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In Griechenland erinnert man sich bis heute an die deutsche Besatzung der Jahre 1941-1944, im deutschen Gedächtnis hingegen ist dieses Kriegsgeschehen vergessen oder wird beschwiegen. Die Asymmetrie der Vergangenheitsbewältigungen wird mehr als deutlich, wenn man, wie es die Beiträgerinnen und Beiträger dieses Buches getan haben, den beiden Erinnerungskulturen im öffentlichen Bewusstsein, in der Literatur und den Medien nachspürt. Vor allem in Krisenzeiten boomt das Klischee, doch der europäische Alltag mit seinen deutsch-griechischen Arbeits-, Familien- und Kulturbeziehungen setzt sich fort.…mehr

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Produktbeschreibung
In Griechenland erinnert man sich bis heute an die deutsche Besatzung der Jahre 1941-1944, im deutschen Gedächtnis hingegen ist dieses Kriegsgeschehen vergessen oder wird beschwiegen. Die Asymmetrie der Vergangenheitsbewältigungen wird mehr als deutlich, wenn man, wie es die Beiträgerinnen und Beiträger dieses Buches getan haben, den beiden Erinnerungskulturen im öffentlichen Bewusstsein, in der Literatur und den Medien nachspürt. Vor allem in Krisenzeiten boomt das Klischee, doch der europäische Alltag mit seinen deutsch-griechischen Arbeits-, Familien- und Kulturbeziehungen setzt sich fort. Das Buch legt die interdisziplinären Grundlagen für eine überfällige Aufarbeitung und ein tragfähiges und dauerhaftes Geschichtsbewusstsein in beiden Ländern.


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Autorenporträt
Constantin Goschler hat den Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Universität Bochum inne. Er forscht vor allem zu Restitution und Erinnerungskultur, zu Biopolitik und Wissenschaftspopularisierung, zur jüdischen Geschichte nach 1945 sowie zu Nachrichtendiensten und innerer Sicherheit.

Chryssoula Kambas ist Professorin i.R. für Neuere deutsche Literatur an der Universität Osnabrück.

Marilisa Mitsou ist Professorin für Neogräzistik an der LMU München.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christoph Klessmann erkennt die Lücke, die der von Chryssoula Kambas und Marilisa Mitsou herausgegebene Band mit 27 Aufsätzen deutscher wie griechischer Autoren zur deutschen Besatzung Griechenlands und zu Narrativen beider Staaten zu diesem Thema auszufüllen versucht. Es geht um innergriechische Debatten zu diesem Teil der Geschichte und um das "deutsche Vergessen" der Ausbeutungs- und Inflationspolitik mit hunderttausend Toten. Auch wenn Klessmann eine eher geschichtskulturelle und literaturhistorische Arbeit vor sich sieht, kommen auch militärische, politische und soziale Aspekte der Besatzung zur Sprache, erklärt er. Die Ermordung der griechischen Juden ist ein Thema, ebenso die Kollaboration. Auch wenn die Heterogenität der Beiträge das Konzept des Bandes zu sprengen droht und vieles nur für das Fachpublikum von Interesse ist, wie der Rezensent befürchtet, von den Autorinnen behandelte Aspekte wie die Geschichtswissenschaft der DDR in Sachen Griechenland machen das Buch für ihn höchst lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Hitlers Fahne auf der Akropolis
Deutsche Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg in der Erinnerungskultur

Der Untertitel dieser Publikation, mit der eine neue kulturgeschichtliche Reihe "Griechenland in Europa" eröffnet wird, verweist auf ein wirkliches Defizit. 27 Aufsätze griechischer und deutscher Autoren stecken einen breiten Rahmen ab, in dem Erfahrungen mit der deutschen Besatzung Griechenlands und Narrative der griechischen und deutschen Historiographie, der Literatur und der Medien vorgestellt werden sollen. Vor allem die scharfen innergriechischen Konflikte um die Beurteilung dieser Zeit spielen dabei eine zentrale Rolle. Ein wichtiger Impuls des Buches ist ferner das öffentliche "deutsche Vergessen" hinsichtlich der Kriegsverbrechen, das wohl erst durch die Wehrmachtsausstellung und später durch den Besuch von Bundespräsident Gauck in Lyngiades (2014) wirklich durchbrochen wurde. Eine schlimme Ausbeutungs- und Inflationspolitik mit über 100 000 Hungertoten bereits im ersten Kriegswinter gehört neben den als "Sühnemaßnahmen" dargestellten Geiselerschießungen zu den Charakteristika dieser Okkupation. Immerhin wird in der Einleitung aber auch ausdrücklich auf die "Aktion Sühnezeichen" und die einem "Hilfswerk für Griechenland" dienende Aktivität der niedersächsischen Abgeordneten Ehrengard Schramm seit den 1950er Jahren hingewiesen, zu einer Zeit, als im Bonner Auswärtigen Amt das Thema überwiegend beschwiegen oder verbal verharmlost wurde und man lieber unvermittelt an alte Freundschaft anknüpfen wollte.

