Studienarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Philosophie - Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprache: Deutsch, Abstract: Es ist eine aus der Schulmathematik bekannte Tatsache, dass man aus drei beliebigen Angaben über ein Dreieck – seien es Längenangaben, Winkel oder der Flächeninhalt – (fast) alle anderen Maße berechnen kann. Philosophisch ist daran zunächst nichts erstaunlich. Anders ist es, wenn man diese Berechnung an einem beliebigen dreieckigen Objekt in der realen Welt anstellt. Man kann durch reines Denken die meisten Maße eines realen Dreiecks berechnen, wenn man nur drei Maße nachgemessen hat. Die angewandten Berechnungsmethoden sind nicht durch Induktion erworben, sondern Teil eines rein apriorischen, auf Axiomen beruhenden mathematischen Systems, das völlig unabhängig von der Außenwelt erkannt und angewandt werden kann. Wie kann man mit reinem Denken völlig sichere und notwendige Aussagen über die Außenwelt treffen? Dies ist eine Frage, die durchaus philosophische Reflexion zulässt oder sogar erfordert. Immanuel Kant hat dieses Problem gesehen und in dem Abschnitt über die Transzendentale Ästhetik in seinem Hauptwerk, der Kritik der reinen Vernunft, eine Lösung vorgeschlagen. Der Raum, auf dessen Anschauung die geometrischen Grundsätze beruhen, ist in Kants Augen, neben der Zeit, eine reine Anschauungsform. Wie der Begriff schon andeutet, steht die reine Anschauung zwischen dem reinen, apriorischen Verstand, und dem Empirischen, dem anschaulich Gegebenen; sie ist, in den Worten von Clemens Thaer, „nicht Verstand und nicht volle Sinnlichkeit“. Der Raum ist nichts den Dingen an sich Anhängendes, sondern liegt in uns, und dient zur Strukturierung und Ordnung der Sinneswahrnehmungen. Zugleich ist der Raum die Grundlage der geometrischen Grundsätze. Durch diese Mittlerposition des Raumes ist es verständlich, wie aus reinem Denken gewonnene geometrische Sätze auf die Außenwelt anwendbar sind, und dabei auch noch zu notwendig sicheren Ergebnissen führen. Die Frage ist, ob der Begriff der reinen Anschauung an sich schlüssig ist. Wie begründet Kant die Möglichkeit eines solchen Konzepts, das ja auf den ersten Blick als Paradoxie erscheint? Und welche Probleme ergeben sich bei genauerer Analyse seiner Argumente? Das sind die Fragen, denen in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden soll. Selbstverständlich kann dabei nicht einmal im Ansatz Vollständigkeit angestrebt werden, deshalb soll sich lediglich auf einige Einzelprobleme konzentriert werden.