Studienarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Germanistisches Institut), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Untersuchung des Entwicklungsgangs zweier Protagonisten aus der Ära des Realismus gewinnt ihre Reizfläche nicht zuletzt dadurch, dass das restringierte Menschenbild der Epoche anhand des individuellen Reifeprozesses analysiert werden kann - beobachtet wird also die literarische Ontogenese jenes Subjekts, das am Ende seiner Lehrzeit sämtliche Prinzipien und Wertvorstellungen der realistischen Autoren teilt und vertritt. Die Wahl ist dabei aus verschiedenen Gründen auf Gustav Freytag und Adalbert Stifter respektive zwei ihrer bekanntesten Romane gefallen. Soll und Haben von Freytag aus dem Jahr 1855 folgte nur zwei Jahre später Stifters Nachsommer. Beide Protagonisten teilen sich das Schicksal, von der zeitgenössischen Leserschaft durch immense Auflagenzahlen zunächst massenhaft konsumiert worden zu sein, ehe sie im Zug der politischen wie kulturellen Zäsur nach dem zweiten Weltkrieg annähernd in Vergessenheit gerieten. Besonders Freytags einstiger Ruhm als Bestseller ist heute nicht verblasst, sondern verschwunden. Dafür kann man die Entnazifizierungswelle auch der Kulturgüter verantwortlich machen, die in Soll und Haben - sicherlich zutreffend - eine antisemitische Grundhaltung ausmachte und seine etwa hundertjährige Publikationserfolge jäh beendete. Der Nachsommer hingegen wurde nie aus politischen Motiven aus dem Literaturkanon gestrichen- dafür fehlt es schlicht an jeglichen werkinternen nationalen oder politischen Verweisen und Stellungnahmen. Stifters Roman hat darüber hinaus sogar "[...] in breiter Fächerung auch bei vielen Schriftstellern [...]" Eingang in den Kreis der Er- und Gelesenen gefunden, wie Peter Baumer anhand zahlreicher Bezüge nachweisen kann. Peter Handke stellte sich in den 60er Jahren in die Traditionslinie nach Stifter, der nach Handkes Lesart als einer der ersten Schriftsteller die Referenzproblematik der Sprache erfasst hätte. Doch Stifters Prosa - zumal den Romanen Nachsommer und Wittiko - hängt seit jeher auch das Attribut der Lageweile an. Wiesmüller etwa erinnert in seinem Sammelband zum 200. Geburtstag des Dichters daran, dass es "[...] weiterhin Vorbehalte [gebe], die an die zeitgenössischen Kritiker Stifters erinnern [...]" , sich an der ermüdenden Lektüreerfahrung folglich wenig verändert habe.
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