenkliche Nähe zum Verfassungsschutz. Das ist auf jeden Fall der Eindruck, den die von Hornuff porträtierten „Neuen“ Rechten machen. Sie scheinen durch eine gute Schule der Unauffälligkeit gegangen zu sein.
Allerdings stolpert auch Hornuff irgendwann über eher unzweideutiges Fascho-Design. Etwa wenn die Junge Alternative Thüringen mit dem Bild einer entsicherten Pistole zur Selbstjustiz auffordert. Der Wille zur Maskerade scheint mit wachsendem Erfolg zu schwinden. Nach der Ermordung Walther Lübckes schaut Hornuff tief in die rechte Blase und ist entsetzt über die plumpe Eindeutigkeit: „Pistolen und Galgen wechselten sich mit Parolen ab, die ein ‚An die Wand stellen!‘ forderten“. Damit ist allerdings auch das Wundern vorbei, ob die das wirklich alles so meinen. Immer wieder betont Hornuff, die offene Gesellschaft dürfe nicht aufhören, auch mit ihren Gegnern zu sprechen, sie müsse jedenfalls immer genau hinsehen und dürfe auf keinen Fall die Nuancen aus dem Blick verlieren.
Das gipfelt in einem absurden Vorwurf an den SPD-Abgeordneten Martin Schulz. Der hatte im Bundestag zu Alexander Gauland gesagt, er gehöre „auf den Misthaufen der deutschen Geschichte“. Hornuff findet das empörend: „In solchen Augenblicken mögen sich die Gegner der Neuen Rechten zwar noch als Anwälte einer freien und offenen Gesellschaft wahrnehmen – tatsächlich aber vollenden sie in Stil und Duktus, in Sprache und Bildern, in Habitus und Symbolik, ja letztlich im Denken und Handeln, was sie zurückzudrängen vorgeben.“ Wer Faschisten Faschisten nennt, ist also Faschist?
In einer Hinsicht hat der Bildwissenschaftler allerdings Recht. Schulz’ „Misthaufen der deutschen Geschichte“ hat tatsächlich Bild-oberflächliche Ähnlichkeiten mit Gaulands Greatest Hit „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“. Beide Metaphern klingen Scheiße – aber nur Gaulands riecht auch so. Schulz will den besiegten Faschismus kleinhalten, Gauland den gestrigen kleinreden, um den von heute groß zu machen. Solche Nuancen sind aber nur solange wichtig, bis einer die Knarre rausholt. Wenn sich rechte Mobs bewaffnen, tausendfach drohen und hundertfach morden, sollte mal Schluss sein mit den ewigen Samthandschuhen. Ist es wirklich nötig, den „Neuen Rechten“ immer wieder aufs Neue zu beweisen, dass ihr Verhältnis zu „klassisch“ gewaltbereiten Rechtsradikalen alles andere als trennscharf ist? Irgendwann müsste man das doch mal verstanden haben – und Schritte einleiten.
Die „neue“ rechte Masche – erst „Selbstverharmlosung“ betreiben und dann bei geringster Gegenwehr „Ausgrenzeritis“ schreien (beide Begriffe: Götz Kubitschek) – wird doch selbst in den eigenen Reihen nicht mehr durchgehalten. Darum findet sogar Hornuff am Schluss erstaunlich klare Worte: „Hier kann es tatsächlich nur die Beziehung der sozialen Ächtung und gesellschaftlichen Ausgrenzung geben – auch auf die Gefahr hin, die Glut damit erst recht zum Lodern zu bringen.“ Da hat er Recht.
JAN FÜCHTJOHANN
Daniel Hornuff: Die Neue Rechte und ihr Design. Vom ästhetischen Angriff auf die offene Gesellschaft. Transcript Verlag, Bielefeld 2019. 142 Seiten, 19,99 Euro.
„Tausende Springerstiefel
wurden durch
Sneakers ersetzt.“
Immer wieder betont Hornuff,
die offene Gesellschaft müsse auch
mit ihren Gegnern sprechen
„Storch Heinar“ heißt die vom Juso-Projekt „Endstation rechts“ betriebene satirische Kampagne, die eine bei Rechtsextremen beliebte Marke parodiert.
Foto: ddp
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O-Ton: »Verbot von 'Compact« kein harter Schlag gegen den Rechtsextremismus« - Daniel Hornuff im Interview beim SWR am 17.07.2024. O-Ton: »Flausch statt Fraktur« - Daniel Hornuff im Interview bei SWR2 am 13.12.2020. »[Hornuff] kommt das Verdienst zu auf die bedeutende Rolle des neurechten Designs bei der Unterwanderung der offenen Gesellschaft hingewiesen und fruchtbare Impulse gegeben zu haben, wie man damit umgehen sollte.« Bruno Heidlberger, Zeitschrift für Politik, 2 (2020) »Ein überaus lesenswerter Beitrag sowohl für das Verständnis des Rechtspopulismus als auch für die Aufgabe seiner politischen Überwindung. Er eignet sich als hervorragende Einstiegslektüre für eine weitere Beschäftigung mit der politischen Ästhetik der (neuen) Rechten.« Martin Repohl, Portal für Politikwissenschaft, 21.01.2020 O-Ton: »Es soll gezielt gesteuert werden« - Daniel Hornuff im Interview bei der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen am 20.01.2020. »[Hornuff] kommt das Verdienst zu auf die bedeutende Rolle des neurechten Designs bei der Unterwanderung der offenen Gesellschaft hingewiesen und fruchtbare Impulse gegeben zu haben, wie man damit umgehen sollte.« Bruno Heidlberger, www.socialnet.de, 10.12.2019 O-Ton: »Weniger Stahlhelm, dafür mehr Hygge« - Daniel Hornuff im Gespräch bei WDR 3 Mosaik am 09.12.2019. »Eine [...] lesenswerte Betrachtung der Neuen Rechten abseits der rein politischen Agenda.« Elke Führing, Ox-Fanzine, 147/6 (2019) O-Ton: »Das Design der Neuen Rechten« - Daniel Hornuff im Gespräch beim Deutschlandfunk am 27.11.2019. O-Ton: »Die Neue Rechte betreibt Verpackungsdesign« - Daniel Hornuff im Interview bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 12.11.2019. O-Ton: »Die neuen Rechten tragen Vollbart, Jutebeutel und schicke Sneaker« - Daniel Hornuff im Interview bei Radio eins am 06.11.2019. O-Ton: »Kochshows, Kaffeebecher und Rassismus« - Daniel Hornuff im Interview beim Deutschlandfunk am 26.10.2019. Besprochen in: monitor, 87 (2019), Martin Brandt www.sueddeutsche.de, 02.03.2020, Jan Füchtjohann Außerschulische Bildung, 2 (2020) www.goethe.de, 9 (2020), Sabine Pannen Falter, 15 (2021)…mehr