Binets erster Roman «HHhH» gewann 2010 den Prix Goncourt du Premier Roman, und sein neuer Roman «Die siebte Sprachfunktion» gewann 2015 den Prix Interallié und den Prix du Roman Fnac. Es ist ein Krimi mit Poststrukturalisten. Paris, Frühjahr 1980: Roland Barthes wird von einem bulgarischen Wäschelieferanten überfahren. Barthes kommt von einem Essen mit dem Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, François Mitterrand, und trägt ein Manuskript unter dem Arm. Ein Passant, Michel Foucault, wird Zeuge des Unfalls und behauptet, es war Mord. Der Tod des Autors ist für Kommissar Bayard ein Rätsel. Er mischt sich unter die Poststrukturalisten, besucht Vorlesungen von Foucault und hört Vorträge von Julia Kristeva, Philippe Sollers, Jacques Derrida und anderen. Da er nichts versteht, macht er den jungen Sprachwissenschaftler Simon Herzog zu seinem Assistenten. Der Roman ist auch ein Gesellschaftsporträt des Frankreichs der achtziger Jahre. Bayard ermittelt unter den Nach-Achtundsechzigern, die er nicht ausstehen kann, diesen linken Nichtsnutzen, die mit Joints und langen Haaren vor der Uni herumlungern und mit lüsternen Professoren, die von sexueller Freiheit labern und sich unzüchtig benehmen, Frankreichs Kultur gefährden. Das Manuskript, das Barthes bei sich hatte, bleibt spurlos verschwunden. Auch der bulgarische Geheimdienst interessiert sich dafür. Ein bulgarischer Mörder greift Simon Herzog mit einer vergifteten Regenschirmspitze an. Aber im letzten Moment wird Herzog von zwei Japanern gerettet. Sie sind ebenfalls hinter dem Manuskript her. Eine heiße Spur führt zu dem italienischen Semiotiker Umberto Eco. Also bewegt sich der Tross - Kommissar und Assistent, Bulgaren und Japaner, nach Italien. Die Reise geht noch lange weiter, sie führt sogar auf einen amerikanischen Campus, wo Foucault über die Sexualität der Elefanten philosophiert. Das Manuskript, das alle haben wollen, beschreibt die siebte Sprachfunktion (in Anlehnung an Roman Jakobsons Standardwerk der Linguistik über die sechs Sprachfunktionen). Die siebte Funktion, die Binet Roland Barthes erfinden lässt, gibt Politikern die rhetorischen Mittel an die Hand, öffentliche Rededuelle und damit auch die Wahlen zu gewinnen. Könnte Mitterrand damit an die Macht gelangen?
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.06.2018NEUE TASCHENBÜCHER
Ein semiologisches
Abenteuer
Der Autor ist tot, zumindest fast. Roland Barthes, der berühmte Semiotiker, wurde von einem Laster angefahren, er liegt schwer verletzt im Krankenhaus, von einem Manuskript, das er bei sich trug, fehlt jede Spur. Kommissar Bayard hat den Verdacht, dass mehr als ein Unfall hinter all dem steckt. Feinde jedenfalls scheint Barthes so einige gehabt zu haben: die Bourgeoisie, die Faschisten sowie die Stalinisten, Gilles Deleuze. Bayard ermittelt unter den Poststrukturalisten, zu denen auch Barthes zählte. Für sie kann ein Zeichen nie erschöpfend gedeutet werden und die ganze Welt ist Text. Wo fängt man da mit der Entschlüsselung an?
Die Theorien der großen französischen Intellektuellen paktieren oft mit der Detektivarbeit, und Laurent Binet hat aus diesen Steilvorlagen einen geradezu zwingenden Kriminalroman gesponnen. Seine Darstellungen der historischen Charaktere sind treffend, tendieren aber manchmal zum akademischen Kalauer. Die Achtziger in Frankreich zeichnet der Roman als witzige, scharfe Karikatur und nebenbei gibt er eine Einführung in Literaturtheorie. Mit Barthes könnte man sagen, hier wirkt „Die Lust am Text“. NICOLAS FREUND
Laurent Binet: Die siebte Sprachfunktion. Aus dem Französischen von Kristian Wachinger. Rowohlt Verlag, Reinbek 2018. 528 Seiten,
12 Euro.
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Ein semiologisches
Abenteuer
Der Autor ist tot, zumindest fast. Roland Barthes, der berühmte Semiotiker, wurde von einem Laster angefahren, er liegt schwer verletzt im Krankenhaus, von einem Manuskript, das er bei sich trug, fehlt jede Spur. Kommissar Bayard hat den Verdacht, dass mehr als ein Unfall hinter all dem steckt. Feinde jedenfalls scheint Barthes so einige gehabt zu haben: die Bourgeoisie, die Faschisten sowie die Stalinisten, Gilles Deleuze. Bayard ermittelt unter den Poststrukturalisten, zu denen auch Barthes zählte. Für sie kann ein Zeichen nie erschöpfend gedeutet werden und die ganze Welt ist Text. Wo fängt man da mit der Entschlüsselung an?
Die Theorien der großen französischen Intellektuellen paktieren oft mit der Detektivarbeit, und Laurent Binet hat aus diesen Steilvorlagen einen geradezu zwingenden Kriminalroman gesponnen. Seine Darstellungen der historischen Charaktere sind treffend, tendieren aber manchmal zum akademischen Kalauer. Die Achtziger in Frankreich zeichnet der Roman als witzige, scharfe Karikatur und nebenbei gibt er eine Einführung in Literaturtheorie. Mit Barthes könnte man sagen, hier wirkt „Die Lust am Text“. NICOLAS FREUND
Laurent Binet: Die siebte Sprachfunktion. Aus dem Französischen von Kristian Wachinger. Rowohlt Verlag, Reinbek 2018. 528 Seiten,
12 Euro.
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Laurent Binet verwebt überaus kunstsinnig bis hin zu verrückt seine linguistischen Theorien mit einer Krimihandlung und Gesellschaftssatire. Film, Sound & Media