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Als er die Schauspielerin zum ersten Mal im Theaterzelt sieht, ist Cem nur der einfache Lehrling des Brunnenbauers Murat. Sie ist schön, ihr rotes Haar leuchtet wie Feuer. Je mehr der Lehrling sich zu der Rothaarigen hingezogen fühlt, desto mehr entfremdet er sich von Meister Murat, der für ihn wie ein Vater geworden war. Als ein schrecklicher Unfall passiert, flieht Cem nach Istanbul. Jahrzehnte später kehrt er an jenen Brunnen zurück, wo er etwas Ungeheures entdeckt. - Orhan Pamuk erzählt mit klassischer Wucht eine Geschichte von Vätern und Söhnen, von Liebe und Verrat, von Schuld und Sühne…mehr

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Produktbeschreibung
Als er die Schauspielerin zum ersten Mal im Theaterzelt sieht, ist Cem nur der einfache Lehrling des Brunnenbauers Murat. Sie ist schön, ihr rotes Haar leuchtet wie Feuer. Je mehr der Lehrling sich zu der Rothaarigen hingezogen fühlt, desto mehr entfremdet er sich von Meister Murat, der für ihn wie ein Vater geworden war. Als ein schrecklicher Unfall passiert, flieht Cem nach Istanbul. Jahrzehnte später kehrt er an jenen Brunnen zurück, wo er etwas Ungeheures entdeckt. - Orhan Pamuk erzählt mit klassischer Wucht eine Geschichte von Vätern und Söhnen, von Liebe und Verrat, von Schuld und Sühne in der Türkei, einem Land, das noch immer zwischen Tradition und Moderne zerrissen ist.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Orhan Pamuk, 1952 in Istanbul geboren, studierte Architektur und Journalismus. Für seine Werke erhielt er u. a. 2003 den Impac-Preis, 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2006 den Nobelpreis für Literatur. Auf Deutsch erschienen zuletzt Der Koffer meines Vaters (2010), Cevdet und seine Söhne (Roman, 2011), Der naive und der sentimentalische Romancier (2012), der Katalog Die Unschuld der Dinge. Das Museum der Unschuld in Istanbul (2012), Diese Fremdheit in mir (Roman, 2016), Die rothaarige Frau (Roman, 2017) und Istanbul (Erinnerungen und Bilder aus einer Stadt, 2018).
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Cem, ein erfolgreicher Bauingenieur, der eigentlich Schriftsteller werden wollte, wird als Kind vom Vater verlassen und wächst bei seiner Mutter in Istanbul auf. Als Teenager begegnet er Meister Mahmut, bei dem er als Brunnenbauer in die Lehre geht. Mahmut steht für die fest durch Tradition verwurzelte Vaterfigur, streng an Regeln gebunden, aber auch beschützend. Es geschieht ein Unglück, Cem verwickelt sich in Schuldgefühle und wird selbst Vater, was er lange gar nicht weiß. Der türkische Nobelpreisträger interpretiert hier die Sage um Ödipus neu. Er verflechtet diese mit dem persischen Nationalepos "Schahname" über den Herrscher Rostam, der versehentlich in der Schlacht seinen Sohn Sohrab erstach, und sinniert dabei über die Bedeutung des Vatermordes, des verlorenen Sohnes, überhaupt jeglicher Vater-Sohn-Verwicklung in Orient und Okzident. "Der moderne Mensch geht im Dschungel der Stadt unter, darum ist er vaterlos", heißt es an einer Stelle. Man erahnt in diesem Roman auch Kritik am autoritären Regime von Erdogan. Als sprichwörtlich roter Faden durch die Handlung zieht sich Cems obsessive Liebe zu einer rothaarigen Theaterschauspielerin, deren feuriger Schopf für Verführung, Abenteuer und Rebellion gegen Konventionen steht.

© BÜCHERmagazin, Nicole Trötzer

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2017

Sterben die Väter vor den Söhnen?

Großes Legenden- und Moraltheater: Orhan Pamuks Roman "Die rothaarige Frau" kleidet die türkische Gegenwart in einen klassischen Konflikt.

Von Rose-Maria Gropp

Dieser Roman ist so dicht gewebt wie die Gewänder auf den Schultern der Menschen in einer antiken Tragödie. Orhan Pamuk, der 2006 den Literaturnobelpreis erhielt, hat ein Schicksalsbuch geschrieben, in dem jeder Satz an seiner genauen Stelle steht, kein Wort ist überflüssig. Alles vollzieht sich, wie in den großen Menschheitsepen, mit unausweichlicher Notwendigkeit.

