Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Neu übersetzt: Ana Novacs Erinnerungen an die Todeslager in Birkenau und Plaszów
"Wird ein Buch, das die jüngste Vergangenheit Deutschlands beschwört, noch Leser finden in einem Land, das entgegen so vielen Voraussagen diese Vergangenheit so beängstigend routiniert ,bewältigt' hat?" Das fragte sich 1967 eine Rezensentin dieser Zeitung, als Ana Novacs Buch erstmals auf Deutsch erschien. Und so ist es ein Triumph dieses bedeutenden Zeitzeugnisses, dass es nun noch einmal erscheint - neu übersetzt und mit einem Vorwort der heute achtzigjährigen Autorin. Ana Novac war vierzehn und trug den Namen Zimra Harsanyi, als sie im Sommer 1944 mit vielen tausend Juden aus Siebenbürgen nach Auschwitz deportiert wurde. Sie entkam dem Tod in Birkenau, überlebte das KZ Plaszów bei Krakau und danach noch sechs weitere Lager.
Zwischen Juni und September 1944 gelingt es dem Mädchen, die alltägliche Grausamkeit festzuhalten. Die Appelle, Selektionen, das Arbeiten bis zur Erschöpfung und den quälenden Hunger. Die Prozesse der psychischen Deformation, der Abstumpfung und Entwürdigung im Lagersystem, das "aus so vielen verschiedenen Menschen ein so schrecklich einfaches Ding" werden lässt. "Vielleicht sind wir eine neue Spezies, die die Geschichte noch nicht verzeichnet hat; eine typisch deutsche Entdeckung: etwas zwischen Mensch und Ding."
Schreiben ist für Ana Novac ein Mittel der Selbstbehauptung. Mit dem Bleistiftstummel notiert sie in Hefte und auf die Verdunkelungspappe eines Barackenfensters. Ihr Text wird "eine zweite Haut, die verhindert, dass alles Übrige auseinanderfällt". Einmal trennt Novac das Papier mit dem zynischen Befehl "Sauberkeit ist Gesundheit" von der Latrinenwand, um die Rückseite zu beschreiben. Ihre Sprache ist hochpoetisch, die Schilderungen der verschiedenen Häftlingsgruppen, ihrer Rivalitäten untereinander, der Aufseherinnen und Kapos sind präzise, manchmal sogar ins Komische überspitzt. In den furchtbarsten Momenten, etwa wenn Amon Göth, der Kommandant von Plaszów, ein Mädchen von seiner Bulldogge zerfleischen lässt oder eine SS-Frau mit dem Fahrrad über einen nackten Körper fährt, bleibt Novacs Ton kalt und distanziert.
Ein Konvolut von siebenhundert Seiten war es, das dank eines Kommandanten aus dem Lager gelangte, bei Nachbarn in Siebenbürgen den Krieg überdauerte und zur Autorin zurückfand. Im Nachwort beteuert sie, die vor fast vierzig Jahren aus Rumänien auswanderte und in Paris lebt, eine getreue Reproduktion jener Texte vorzulegen. Es handelt sich aber auch um die Überarbeitung einer Überarbeitung: Schließlich dauerte es bis zur ersten Niederschrift sechzehn Jahre, und die neue Ausgabe enthält Eingriffe Novacs an der unzulänglichen französischen Erstübersetzung. Als Herausgeberin ihrer selbst beklagt sie bisweilen den Zustand der eigenen Handschriften: Es geht hier um ausgeblichene Seiten, aber auch um verblichene, erst nachträglich zu Literatur geronnene Erinnerungen.
STEFANIE PETER
Ana Novac: "Die schönen Tage meiner Jugend". Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2009. 320 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH