„Die Schmidts. Ein Jahrhundertpaar“ von Reiner Lehberger ist eine Mischung aus Doppelbiographie zweier Menschen und der Biografie einer langen Ehe. Der Autor kannte Helmut und Loki Schmidt persönlich, hat schon früher über Loki Schmidt geschrieben. Jetzt hat er aus den Einzelbiografien der beiden
eine gemeinsame Biografie ihrer Ehe zusammengebastelt und damit ein äußerst lesenswertes Buch…mehr„Die Schmidts. Ein Jahrhundertpaar“ von Reiner Lehberger ist eine Mischung aus Doppelbiographie zweier Menschen und der Biografie einer langen Ehe. Der Autor kannte Helmut und Loki Schmidt persönlich, hat schon früher über Loki Schmidt geschrieben. Jetzt hat er aus den Einzelbiografien der beiden eine gemeinsame Biografie ihrer Ehe zusammengebastelt und damit ein äußerst lesenswertes Buch geschaffen, das nicht nur ihr Zusammenleben, sondern auch ein großes Stück Zeitgeschichte einfängt.
Er zeichnet nicht nur das Bild eines Ehepaares als Einheit sondern das Bild eines Paares, wo jeder auch noch seine individuellen Interessen und Aufgaben hat und dazu beiträgt, dass aus zwei Menschen Eins werden. Die beiden waren keine Sandkasten- aber so etwas wie eine Schulhofliebe. Sie hatten sich schon in der 1. Klasse des Gymnasiums kennengelernt. Danach folgte eine zu neudeutsch „On-Off-Beziehung“, beide hatten andere Partner, verloren sich aber nie aus den Augen, bis sie mitten im 2. Weltkrieg 1942 ihre Heirat beschlossen. Sie waren fast 70 Jahre verheiratet, hatten sich über 80 Jahre lang gekannt. Mit ihrer gemeinsamen Schulzeit, die zum Teil in der Nazizeit stattfand und ihrem eigenen Umgang mit BDM, HJ und NSDAP gingen die beiden später offen und höchst kritisch um.
Ihr erstes Kind Helmut Walter verloren sie mit nicht einmal einem halben Jahr, Tochter Susanne und sechs Fehlgeburten folgten. Loki Schmidt war eine starke, selbstbewusste und emanzipierte Frau, die schon früh wusste, was sie wollte und trotz aller Emanzipation und Selbstverwirklichung ihrem Mann zur Seite stand, ihm den Rücken frei hielt und ihn zu dem werden ließ, als der er in die Geschichte einging.
Natürlich ist Helmut Schmidt als Politiker und ehemaliger Bundeskanzler, notorischer Überall-Raucher und geradliniger, oft auch taktloser Redner im Gedächtnis geblieben. Ich bin Jahrgang 1977 und habe ihn als Bundeskanzler nicht bewusst erlebt. Aber er war ein Staatsmann in einer Zeit, in der Wissen, Engagement und Statesmanship zählten – und nicht Lobby und Berater. Aber an seiner Seite war eine hochintelligente, gebildete und vielseitige Frau, die nicht hinter, sondern neben ihm stand. Während seines Studiums nach dem 2. Weltkrieg ernährte sie die Familie mit ihrem Lehrerinnengehalt, sie arbeitete auch als er in die Politik ging noch weiter, bis sie ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Der Werdegang und die Karriere von Helmut Schmidt ist hinlänglich bekannt. Was Loki Schmidt allerdings alles erreicht und welche Initiativen vor allem im Bereich der Botanik sie angestoßen hat, wissen vermutlich viele nicht.
Alles in allem ist mir diese Biografie einer Ehe teilweise zu nüchtern und sachlich geschrieben. Nur manchmal erkennt man als Leser die große Zuneigung der beiden zueinander. Und auch Tochter Susanne bescheinigt beiden Eltern, dass man sich immer 100%ig aufeinander verlassen konnte, „eine innige oder gefühlvolle Familienbeziehung pflegten sie jedoch nicht.“ Und trotz der langen Ehe und inneren Verbundenheit hatte Helmut Schmidt im Laufe der Zeit Affären und Verhältnisse, die seine Frau hinnahm – eine große Geste einer großen Frau, die sich ein Leben ohne ihren Mann irgendwann nicht mehr vorstellen konnte, aber nie nur „die Frau von Helmut Schmidt“, sondern immer ein eigenständiger Mensch war.
Die Ehe besteht aus zwei gegensätzlichen Polen. Sie der Mensch mit Empathie – er der kühle (und oft arrogant wirkende) Staatsmann. Gegensätze ziehen sich an und verbinden sich oft zu einer Einheit. So auch bei den Schmidts. Und auch das Buch ist eine Einheit und eine runde Sache. Von mir wegen der zum Teil zu nüchternen und manchmal auch unübliche Sprache („So nimmt es nicht Wunder“) 4 Punkte.