Im Zentrum der Erzählung steht ein Brunnen, der Mitte der achtziger Jahre in Öngören, einer erfundenen Garnisonsstadt nahe Istanbul, gegraben wird, um Wasser für eine geplante Textilfabrik zu gewinnen. Nicht nur der Brunnen ist aufgeladen mit Bedeutung - jener notorischen Tiefe individueller wie kollektiver Vergangenheit, die auf Thomas Manns biblische Geschichte von "Joseph und seinen Brüdern" anspielt. Auch das Geschehen auf der Bühne eines Wandertheaters, das damals in Öngören gastiert, gerät zur Metapher für die Bestimmung des Einzelnen - vor dem Hintergrund archaischer Muster, die im Widerstreit der Generationen und Kulturen durchschlagen. Pamuks poetisch dichte Beschreibung lässt keinen Zweifel daran, dass er solche Kräfte besonders in der Türkei am Wirken sieht.

Die Geschichte beginnt vor drei Jahrzehnten, als der Gymnasiast Cem Çelik zum Brunnenbauer Mahmut nach Öngören kommt, um sich etwas Geld zu verdienen in den Ferien, vor allem aber, um der Mutter zu entkommen, die wie er selbst unter der ständigen Abwesenheit des Vaters leidet. Akin Çelik ist linker Aktivist, immer wieder verhaftet, außerdem betrügt er seine Frau. Mahmut ist für Cem nicht nur der Meister bei der harten Arbeit des Brunnengrabens, sondern er tritt auch in die Funktion des Vaters ein. Pamuk lässt den Meister sprechen: "Wenn du deinem Lehrling nicht vertrauen kannst, kannst du auch kein Brunnenbauer werden. Man muss absolut sicher sein, dass der Junge da droben alles richtig und zur rechten Zeit macht, nur dann kann man ihn vergessen und sich auf seine Arbeit konzentrieren." Der väterliche Meister schwört den Lehrling an Sohnes Statt auf ein Herrschaftsverhältnis ein, das bis in die tiefsten Schichten zementiert werden muss - buchstäblich im Ausgießen des Brunnenschachts mit Beton. Nur so scheint die Stabilität der patriarchalischen Ordnung gewährleistet zu sein.

Eines Tages kontert der Lehrling die Belehrungen des Meisters, "auf einmal hatte ich Lust, ihm eine verstörende Geschichte zu erzählen". Cem erzählt von Ödipus, dem Vatertöter und Muttergatten, der seiner Wahrsagung nicht entkommen konnte. Dem Meister gefällt die Geschichte nicht. Doch von nun an steht Sophokles' Drama im Raum, und von hier aus eröffnet Pamuk das Feld für das unabwendbare Geschick, in dessen lange geheimem Zentrum die rothaarige Frau steht. Sie wird das Geschehen - unwillentlich willentlich - durch ihr Handeln zur Katastrophe treiben. So war sie es, die Gülcihan heißt, die im umherziehenden "Legenden- und Moraltheater" ihre tränentreibenden Monologe improvisierte und das Begehren des jungen Cem erweckte. Zugleich lernt er in dem poveren Varieté die Inversion des Ödipus-Mythos kennen: Im "Schahname" des persischen Nationaldichters Firdausi steht vor tausend Jahren die Geschichte vom Vater Rostam, der seinen Sohn Sohrab im Zweikampf tötet, weil er ihn nicht erkennt.

Cem schläft mit der rothaarigen Frau, die verheiratet ist und seine Mutter sein könnte und früher die Geliebte seines Vaters Akin war. Dass ihre Haare rot gefärbt sind, ist ein schon witziger Hinweis auf die Frage nach der Echtheit ihrer Gesinnung, vielleicht ihres Charakters. Der einen Vereinigung entspringt ein Sohn, Enver, von dem Cem dreißig Jahre lang nichts weiß; einmal benennt die rothaarige Frau den Kern des magischen Denkens: "Was in den alten Märchen und Legenden steht, kann einem auch selbst passieren. Und je öfter man es liest und je mehr man an die Legenden glaubt, umso eher geschieht dies auch. Man nennt ja eine Geschichte auch deswegen Legende, weil sie einem selber zustoßen wird."

Wie in einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung spricht die rothaarige Frau als Iokaste; Pamuk macht sie zur Wiedergängerin der Muttergeliebten des Ödipus. Auch ihr Sohn Enver wird seinem Schicksal nicht entgehen; sie selbst wird ihn aufgefordert haben, seinem Vater Cem gegenüberzutreten. Dieser war nach der trunkenen Nacht mit ihr überstürzt aus Öngören geflohen, weg von seinem väterlichen Meister in dem lebenslangen Glauben, an ihm tödlich schuldig geworden zu sein. So sieht die Präsenz des Mythos in der Gegenwart aus, wenn sie aus dem tiefen Brunnen der Vergangenheit aufsteigt.

