Die Pädagogin der glücklichen Kinder von Laura Baldini, eine Romanbiographie über die ungarische Kinderärztin Emmi Pikler, ist nach „Aspergers Schüler“ und „Lehrerin einer neuen Zeit“ das dritte Buch der Autorin, das ich gelesen habe.
Budapest, 1920: Emmi Reich, 18, darf aufgrund ihrer jüdischen
Abstammung nicht in Ungarn studieren. Da ihre Mutter ursprünglich aus Wien kommt, schreibt sie sich an…mehrDie Pädagogin der glücklichen Kinder von Laura Baldini, eine Romanbiographie über die ungarische Kinderärztin Emmi Pikler, ist nach „Aspergers Schüler“ und „Lehrerin einer neuen Zeit“ das dritte Buch der Autorin, das ich gelesen habe.
Budapest, 1920: Emmi Reich, 18, darf aufgrund ihrer jüdischen Abstammung nicht in Ungarn studieren. Da ihre Mutter ursprünglich aus Wien kommt, schreibt sie sich an der dortigen medizinischen Fakultät ein. Sie wohnt bei Tante Poldi, einer Cousine ihrer verstorbenen Mutter. Poldi hat keine Kinder und kümmert sich liebevoll um die junge Studentin.
Emmi lernt György Pikler, einen jungen ungarischen Lehrer kennen, die beiden verlieben sich ineinander und führen einige Jahre eine Fernbeziehung, während Emmi in Wien studiert und György in Triest und Budapest unterrichtet. Während ihrer pädiatrischen Fachausbildung an der Wiener Universitäts-Kinderklinik arbeitet sie mit Clemens von Pirquet und Hans Salzer zusammen. Emmi bewundert die beiden erfahrenen Kinderärzte, die ganz anders als damals üblich mit den Kindern umgehen. Sie erklären ihnen, warum und wie sie untersucht werden, die Kinder dürfen sogar das Stethoskop in die Hand nehmen. Die Untersuchungsräume sehen nicht wie Krankenzimmer aus, da auch die Atmosphäre dazu beitragen soll, dass sich die kleinen Patient*Innen wohl fühlen.
Emmi stellt fest, dass Kinder, die viel draußen herumtoben, viel gesünder sind, als diejenigen, die viel zuhause sind und von ihren Kindermädchen in Watte gepackt werden.
Nach ihrer Heirat lassen sich die Piklers in Budapest nieder und zunächst widmet Emmi sich ganz der Erziehung ihrer Tochter Anna. Sie lässt ihr die Zeit, die sie für ihre motorische und kognitive Entwicklung braucht. „Wer nie auf einen Baum klettern darf, weiß nicht, wie hoch er klettern kann, bevor es gefährlich wird. Ein Kind, das klettern darf, erfährt, wie dick Äste sind, die knacksen und im schlimmsten Fall auch brechen. Es lernt nicht nur, den eigenen Körper zu beherrschen, sondern merkt auch, wie ein Baum beschaffen ist. Wenn es von seinen Erlebnissen erzählt, lernt es im Idealfall auch Wörter zu den Erfahrungen.“ (S. 74)
Sie arbeitet in Budapest als Kinderärztin und betreut Familien, die sie regelmäßig zu Hause besucht. Die Mütter protokollieren die Entwicklung ihrer Kinder und tragen in einer Tabelle deren Mahlzeiten, Stuhlgang und neue Errungenschaften ein. Emmi hält Vorträge über die Pflege und Erziehung von Säuglingen und Kleinkindern und schreibt ein Buch mit dem Titel „Mit tud mar a baba?“ (Was kann mein Baby schon?)
Emmis Leben und Tätigkeit werden von dem auch in Ungarn vorherrschenden Nationalsozialismus und dem einhergehenden Judenhass überschattet. 1936 wird György aufgrund seiner kommunistischen Gesinnung verhaftet. Er bleibt bis 1945 im Gefängnis.
Laura Baldini hat einen flüssigen und emotionalen Schreibstil, ich lese ihre Bücher sehr gern und freue mich darüber, dank ihrer hervorragenden Recherche so viel Interessantes über Emmi Pikler erfahren zu haben. Piklers Ideen, die damals revolutionär waren, werden heute von Eltern, Pädagog*Innen und Mediziner*Innen in der ganzen Welt angewandt und umgesetzt. Aus der Reihe „Bedeutende Frauen, die die Welt verändern" möchte ich auf jeden Fall noch mehr Bücher lesen.