Viele Ökonomen sehen im Sozialstaat nur einen Kostenfaktor. Sie befassen sich kaum mit Sozialpolitik, obwohl das diesbezügliche Budget in Deutschland fast ein Drittel des BIP umfasst. Die ökonomischen Eigenarten des Sozialstaats passen nicht in die Welt des Neoliberalismus, der alle sozialen und ökonomischen Beziehungen in seine Kosten-Nutzen-Relationen presst. Dieser Ignoranz stehen Klagen über eine Ökonomisierung des Sozialen gegenüber, die übersehen, dass die Sozialpolitik sich nicht mehr auf Umverteilung beschränkt, sondern auch eine wachsende Branche von gesundheitlichen und sozialen Diensten steuert. Hartmut Reiners zeigt, dass das Sozialversicherungssystem trotz aller Reformbedürftigkeit in seinen Grundzügen eine hohe volkswirtschaftliche Vernunft aufweist. Die Privatisierung der von ihm abgesicherten sozialen Risiken ist nicht nur aus sozialer, sondern auch aus ökonomischer Perspektive gesellschaftlich schädlich. So kann etwa die Arbeitslosigkeit von der Versicherungswirtschaft wegen ihrer unkalkulierbaren Parameter gar nicht abgesichert werden. Die Umstellung der Rentenversicherung von einer solidarischen Umlagefinanzierung auf ein privates, kapitalgedecktes System macht die Alterssicherung von den Launen des Finanzmarktes abhängig und ist mit hohen Ausgaben verbunden, die nicht den Versicherten zugutekommen, sondern den Versicherungen und Kapitalfonds. Die gesetzliche Krankenversicherung bietet die gleichen Leistungen zu deutlich niedrigeren Kosten als die private Krankenversicherung, wie ein Vergleich der Ausgaben zeigt. Der Autor fordert daher ein Ende der Privatisierung in der Sozialpolitik und eine Demokratisierung des Sozialstaats.
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