„Die Rosa-Hellblau-Falle“, dieser Begriff ist so naheliegend für das gesellschaftliche Phänomen, in dem wir stecken: Der Sexismus, der alle Geschlechter einschränkt. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass erst das Autor*innen-Duo Almut Scherring und Sascha Verlan mit ihrem gleichnamigen Buch
von 2014 diesen Begriff geprägt haben. Ich habe in den letzten Jahren viel von den beiden gehört und…mehr„Die Rosa-Hellblau-Falle“, dieser Begriff ist so naheliegend für das gesellschaftliche Phänomen, in dem wir stecken: Der Sexismus, der alle Geschlechter einschränkt. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass erst das Autor*innen-Duo Almut Scherring und Sascha Verlan mit ihrem gleichnamigen Buch von 2014 diesen Begriff geprägt haben. Ich habe in den letzten Jahren viel von den beiden gehört und gelesen und bin nun auch endlich dazu gekommen, ihr Buch zu lesen.
Es sind eben nicht nur Farben, wie das Buch zeigt, sondern ganz bestimmte Rollenerwartungen, die damit verknüpft werden. Mädchen und Frauen sollen anschmiegsam sein, Jungs und Mädchen hart und stark. Und die Falle wirkt sich auf viele Bereiche aus: Ernährung und Über- bzw. Untergewicht, Adultismus von Kindern, Stringtangas und Push-up-BHs in Größe 116, ungerechte Bezahlung, Schulerfolg oder -misserfolg. Den Kindern wird da wenig Spielraum gelassen und im Klamottenladen kommt man auch als Eltern der Falle kaum aus. Andere Länder gehen da längst aktiv dagegen vor:
„In Norwegen gibt es bereits seit 1978 ein Verbot von geschlechtsdiskriminierender Werbung, auch in Irlang Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland, Kroatien, Griechenland, Portugal und Spanien. Doch für Deutschland ist keine gesetzliche Regelung in Aussicht.“
Das ist 2020 leider immer noch so. Im Werberat sitzen nicht mal Pädagogen oder Entwicklungspsychologen, so verwundert es nicht, dass mit „Ironie“ argumentiert wird. Aber wie sollen die 5-, 7- oder 11jährige Kinder dechiffrieren, wenn wir das als Erwachsene nicht immer schaffen? Das Autor*innen-Duo ist auch privat ein Paar und greift immer wieder auf ihre persönlichen Erfahrungen mit den drei Kindern zurück und zeigen damit, dass es eben nicht reicht, wenn man als Eltern bewusste Kaufentscheidungen trifft oder gegen diese Genderbilder ankämpft, wenn Marketing und Gesellschaft die immer gleichen rosa-hellblauen Bilder reproduzieren.
Das Buch bringt immer wieder Meinungen und Sätze aus der Hölle, wie vom Leiter eines international erfolgreichen Marktforschungsinstituts oder von einer Münchner Mutter, die ihre 5jährige Tochter bei einem Beautysalon speziell für Kinder angemeldet hat:
„Ich find’ das schön, dass man das auch mal gemeinsam machen kann und die Mädels an das Thema so sanft herangeführt werden, also sich zu pflegen und hübsch zu machen.“
Inhaltlich ist das Buch leider immer noch aktuell, manches hat sich aber sogar meiner Meinung nach seit 2014 noch verschärft. Die feministische Antithese „Germany’s next Topmodel“ wird zwar stark beleuchtet, Instagramer und Influencer aber noch kaum.
Das Sachbuch lässt sich schnell und unkompliziert lesen, obwohl die Autor*innen oftmals Bezug zur Forschung nehmen. Ihr toller Schreibstil macht auch immer wieder die Absurdität der Rosa-Hellblau-Falle deutlich. Lässt sich schnell lesen. Ich persönlich habe jetzt nicht so viel Neues mitgenommen – und das Buch dennoch sehr gerne gelesen.
Als Grundlagenwerk für das Thema Gendersensibilität vergebe ich 4,5 von 5 Sternen.