Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
S. A. Cosbys nächster Streich - "Die Rache der Väter"
Ike "Riot" Randolph hat sein Gangsterleben lange hinter sich gelassen, als wieder einmal die Polizei schlechte Nachrichten bringt: Sein Sohn und dessen Ehemann sind tot, ermordet. Sie hinterlassen eine kleine Tochter, einen vor Angst gelähmten Freundeskreis - und zwei Väter mit heftigen Schuldgefühlen. Der Schwarze Gärtnereibesitzer Ike und der weiße Alkoholiker Buddy Lee Jenkins haben die Hochzeit ihrer Söhne verpasst, sie treffen sich erstmals bei der Beerdigung.
Weil die Polizei bei der Aufklärung des Falls kaum vorankommt, beschließen sie, selbst ein bisschen rumzuschnüffeln, aber natürlich bleibt es nicht dabei. "Ike hatte keine Angst, sich die Hände schmutzig zu machen", schreibt S. A. Cosby in "Die Rache der Väter". "Er hatte keine Angst, Blut zu vergießen. Er hatte Angst, nicht mehr damit aufhören zu können." Es leuchtet schon ein, warum ein Teil der amerikanischen Leserschaft diese Odyssee mit Einsprengseln der Buddykomödie bei Erscheinen für problematisch hielt: Queere Figuren müssen darin als quasi personifizierte MacGuffins all diese körperliche und psychische Gewalt erleiden, damit zwei alte Männer schließlich die basale Erkenntnis erlangen, dass queeren Menschen grundlegende Menschenrechte zustehen und Liebe Liebe ist.
Aber es ist nun auch nicht so, als würde S. A. Cosby seine Protagonisten als coole Helden feiern (wenn sie einem mit fortschreitender Lektüre auch zunehmend ans Herz wachsen). Was müssen die beiden selbst an Schmerzen durchmachen, einstecken und austeilen, um an diesen Punkt zu kommen: Ike und Buddy Lee schlagen eine Schneise der Gewalt durch das ländliche Virginia, und Cosby rollt diese Exzesse wie Sam Peckinpah in seinem Film "The Wild Bunch" in allen Einzelheiten aus, kreiert damit einen hyperrealistischen Zeitlupeneffekt.
"Razorblade Tears" heißt "Die Rache der Väter" im Original, Rasiermessertränen also; die wesentlich elegantere Alternative zum deutschen Titel, auch wenn die Vaterschaft hier natürlich den thematischen roten Faden bildet. Zunächst springen die Kapitel noch zwischen den Hintergrundgeschichten hin und her, analysieren im Rückblick zwei emotional belastete Vater-Sohn-Beziehungen, aber sobald Ike und Buddy Lee einmal zusammenhängen, gibt es kein Zurück mehr. Ganz langsam wächst so etwas wie Freundschaft, und gleichzeitig setzt ein Lernprozess ein: Sie beginnen über den Tellerrand zu schauen, ihre Trauer in Worte zu fassen, die Schuldgefühle und Unsicherheiten, bereuen bitterlich ihr Unverständnis für die Lebensentscheidungen ihrer Söhne.
Schade, dass sich an diesen Stellen auch die Schwächen von "Die Rache der Väter" verbergen, wenn Cosby es mit dem woken Sinneswandel eine Spur übertreibt und nur wenige Tage zwischen verstockter Ignoranz und völlig aus der Rolle fallendem Dozieren über Schwulenhass und systemischen Rassismus liegen. Der Autor, der den internationalen Durchbruch mit Südstaaten-Noir "Blacktop Wasteland" (F.A.Z. vom 2. August 2021) schaffte, entstammt selbst dem ländlichen, ärmlichen Südosten von Virginia, er kennt die beschriebenen Milieus, die Trump-Schilder in den Vorgärten.
Dazu die Homophobie in der Schwarzen Community, die Empfänglichkeit für Verschwörungserzählungen, deren Denkmuster er in einem eigenen Spin auf die klassische Barbershop-Szene offenlegt, einem Standard der afroamerikanischen Popkultur. Cosby geht hart mit seinen Figuren ins Gericht, aber er bringt auch tiefes Verständnis für alle Seiten auf. Buddy Lees Ex-Frau Christine taucht nur am Rande auf, aber sie rechtfertigt erstaunlich hellsichtig, wieso sie den Kontakt zu ihrem Sohn abgebrochen hat: "Was er getan hat, war falsch. Das muss ich glauben. Denn wenn ich es nicht tue, war alles, was ich getan habe, ein Fehler." KATRIN DOERKSEN
S. A. Cosby: "Die Rache der Väter". Roman.
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger.
Ars Vivendi Verlag, Cadolzburg 2022.
350 S., geb.,
24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH