Die Finanzmärkte stehen spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ganz im Zeichen inflationärer Tendenzen. Vor allem die Reaktionen der Zentralbanken führen nun dazu, dass der zentrale Parameter des globalen Finanzmarktes starken Änderungen unterworfen wird: der risikolose Zins. Dieser beeinflusst nicht nur Bewertungsmodelle, Risikoberechnungen und künftige Kapitalflüsse im Allgemeinen. Er beeinflusst auch direkt den Marktwert aller gehandelten Finanzinstrumente, inklusive aller Arten von Sachwerten, Kryptowährungen oder Kunstobjekte. Zunehmende Marktverwerfungen und nach wie vor niedrige Risikoprämien in traditionellen Marktsegmenten sprechen für alternative Risikoprämien, die vor allem mit Hilfe von aktiven Managementmethoden vereinnahmt werden können. Hier haben sich neue Möglichkeiten entwickelt, denen in Zukunft ein breiterer Raum im Portfolio institutioneller Investoren eingeräumt werden sollte.
Jochen Felsenheimer zeigt, wie die Entwicklungen der letzten Jahre an den Grundpfeilern der Portfoliotheorie rütteln. Die Aktivität der Notenbanken an den Anleihemärkten lässt den Schluss zu, dass die dominanten Investoren nicht nach Risiko-Return-Optimierung streben. Konzertierte Aktionen, wie zum Beispiel bei der GameStop-Aktie wiederum sprechen gegen die Annahme der Informationseffizienz und der Siegeszug passiver Investmentanbieter lässt vermuten, dass die Struktur der Finanzmärkte Oligopol-artige Formen annimmt.
Jochen Felsenheimer stellt die Frage: Wenn also die Grundannahmen der Portfoliotheorie angesichts der jüngsten Entwicklungen als obsolet angesehen werden müssen, müssen nicht auch die klassischen Portfoliokonzepte in Frage gestellt werden? In diesem Umfeld entfällt die ökonomische Rechtfertigung für passive Indexinvestments, die dominierende Anlagestrategie der letzten Dekade. Und es spricht für die Notwendigkeit alternativer Methoden zur Bewertung von Investments und zur Konstruktion effizienter Portfolien. Das beginnt mit neuen Konzepten hinsichtlich der Risiko- und Return-Parameter und endet mit der Frage nach der Korrelation verschiedener Investments. In jedem Fall bedeutet es ein Ende der klassischen Portfoliotheorie zugunsten alternativer Ansätze.
Jochen Felsenheimer zeigt, wie die Entwicklungen der letzten Jahre an den Grundpfeilern der Portfoliotheorie rütteln. Die Aktivität der Notenbanken an den Anleihemärkten lässt den Schluss zu, dass die dominanten Investoren nicht nach Risiko-Return-Optimierung streben. Konzertierte Aktionen, wie zum Beispiel bei der GameStop-Aktie wiederum sprechen gegen die Annahme der Informationseffizienz und der Siegeszug passiver Investmentanbieter lässt vermuten, dass die Struktur der Finanzmärkte Oligopol-artige Formen annimmt.
Jochen Felsenheimer stellt die Frage: Wenn also die Grundannahmen der Portfoliotheorie angesichts der jüngsten Entwicklungen als obsolet angesehen werden müssen, müssen nicht auch die klassischen Portfoliokonzepte in Frage gestellt werden? In diesem Umfeld entfällt die ökonomische Rechtfertigung für passive Indexinvestments, die dominierende Anlagestrategie der letzten Dekade. Und es spricht für die Notwendigkeit alternativer Methoden zur Bewertung von Investments und zur Konstruktion effizienter Portfolien. Das beginnt mit neuen Konzepten hinsichtlich der Risiko- und Return-Parameter und endet mit der Frage nach der Korrelation verschiedener Investments. In jedem Fall bedeutet es ein Ende der klassischen Portfoliotheorie zugunsten alternativer Ansätze.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2024Märkte im staatlichen Würgegriff
Eine Kritik an der modernen Portfoliotheorie
Vor wenigen Monaten starb mit dem amerikanischen Ökonomen Harry Markowitz der Vater der modernen Portfoliotheorie, die seit Jahrzehnten das Denken und Handeln vieler Teilnehmer an den Kapitalmärkten prägt. In dieser Theorie trifft ein rationaler und risikoscheuer Anleger in einer Welt vollständiger Information und an vollkommenen Kapitalmärkten seine Entscheidungen allein auf der Grundlage einer an Rendite und Risiko ausgerichteten Abwägung. Wie jede ökonomische Theorie beruht die moderne Portfoliotheorie auf Vereinfachungen; wohl niemand ihrer Vertreter denkt ernsthaft, dass die reale Welt exakt den idealtypischen Annahmen der Theorie gleicht. Aber als für eine erfolgreiche Kapitalanlage ausreichende Annäherung an die reale Welt hat sich die moderne Portfoliotheorie in den Augen zahlreicher Theoretiker und Praktiker bewährt.