Es kommt zum Showdown am alten Brunnen zwischen Enver und Cem. "Wenn ich dir so richtig böse bin", sagt Enver zum Vater, "möchte ich dich am liebsten blenden"; wie es Ödipus sich selbst antat, als er die Wahrheit erkannte. Denn das "Unerträgliche an einem Vater ist ja, dass er einen ständig sieht". Schon am Anfang klingt das Motiv der väterlichen Blindheit an, als Meister Mahmut seinem Lehrling die biblische Geschichte von Joseph erzählt: "Ein ungerechter Vater macht seinen Sprössling blind."

Von was auch immer geblendet, steigt Cem vom Lehrling beim beschwerlichen Werk des Brunnenbaus zum erfolgreichen Bauunternehmer auf. Der Meister als Vater bleibt auf der Strecke. Cems Sohn, dessen Großvater sich noch für linke Ideale einsperren ließ und dessen Mutter als türkische Frau die Libertinage kennt, fühlt sich zur Autorität der rechten AKP hingezogen. Es ist offenbar, dass die geforderte Anerkennung des Vaters in schärfstem Widerspruch zur Freisetzung des Sohnes steht. Ödipus oder Sohrab? Der Konflikt wird unendlich sein.

Orhan Pamuk erschafft eine Parabel, er überprüft die Conditio humana in ihrer Verschränkung mit der Kultur. Gleichnishaft setzt er Freuds Diktum von der "Wiederkehr des Verdrängten" in sein Recht. Denn das Verdrängte kommt nicht als ein selbes zurück, sondern in Verkleidungen. Genauso setzt sich der Mythos nicht in unverwandelter Form durch. Doch er insistiert - in jedem Einzelnen wie in der Historie. Er wird Ereignis, er kann zeugen und kann töten. Pamuk verleiht dem archaischen Prinzip eine bezwingende Gestalt.

Orhan Pamuk: "Die rothaarige Frau". Roman.

Aus dem Türkischen von Gerhard Meier. Carl Hanser Verlag, München 2017. 288 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Konstruiert wie ein mytisches Verhängnis, beschreibt Orhan Pamuk die Bruchstellen der türkischen Gesellschaft : den Wunsch nach dem starken Mann, nach Gehorsam und Führung, die Verdrängung historischer Schuld, das Wuchern der Städte, die Ausbeutung der Natur, der Verlust politischer Bandbreite ... Dass er auf die Verhängnisstruktur des Mythos zurückgreift, um Fragen von Schuld, Schicksal, Staat, Familie, und Moral zu diskutieren, macht seinen Roman literarisch ergiebig." Meike Feßmann, Der Tagesspiegel, 12.10.17

"Eine politisch brisante Vater-Sohn-Tragödie ... Raffiniert oszilliert dieser Roman über Väter und Söhne zwischen Wirklichkeit und Legende, spiegelt Figuren, Epochen, Kulturen." Susanne Schanda, Neue Zürcher Zeitung, 24.09.17

"Dieser Roman ist so dicht gewebt wie die Gewänder auf den Schultern der Menschen in einer antiken Tragödie. Orhan Pamuk hat ein Schicksalsbuch geschrieben, in dem jeder Satz an seiner genauen Stelle steht, kein Wort ist überflüssig." Rose-Maria Gropp, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.17

"Mithilfe von Legendenschreibung hat der Schriftsteller eine Geschichte wie ein Gleichnis verfasst, die nun in der wie immer sehr klaren und eingängigen Übersetzung von Gerhard Meier vorliegt. Aufrichtig und märchenhaft wollte der Schriftsteller sein Buch erzählen, hieß es gegen Ende erklärend, authentisch und ehrlich, zugleich aber auch wohlbekannt wie eine Legende." Stefan Berkholz, SWR2, 02.10.17

"Die ganz hohe Kunst besteht bei Orhan Pamuk darin, dass seine Geschichten, obwohl sie ausgeklügelt sind, allesamt so anmuten, als habe er sie am eigenen Leib erfahren. Das zeugt von absoluter Weltklasse." Ulf Heise, MDR Kultur, 26.09.17

"Der türkische Nobelpreisträger schafft aus dem Erbe zweier alter Mythen einen Roman, dessen Dreh- und Angelpunkt eine moderne Frau ist - eine Außenseiterin, die frei und lustvoll lebt und provokativ ihre rot gefärbten Haare wie ein Warnung auf dem Kopf trägt. Diese Figur weist den Weg aus dem sinnlosen Kreislauf der Zerstörung ... In der patriarchal strukturierten türkischen Gesellschaft mit dem Präsidenten als autoritärem Übervater darf 'Die rothaarige Frau' durchaus als politische Parabel gelesen werden." Susanne Schanda, Neue Zürcher Zeitung, 24.09.17

"Die Parabel vom Brunnenbauer und der rothaarigen Frau lehrt das Aufbegehren und den Trotz, lehrt uns den Widerstand gegen die scheinbare Unausweichlichkeit und macht uns damit frei, die Verantwortung für unser Schicksal zu übernehmen." Stefan Weidner, Süddeutsche Zeitung, 23.09.17
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