Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Diese unzivilisierten Barbaren: Zwei Bände widmen sich auf unterhaltsame Weise der griechischen und römischen Kunst.
Archäologie, so denken viele an der griechischen und römischen Antike Interessierte, ist in erster Linie Ausgrabungswissenschaft. Insbesondere das Fernsehen verbreitet diese Vorstellung, denn für dieses Medium sind Anschaulichkeit und Novität oberste Kriterien für die Auswahl der Stoffe. Die Popularität einer auf Anschaulichkeit ausgerichteten Archäologie hat längst auch Rückwirkungen auf den Forschungsbetrieb, nicht zuletzt an den Universitäten. Feldforschung und alles, was damit zusammenhängt, lässt sich gut für die allseits geforderte Drittmitteleinwerbung einsetzen und erlaubt eine öffentlichkeitswirksame Präsentation, gleich wie hoch die wissenschaftliche Relevanz ist.
Von dieser Zeiterscheinung ihres Faches, der Klassischen Archäologie, sind Tonio Hölscher und Paul Zanker gänzlich unberührt, obwohl auch sie mit den beiden kompakten Bänden der Serie "Kunstepochen" aus der Reihe "Wissen" des Beck-Verlags ein Publikum nicht nur innerhalb der akademischen Welt ansprechen wollen. Die Inhaltsverzeichnisse zeigen, dass hier der Anspruch besteht, zentrale Aspekte der griechischen und römischen Kunst in dichter Darstellung zugänglich zu machen. Die Gliederung folgt im Wesentlichen jeweils der konventionellen Epocheneinteilung, von der archaischen zur hellenistischen Zeit und von der Republik zur Kaiserzeit bis an den Übergang zur christlich bestimmten Spätantike. Und doch haben auch Hölscher und Zanker eine eigene und sehr dezidierte Perspektive auf ihren Gegenstand. Von "Kunst" ist ausdrücklich nicht oft die Rede, umso häufiger dafür von "Bildern". Für den Laien ist der hier angewandte erweiterte Bildbegriff, der im Grunde jede gestaltete Form umfasst, vom schlichten Ornament bis zur kolossalen Marmorstatue, ja im Grunde bis zum "Stadtbild" einer entwickelten urbanen Struktur, vielleicht noch etwas gewöhnungsbedürftig. In der wissenschaftlichen Praxis ist er dagegen etabliert, mit der Konsequenz, dass die Erforschung der antiken Kunst zu einem Feld der historischen Bildwissenschaften wird.
Für die römische Kunst ist dies eine vertraute Betrachtungsweise. Ihr Kunstcharakter hat immer weniger interessiert als ihr Quellenwert für die Erschließung der politischen, gesellschaftlichen und mentalen Verhältnisse. Zanker fasst die neueren Erträge der Forschung in konziser Form zusammen; der Text ist, nicht anders als Hölschers Buch, auch ohne fachwissenschaftliche Vorkenntnisse gut verständlich. Zunächst geht es um die Bilderwelt der späten Republik und ihre treibenden Kräfte: Einerseits die umfassend rezipierte griechische Kunst, die die Formen der Denkmäler wesentlich bestimmte, andererseits die politische Konkurrenz der Aristokraten, aus der zu einem guten Teil die "Botschaft" der öffentlich aufgestellten Porträts und Denkmäler resultierte. In der Kaiserzeit sind es zwei andere Kategorien, die sich gegenüberstehen: hier die "Kaiserkunst", also die vom Kaiser selbst und mehr noch die für ihn in Auftrag gegebenen Werke, die meist Herrscherlob betreiben; dort die private Welt der mythologischen Darstellungen an den Wänden der Wohnhäuser und an den Sarkophagfronten in den Grabhäusern, die häufig die Wunschvorstellung eines von Pflichten und Sorgen befreiten Lebens visualisieren.
Anders als für die römische stellt für die griechische Welt die Betrachtung der Kunst als Bilderwelt eine unkonventionelle Sicht dar. "Die Welt der Griechen war voller Bilder" lautet denn auch der programmatische erste Satz des Eingangskapitels. Insbesondere für die archaische, aber auch für die klassische Epoche erscheinen die Statuen, Porträts und Vasenbilder als ein Mittel, das in erster Linie dazu dient, das Verhältnis der Individuen untereinander und des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft zu regeln. In den Bildern manifestieren sich Normen der Gesellschaft, sowohl im Positiven, zum Beispiel als Rollenbild des Bürgers, des Kriegers oder der Frau, wie auch im Negativen, etwa durch die Abgrenzung gegenüber normfernen Figuren wie den nach griechischen Maßstäben unzivilisierten "Barbaren". Konsequent das Zweckhafte der griechischen Kunst herauszustellen hat beinahe etwas Provozierendes - selbst der doch offenbar nach so etwas wie absoluter Kunst strebende Bildhauer Polyklet verkörpert nach Hölscher "Ideale der dorischen Aristokratie". Aber es bleibt bei dieser Sicht natürlich auch etwas auf der Strecke.
Phänomene wie die Entstehung der Großplastik, das fast obsessive Ringen der Vasenmaler, gleichsam zur Essenz ihres Mediums vorzudringen, oder die in der frühen Klassik entwickelte mimetische Darstellungsform als Symptom einer veränderten Weltsicht - all das findet nur am Rande Erwähnung. Erst für die Zeit des Hellenismus macht Hölscher die sinnliche Qualität der Werke und ihre geradezu physische Präsenz ausdrücklich zum Thema. Darum allerdings, dass die ästhetische Dimension der griechischen Kunst, ebendas also, was ihr immer die stärkste - und wie viele sagen würden: zu große - Bewunderung eingetragen hat, in der Forschung künftig ganz in den Hintergrund treten würde, muss man keine Sorge haben.
KLAUS JUNKER
Tonio Hölscher: "Die griechische Kunst". C. H. Beck Verlag, München 2007. 127 S., 73 Abb., br., 7,90 [Euro].
Paul Zanker: "Die römische Kunst". C. H. Beck Verlag, München 2007. 127 S., 82 Abb., br., 7,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH