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Das fünfzehnte Jahr: Henning Mankells letztes Buch über Joel
Drei große und drei kleine Kartoffeln hat Joel immer abgezählt und in den Topf gelegt, wenn er das Abendessen gekocht hat. Die kleinen waren für ihn und die großen für Papa Samuel, den Waldarbeiter. So war das, als er elf war, im ersten Band. Joel, der "seine eigene Mama sein muss", wie er es selbst in traurigen Momenten ausdrückt: ein Junge mit seinem Vater in den fünfziger Jahren in Schweden, hoch im Norden, wo es auch im Juni noch schneien kann. Mit ein Grund, warum die Mutter eines Tages, als Joel noch klein war, einfach fortging. Der vierte und letzte Band erzählt von dem Jahr, in dem Joel fünfzehn wird - und jetzt ist es wohl umgekehrt mit den Kartoffelportionen; falls Papa Samuel überhaupt etwas isst.
Henning Mankell ist in letzter Zeit mit seinen Kriminalromanen bei uns ein bekannter Autor geworden. Seine Geschichten um Joel sind immer eher ein Geheimtipp gewesen, vielleicht, weil in ihnen viel mehr Herz und Wärme ist. Joel ist wortkarg und gedankenvoll, ein Junge, der oft unsicher ist, aber mit der Zeit ein Gespür entwickelt, das ihm in entscheidenden Momenten sagt: Hier stimmt etwas nicht, oder: So ist es richtig. Und der dann recht unvermittelt handeln kann. Äußerlich führt er ein ereignisarmes Leben neben seinem Vater Samuel, der auch ziemlich eigenwillig ist. In sich fühlt er eine große Sehnsucht: nach Abenteuern, nach seiner Mama Jenny, die wer weiß wo ist.
Henning Mankell schreibt über dieses etwas schwergängige Leben, in dem es immer Winter zu sein scheint, mit großer melancholischer Zuneigung. In knappen Hauptsätzen, schnörkellos und ohne jedes Zuviel an Erklärung gibt er die Atmosphäre zwischen Vater und Sohn wieder, das gewohnte Hin und Her weniger Worte beim Kartoffelschälen und Kaffee-Aufsetzen. Als der Brief kommt, der Nachricht von Mama Jenny bringt, lässt Joel die Blutwurst anbrennen.
Die Nachricht reißt die beiden aus ihrem abgelegenen Provinznest, hinein in einen Zug, der nach Stockholm fast zwei Tage braucht. Joel zerrt seinen Vater geradezu durch die Stadt, wütend stellt er fest, dass Samuel es plötzlich nicht mehr so eilig hat, Jenny wiederzufinden, und auch zu den großen Frachtschiffen zieht es ihn nicht. Dabei wollten sie doch zusammen zur See fahren, nun, da er mit der Schule fertig ist. Hier in Stockholm, in seinem fünfzehnten Jahr, wird Joel plötzlich erwachsen, muss es sein, weil Samuel erkrankt. Für einen Moment kehrt er in seine Kindheit zurück, als sich seine Eltern begegnen und sofort streiten. "Und ich?", fragt er wie ein Fünfjähriger. Dann ist er wieder ein junger Mann, der seine Entscheidungen trifft.
Am Ende schließt sich der Kreis. "Ich liege hier und denke", sagt Samuel, als er schon sehr krank ist, und erzählt Joel von seiner Vorstellung, ihr Haus sei ein Schiff, das bald die Anker lichtet. Genau das hatte sich Joel früher auch immer ausgemalt: das Haus als Schiff, das ans Ende der Welt fährt. Für Samuel ist die Welt zu Ende. Joel wird Seemann und lichtet die Anker. Er wird uns fehlen.
MONIKA OSBERGHAUS
Henning Mankell: "Die Reise ans Ende der Welt". Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch. Oetinger Verlag, Hamburg 1999. 191 S., geb., 19,80 DM. Ab 12 J.
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"Diese Bücher haben eine Kraft wie ein unablässig saugender Strudel. Weil Mankell sich meisterhaft darauf versteht, Spannung im Inneren seiner Helden aufzubauen." (Die Welt)
"Dass Autoren Kriminal- und zugleich Jugendliteratur verfassen, ist gar nicht so selten. Dass einer beide Felder auf gleich hohem Niveau zu beackern vermag, schon seltener. Henning Mankell beweist jedoch in diesen Gattungen eine Klasse, bei der das Urteil ›herausragend‹ wirklich Sinn macht." (Der Tagesspiegel)
"Mankell hat etwas zu sagen, kann erzählen und findet aufs immer Neue eine einfache, dabei alles andere als simple literarische Sprache, die bestechend schön ist und sofort eine dichte, den Leser in ihren Bann ziehende Atmosphäre schafft." (DeutschlandRadio)