Atmosphärisch dichter, spannender Roman aus der bergigen Welt des vorletzten Jahrhunderts. Ein junge Frau möchte aus dem System ausbrechen.
Die Autorin macht mit uns eine Reise in die Vergangenheit, zurück in die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in die entbehrungsreiche Welt der
Bergbauern. Das Leben ist mühsam, karg, mit 40 Jahren galten Mann und Frau als alt. Die Arbeit war hart,…mehrAtmosphärisch dichter, spannender Roman aus der bergigen Welt des vorletzten Jahrhunderts. Ein junge Frau möchte aus dem System ausbrechen.
Die Autorin macht mit uns eine Reise in die Vergangenheit, zurück in die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in die entbehrungsreiche Welt der Bergbauern. Das Leben ist mühsam, karg, mit 40 Jahren galten Mann und Frau als alt. Die Arbeit war hart, bestimmt vom Rhythmus der Natur und vom Willen Gottes. Denn nach seiner Devise gestaltete sich das komplette Leben. Gottesfürchtig, mit Betonung auf Furcht, wäre eine möglich Beschreibung. Seit dem haben sich ein paar Dinge geändert. Die Technik hat Einzug gehalten, Straßen und Wege wurden besser. Was sich nicht geändert hat, ist die Empathielosigkeit, das Ausbeuten von Grund und Boden, Tieren wie Menschen, die stupide Bigotterie und das jegliche Existenzen unterdrückende Patriarchat.
Irgendwo, weit hinten im Tal, hoch oben. Die Menschen, die dort lebten, kannten zeit ihres Lebens vielleicht mal fünfzig Personen. Die nächste Stadt weit weg.
Und dennoch verschlägt es hin und wieder Menschen in den Zauber der Schroffheit, bleiben hängen, finden manchmal sogar die Liebe, oder was sie dafür hielten. Frauen, die bei Männern bleiben, die die eigenen Töchter dann verschachern wie ein Stück Vieh.
Insofern kommt der Roman wie ein Stück Zeitgeschichte daher, berichtet von Praktiken unter dem Dach des Patriarchats, die sich bis heute kaum wesentlich geändert haben. Aber da gibt es den Aufschrei einer jungen Frau, Theres, die sich damit nicht mehr abfinden kann und will.
Die Autorin schafft mit ihrer Liebe zum Erzählen eine Art Heimatroman, der sich spannend liest, und deutlich seine Sympathieträger und Antipathiepersonen herausschält.
Einschneidende Erlebnisse, die ich lieber nicht gelesen hätte (S.24, aber auch heute noch gängige Praxis), prägten damals die sechsjährige Theres. Der Wunsch nach einem unabhängiges Leben, in Freiheit, weg vom Zwang der Familie, vom Gefangensein in diesem engen, von Berggipfel eingepferchtem Dasein um selbst zu tun und lassen, was sie wollte, wurde geboren. Frei sein, wie der Adler über ihrem Kopf, wollte sie sein. Doch selbst dieses erhabene Tier hatte seine Reviergrenzen.
Es gab trotz des schönen Sprachflusses und der wunderbaren Dialoge, besonders als es aus Theres so richtig herausbrach, und allen die Meinung sagte, Stellen und Passagen im Buch, durch die ich mich ein wenig zwängen musste. Das Wort „Herrgott“ und die Gefälligkeit daran wurden für meinen Geschmack dann doch ein wenig zu oft benützt und ließ den Verlauf der Geschichte ein wenig stocken (auch wenn es damals bestimmt so war). Da hatte ich, besonders im ersten Drittel des Buches, schon Angst, der Roman würde in eine kitsch- und klischeehafte Heimatschmonzette abdriften. Aber zum Glück war dem dann nicht so.
Kurzum: es gab zwei wohlhabende Bauernhöfe. Einer im Ort mit Theres als einziges Kind, der andere auf dem Plateau darüber, mit Leopold als einziges Kind. Die Väter waren miteinander befreundet, die Kinder an einander schon im Windelalter versprochen. Es gab Kindesfreundschaften, das südländische Blut in Theres (von ihrer Mutter), ein geheimnisvoller Fremder, der Argwohn herauf beschwor. Eine sehr verliebte und störrische Theres. Eine bockige Theres, die mit ihren achtzehn Jahren dem Patriarchat zu entfliehen versucht … und dann die ein oder anderen Familiengeschichten samt Tragödien, deren Fäden am Ende alle zusammenlaufen. Zwei Ungereimtheiten wären mir dann in der Handlung schon noch aufgefallen, weil ich sie mit Logik nicht zuordnen kann, aber das tat dem Leseerlebnis keinen Abbruch (und ein Benennen wäre jetzt gespoilert). Sprachlich (mit den genannten Ausnahmen) und stilistisch wunderbar in Szene gesetzt, wurde die Atmosphäre gut eingefangen.
Also in Summe ein feines, rasantes Lesevergnügen aus der Feder von Regina Denk – man darf sich auf weitere Romane freuen.