Die Sammlung Kirchenlied, ein schmales Bändchen mit 140 Liedern, ist in mancher Hinsicht das einflussstärkste katholische Gesangbuch des 20. Jahrhunderts. Sie hat fast alle Diözesangesangbücher der Nachkriegszeit inspiriert und färbt, davon ausgehend, noch das heutige Einheitgesangbuch Gotteslob maßgeblich. Das betrifft das Liedkorpus wie auch die im Kirchenlied vorgenommenen Liedbearbeitungen in Text und Melodie, ferner einige erfolgreiche Eigenschöpfungen (z.B. Wir sind nur Gast auf Erden). Was das Korpus betrifft, so gelingt es der Sammlung Kirchenlied das erste Mal in Jahrhunderten konfessioneller Trennung, eine nennenswerte Anzahl großer evangelischer Lieder (rund) 30 katholisch in Gebrauch zu bringen (z.B. Macht hoch die Tür oder Lobe den Herren). Was die Fassungen betrifft, so orientieren sich die Bearbeiter in einem gewissen Grad an den Urtexten, nehmen aber so geschickte, zwischen Archaisierung und Modernisierung klug vermittelnde Bearbeitungen vor, dass sie die Fassungen des 19. Jahrhunderts erfolgreich verdrängen und vielfach bis heute in Geltung sind. Was die Melodien betrifft, so gelingen nicht nur gute Bearbeitungen, sondern auch einige Neuschöpfungen. Gründe genug, um dieses in bis zu 2 Mio Exemplaren verbeitete Zeugnis der religiösen Massenkultur des 20. Jahrhunderts einer genauen Untersuchung zu unterziehen.