Es ist primär eine geschichtskulturelle und literaturgeschichtliche Publikation, aus der man aber einiges, wenngleich insgesamt zu wenig, über die militärischen, politischen und sozialen Aspekte von Besatzung, Kollaboration, Partisanenkampf und brutaler Vergeltung erfährt, also über Themen, die in allen besetzten Ländern eine Rolle spielten, in Griechenland aber in ihren grausamen Exzessen kaum hinter osteuropäischen und jugoslawischen Beispielen zurückstehen. Dafür stehen vor allem die Namen Kalavrita, Distomo, Lyngiades.

Der mit Distomo exemplarisch verbundenen, politisch und juristisch verworrenen Geschichte der (verweigerten) Entschädigung gilt ein eigener Beitrag. Hagen Fleischer, der einschlägige deutsche Fachmann für deutsch-griechische Zeitgeschichte, ist mit einem Aufsatz über die komplizierte Vergangenheitspolitik insgesamt vertreten. Hervorzuheben ist, dass in mehreren Beiträgen auch die Verfolgung und Ermordung der griechischen Juden und die unrühmliche Rolle griechischer Kollaborateure im Medium von Literatur eingehend thematisiert werden.

Es ist ein bunter Strauß von heterogenen Beiträgen, die sich teilweise nur schwer in das von den beiden Herausgeberinnen, Professorinnen für neuere deutsche Literatur und Neogräzistik in Osnabrück und München, formulierte Konzept des Bandes einpassen lassen. Wie viel allgemeinere Information und wie viel Fachdiskussion und Forschungsbericht ist - das bleibt in dem Band unentschieden. Manche Passagen mit langen griechischen Fußnoten sind ohnehin nur für Insider nachvollziehbar. Gleichwohl - das Buch ist eine Fundgrube für interessante Details und auch für neue Perspektiven auf den Umgang mit dieser Vergangenheit.

Dazu gehört die Darstellung einzelner Autoren mit ihren literarischen Arbeiten zu Griechenland, darunter Franz Fühmann, Erhart Kästner, Walter Höllerer. Ein Beispiel: Erhart Kästners populäres Griechenland-Buch "Ölberge, Weinberge" (1953) geht zurück auf ein für Wehrmachtssoldaten 1942 verfasstes Manuskript. Damit ist jedoch mehr als eine der üblichen Kontinuitäten angesprochen. Das Manuskript sollte "etwas Anständiges werden, nichts Kraft durch Freudigmäßiges", schrieb Kästner damals an seine Familie.

Das klassische Griechenland als über den Niederungen des Krieges stehende geistige Landschaft und die Usurpation antiker Helden für Deutschland - das gehörte zum gewünschten und vielfach verbreiteten Bild der Deutschen in Hellas. Franz Fühmann, der wie Kästner zeitweilig in Griechenland stationiert war, gehörte zu den DDR-Autoren, die diesen Teil ihrer Vergangenheit kritisch reflektierten und deutlich machten, wie erbittert die griechische Bevölkerung, auch wo sie sich nicht den Partisanen anschloss, die angeblich so noble deutsche Besatzung beobachtete. Überhaupt ist die deutsch-deutsche Kontrastgeschichte hier ein frappierender Aspekt, der in mehreren Beiträgen behandelt wird. Sowohl in der Zeitgeschichtsforschung wie in der Literatur der DDR waren Okkupation und Widerstand in Griechenland anders als in der Bundesrepublik frühzeitig ein Thema, wenn auch mit vielfachen politischen Vorgaben.

Ein für Griechenland besonders ausgeprägter und auch in anderen besetzten Ländern zu findender Konflikt war der politische Streit um den "richtigen" nationalen Widerstand, der im Bürgerkrieg nach 1945 das Land tief spaltete und die innenpolitischen Fronten unglaublich verhärtete. Die stärkste Kraft, die kommunistische Linke, wurde als "Banditen" diskriminiert, während eine ziemlich umstandslose Rehabilitation von Kollaborateuren erstaunlich schnell funktionierte. Der Kalte Krieg zerriss das Land abermals und mittelbar auch die Erinnerungskultur.

Als ein makabres Beispiel mit sehr aktuellen Konnotationen zur Lage Griechenlands lässt sich Manolis Glezos anführen. Er war Präsident des Nationalrats für die Entschädigungsforderungen Griechenlands an Deutschland, bis Juli 2015 ältester Abgeordneter des Europaparlaments und zuletzt auf Konfrontationskurs zu seinem Parteifreund Tsipras. Als junger Student hatte er zusammen mit einem Kommilitonen in der Nacht zum 31. Mai 1941 die Hakenkreuzfahne von der Akropolis geholt und damit ein Fanal für den Widerstand gesetzt. Er entging zwar der Erschießung durch die Deutschen, aber in den 1950er Jahren war er mehrfach inhaftiert wegen angeblicher Spionage oder Mitgliedschaft in der (zu dieser Zeit illegalen) Kommunistischen Partei. Ihn rettete schließlich eine weltweite Protestkampagne.

CHRISTOPH KLESSMANN

Chryssoula Kambas/Marilisa Mitsou (Herausgeberinnen): Die Okkupation Griechenlands im Zweiten Weltkrieg. Griechische und deutsche Erinnerungskultur. Böhlau Verlag, Köln 2015. 509 S., 59,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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