Ein Mädcheninternat im Appenzell der sechziger Jahre. Gehorsam und Disziplin prägen die Ordnung des Hauses. Die heitere Landschaft vor den Fenstern treibt die vierzehnjährige Ich-Erzählerin zu stundenlangen einsamen Spaziergängen. Eines Tages erscheint eine Neue während des Mittagessens: Frédérique, schön, streng, verächtlich und voller Überdruss. Frédérique ist anders, etwas Leises und Schreckliches umgibt sie. Ihr sind Beherrschung, Gehorsam und Perfektion bereits zur zweiten Natur geworden. Die Erzählerin ist gebannt von ihrer Erscheinung, sie will sie erobern, sucht ihre Freundschaft. Empfänglich für den morbiden Reiz der Disziplin verfällt sie Frédérique mehr und mehr. Und erst ein ganzes Leben später kann die Erzählerin ihre abgründige Liebe in Worte fassen.
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Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension
Rezensentin Annabele Hirsch wirkt sehr fasziniert von Fleur Jaeggys literarischem Werk, das der Suhrkamp Verlag aktuell Stück für Stück neu auflegt, endlich auf Deutsch, jubelt Hirsch. Aber auch im italienischen Original, in dieser "so unkühlen Sprache", entfaltet sich die Hauptqualität von Jaeggys Schreiben, die Hirsch staunend beschreibt: als eine sich ausbreitende "Kälte", die den Lesenden einerseits die Leblosigkeit der Figuren betrauern lässt, die aber andererseits Bewunderung für eine kalte Perfektion auslöst und zum Weiterlesen animiert. So treten in Jaeggys Erzählungen und Romanen - erschienen sind bisher der Roman "Die seligen Jahre der Züchtigung" und die beiden Erzählbände "Ich bin der Bruder von XX" und "Die Angst vor dem Himmel" - meistens Figuren auf, die sich ins große Nichts des Todes wünschen, jeden "Keim" des Lebens in sich erstickt haben oder sich nicht aus einer emotionalen Starre befreien können, gibt Hirsch wieder. Besonders gelungen, wenn auch verstörend, findet sie die Geschichte "Der Vogelkäfig", in dem ein Mann seine Frau zur Selbsterniedrigung vor dem Kostüm seiner verstorbenen Mutter zwingt. Wie Jaeggy "bis zur Perfektion" an diesem zwiespältigen Ideal von "Askese und Disziplin" schriftstellerisch arbeite, ist für die Kritikerin enorm eindrücklich. Sie findet hier weniger den von Reich-Ranicki behaupteten "Charme" als ein unerbittlich unterdrücktes Feuer unter einer Eisschicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»[Jaeggy] ist eine Virtuosin des Entsetzlichen ... [Ihre] Geschichten bannen die grausame Absurdität des Schicksals mit absoluter Offenheit und einer großen Sympathie für alle, die von ihr betroffen sind.« Pascal Moser Süddeutsche Zeitung 20240725