Jochen Felsenheimer äußert in seinem neuen Buch erhebliche Zweifel an dieser Ansicht. Der Titel "Die Portfolio-Revolution. Das Ende der klassischen Portfoliotheorie" kommt wohl aus Gründen der Verkaufsförderung allzu wuchtig daher. Vielmehr besitzt Felsenheimer erheblichen Respekt vor diesem Monument des kapitalmarktorientierten Denkens, und er erwartet keineswegs den baldigen Untergang der Theorie. Aber er sieht ihre Grundlagen durch Veränderungen der Welt so weit erodiert, dass er ihr zumindest die Allgemeingültigkeit abspricht.
Felsenheimer besitzt als Gründer, Geschäftsführer und Portfoliomanager der Münchener Investmentboutique XAIA Investments erhebliche praktische Erfahrung mit aktiven Anlagestrategien. Insofern trifft sich seine Kritik an der Portfoliotheorie sehr wohl mit der geschäftlichen Ausrichtung seines Unternehmens. Allein als eine in diesem Sinne interessengeleitete Kritik an der Portfoliotheorie sollte sein Buch aber nicht gelesen werden. Felsenheimer ist, durch Fachveröffentlichung gestützt, als ein exquisiter Ökonom bekannt, der sehr gute Kenntnisse der Volkswirtschaftslehre und der Finanztheorie aufweist.
"Wenn während der letzten Jahrzehnte persistente und strukturelle Veränderungen an den Finanzmärkten stattgefunden haben, hat das unausweichlich auch Auswirkungen auf die Preismechanismen an den Finanzmärkten", schreibt er. "Vor diesem Hintergrund müssen die Annahmen und Modelle der Kapitalmarkttheorie im Allgemeinen in Frage gestellt werden." Dies gelte besonders für die moderne Portfoliotheorie. Felsenheimer betrachtet Finanzkrisen als "ein inhärentes Phänomen" an den Finanzmärkten. In Finanzkrisen stehe aber nicht die Analyse der ursächlichen Mechanismen im Mittelpunkt, sondern die Diskussion über politische Aktionen zur Bekämpfung der Krise. Daher müssten "die Rollen des Staates, aber auch der Zentralbanken neu interpretiert werden. Viel grundsätzlicher haben wir es mit einer sich entwickelnden Marktstruktur zu tun, die Auswirkungen auf die zentralen Preismechanismen an den Finanzmärkten mit sich bringt. Hier spielen viele neuartige Phänomene eine Rolle: soziale Netzwerke genauso wie der Hype um passive Indexinvestments oder Regeln zum nachhaltigen Investieren."
Der Marktwirtschaftler Felsenheimer sieht nicht zuletzt in persistenten staatlichen Eingriffen die wesentliche Ursache für seine Zweifel an der auf der Grundlage eines Modells perfekter Märkte konzipierten Portfoliotheorie. "Märkte erfüllen in den seltensten Fällen das Kriterium des vollständigen Wettbewerbs", konstatiert der Autor. "Es gibt zahlreiche Beschränkungen durch regulatorische Vorschriften, direkte Eingriffe in den Preismechanismus und damit in die Gleichgewichte der Finanzmärkte durch den Staat oder einfach das Verbot, bestimmte Geschäfte auszuführen (Leerverkaufsverbot)."
Die Annahme der Portfoliotheorie, Anleger verhielten sich rational im Sinne der Theorie, betrachtet Felsenheimer heutzutage als besonders wirklichkeitsfremd. "Wenn Zentralbanken zu dominanten Marktteilnehmern aufsteigen, dann kann die Preisbildung an den Märkten nicht aufgrund einer reinen Ertrags/Risiko-Perspektive betrachtet werden", kritisiert der Autor, der darin aber nur ein Beispiel für seine These sieht: "Auch viele Versicherungen und Banken müssen zur Umsetzung regulatorischer Anforderungen spezifische Wertpapiere (Staatsanleihen) kaufen - diese Käufe sind also nicht alleine durch den Preis dieser Wertpapiere determiniert." Etwas überspitzt formuliert, seien wenig regulierte Hedgefonds die letzten verbliebenen Anleger, die dem Prinzip des Handelns nach rein ökonomischen Kriterien noch am nächsten kämen.
Die zahlreichen Beschränkungen der freien Preisbildung an den Finanzmärkten führen nach Felsenheimers Überzeugung zu Marktanomalien und Opportunitäten, die sich mit den aus der modernen Portfoliotheorie abgeleiteten, zu einer Nivellierung der Renditen führenden Strategien nicht ausnutzen lassen. Das von ihm vertretene "diskretionäre Portfoliomanagement" will weniger exotische Marktsegmente erschließen, sondern mit Derivaten - und hier besonders Kreditderivaten - "neue Auszahlungsprofile" erschließen. Wer glaubt, der Weg zum Anlageerfolg werde auf diese Weise einfach, täuscht sich jedoch. Felsenheimer verschweigt keineswegs die nicht geringen Schwierigkeiten und Nachteile solcher Strategien. GERALD BRAUNBERGER
Jochen Felsenheimer: Die Portfolio- Revolution. Das Ende der klassischen Portfoliotheorie. Wiley-VCH, Weinheim 2024, 256 Seiten, 34 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Kritik an der modernen Portfoliotheorie
Vor wenigen Monaten starb mit dem amerikanischen Ökonomen Harry Markowitz der Vater der modernen Portfoliotheorie, die seit Jahrzehnten das Denken und Handeln vieler Teilnehmer an den Kapitalmärkten prägt. In dieser Theorie trifft ein rationaler und risikoscheuer Anleger in einer Welt vollständiger Information und an vollkommenen Kapitalmärkten seine Entscheidungen allein auf der Grundlage einer an Rendite und Risiko ausgerichteten Abwägung. Wie jede ökonomische Theorie beruht die moderne Portfoliotheorie auf Vereinfachungen; wohl niemand ihrer Vertreter denkt ernsthaft, dass die reale Welt exakt den idealtypischen Annahmen der Theorie gleicht. Aber als für eine erfolgreiche Kapitalanlage ausreichende Annäherung an die reale Welt hat sich die moderne Portfoliotheorie in den Augen zahlreicher Theoretiker und Praktiker bewährt.
Jochen Felsenheimer äußert in seinem neuen Buch erhebliche Zweifel an dieser Ansicht. Der Titel "Die Portfolio-Revolution. Das Ende der klassischen Portfoliotheorie" kommt wohl aus Gründen der Verkaufsförderung allzu wuchtig daher. Vielmehr besitzt Felsenheimer erheblichen Respekt vor diesem Monument des kapitalmarktorientierten Denkens, und er erwartet keineswegs den baldigen Untergang der Theorie. Aber er sieht ihre Grundlagen durch Veränderungen der Welt so weit erodiert, dass er ihr zumindest die Allgemeingültigkeit abspricht.
Felsenheimer besitzt als Gründer, Geschäftsführer und Portfoliomanager der Münchener Investmentboutique XAIA Investments erhebliche praktische Erfahrung mit aktiven Anlagestrategien. Insofern trifft sich seine Kritik an der Portfoliotheorie sehr wohl mit der geschäftlichen Ausrichtung seines Unternehmens. Allein als eine in diesem Sinne interessengeleitete Kritik an der Portfoliotheorie sollte sein Buch aber nicht gelesen werden. Felsenheimer ist, durch Fachveröffentlichung gestützt, als ein exquisiter Ökonom bekannt, der sehr gute Kenntnisse der Volkswirtschaftslehre und der Finanztheorie aufweist.
"Wenn während der letzten Jahrzehnte persistente und strukturelle Veränderungen an den Finanzmärkten stattgefunden haben, hat das unausweichlich auch Auswirkungen auf die Preismechanismen an den Finanzmärkten", schreibt er. "Vor diesem Hintergrund müssen die Annahmen und Modelle der Kapitalmarkttheorie im Allgemeinen in Frage gestellt werden." Dies gelte besonders für die moderne Portfoliotheorie. Felsenheimer betrachtet Finanzkrisen als "ein inhärentes Phänomen" an den Finanzmärkten. In Finanzkrisen stehe aber nicht die Analyse der ursächlichen Mechanismen im Mittelpunkt, sondern die Diskussion über politische Aktionen zur Bekämpfung der Krise. Daher müssten "die Rollen des Staates, aber auch der Zentralbanken neu interpretiert werden. Viel grundsätzlicher haben wir es mit einer sich entwickelnden Marktstruktur zu tun, die Auswirkungen auf die zentralen Preismechanismen an den Finanzmärkten mit sich bringt. Hier spielen viele neuartige Phänomene eine Rolle: soziale Netzwerke genauso wie der Hype um passive Indexinvestments oder Regeln zum nachhaltigen Investieren."
Der Marktwirtschaftler Felsenheimer sieht nicht zuletzt in persistenten staatlichen Eingriffen die wesentliche Ursache für seine Zweifel an der auf der Grundlage eines Modells perfekter Märkte konzipierten Portfoliotheorie. "Märkte erfüllen in den seltensten Fällen das Kriterium des vollständigen Wettbewerbs", konstatiert der Autor. "Es gibt zahlreiche Beschränkungen durch regulatorische Vorschriften, direkte Eingriffe in den Preismechanismus und damit in die Gleichgewichte der Finanzmärkte durch den Staat oder einfach das Verbot, bestimmte Geschäfte auszuführen (Leerverkaufsverbot)."
Die Annahme der Portfoliotheorie, Anleger verhielten sich rational im Sinne der Theorie, betrachtet Felsenheimer heutzutage als besonders wirklichkeitsfremd. "Wenn Zentralbanken zu dominanten Marktteilnehmern aufsteigen, dann kann die Preisbildung an den Märkten nicht aufgrund einer reinen Ertrags/Risiko-Perspektive betrachtet werden", kritisiert der Autor, der darin aber nur ein Beispiel für seine These sieht: "Auch viele Versicherungen und Banken müssen zur Umsetzung regulatorischer Anforderungen spezifische Wertpapiere (Staatsanleihen) kaufen - diese Käufe sind also nicht alleine durch den Preis dieser Wertpapiere determiniert." Etwas überspitzt formuliert, seien wenig regulierte Hedgefonds die letzten verbliebenen Anleger, die dem Prinzip des Handelns nach rein ökonomischen Kriterien noch am nächsten kämen.
Die zahlreichen Beschränkungen der freien Preisbildung an den Finanzmärkten führen nach Felsenheimers Überzeugung zu Marktanomalien und Opportunitäten, die sich mit den aus der modernen Portfoliotheorie abgeleiteten, zu einer Nivellierung der Renditen führenden Strategien nicht ausnutzen lassen. Das von ihm vertretene "diskretionäre Portfoliomanagement" will weniger exotische Marktsegmente erschließen, sondern mit Derivaten - und hier besonders Kreditderivaten - "neue Auszahlungsprofile" erschließen. Wer glaubt, der Weg zum Anlageerfolg werde auf diese Weise einfach, täuscht sich jedoch. Felsenheimer verschweigt keineswegs die nicht geringen Schwierigkeiten und Nachteile solcher Strategien. GERALD BRAUNBERGER
Jochen Felsenheimer: Die Portfolio- Revolution. Das Ende der klassischen Portfoliotheorie. Wiley-VCH, Weinheim 2024, 256 Seiten, 34 Euro.
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