Klassiker des Genres
Kurt Vonnegut zählt zu den zahlreichen hierzulande vernachlässigten amerikanischen Schriftstellern – insbesondere, wenn Autoren das Science-Fiction-Label anhaftet, kann man der Verlagsbranche eine gewisse Zurückhaltung unterstellen.
Immerhin ist in den letzten Jahren einiges
an Bewegung in die Sache gekommen: Gleich mehrere Ausgaben des Schlachthof 5 und der nun…mehrKlassiker des Genres
Kurt Vonnegut zählt zu den zahlreichen hierzulande vernachlässigten amerikanischen Schriftstellern – insbesondere, wenn Autoren das Science-Fiction-Label anhaftet, kann man der Verlagsbranche eine gewisse Zurückhaltung unterstellen.
Immerhin ist in den letzten Jahren einiges an Bewegung in die Sache gekommen: Gleich mehrere Ausgaben des Schlachthof 5 und der nun vorliegende Band geben Anlass zur Hoffnung auf mehr, sollten die Absatzzahlen den Erwartungen entsprechen.
Vonnegut, dessen Familie deutsche Wurzeln hat, meldete sich 1943 freiwillig für den zweiten Weltkrieg. Dort geriet er in Kriegsgefangenschaft und erlebte unter anderem die Luftangriffe auf Dresden. Diese Erlebnisse waren einige Jahre später auch Gegenstand und Grundlage des bereits erwähnten Schlachthof 5.
Nach seiner Rückkehr sollte es nicht lange dauern, bis er sich als Schriftsteller versuchte. Die Sirenen des Titan waren dabei 1959 seine zweite Romanveröffentlichung. Allerdings sollte es noch viele Jahre dauern, bis er in die oberste Riege der Schriftstellerei aufstieg und erst der Erfolg von Schlachthof 5 ermöglichte eine deutsche Übersetzung seiner anderen Werke. Nichtsdestotrotz erfreut sich dieser Band nach wie vor großer Beliebtheit – zumindest in Amerika.
Falsche Erwartungshaltung
Wenn ich die bisherigen Reaktionen auf Vonneguts Werke überblicke, dann sehe ich in Deutschland nur wenige Jubelstürme und viele eher ernüchternde Beschreibungen. Und ich muss gestehen, dass ich nach dem ersten Drittel auch eher letzterer Gruppe angehörte.
Das Problem ist, dass eine Vonnegut Leseerfahrung schon von vornherein mit vielen verschiedenen Emotionen aufgeladen ist. Selbst wenn man noch nie einen Vonnegut gelesen hat, kennt man seine Werke. Der Name Vonnegut steht auf einer Ebene mit Lem, Strugatzki oder Asimov und die Blöße diesen Schriftsteller nicht zu mögen möchte man sich nur Ungerne geben. Angesichts dieser immens hohen Erwartungshaltung ist es nahezu unmöglich, nicht enttäuscht zu werden – schließlich erwartet man ja schon ein Werk vergleichbar mit Tolkien oder Tolstoi.
Komplexe Botschaften – einfache Sprache
Gleich zu Beginn wird uns jedoch klar, dass wir es nicht mit einem solchen epischen Werk zu tun haben: Vonnegut pflegt einen sehr schlichten und beinahe schon minimalistischen Schreibstil, der ein Stück weit an Hemingway erinnert und mit den spitzen Bemerkungen eines Mark Twain garniert ist – vielleicht sogar ein Stück weit an Douglas Adams, der sich stark von Vonneguts Werken inspirieren ließ.
Es ist schon erstaunlich mit was für einer Nüchternheit Vonnegut grundlegend brutale Ereignisse wie Hinrichtungen, Kriege, Morde, Vergewaltigungen oder Gewalt in jeglicher Form beschreibt und den Leser gleichzeitig mit seinem schwarzen Humor immer wieder zum Lachen bringt. Gerade die nüchternen Beschreibungen von Gewalt und Brutalität erinnern ein Stück weit an Erich Maria Remarque, der ebenfalls eine ähnlich journalistische Herangehensweise wählte um die Schrecken seiner Kriegserfahrungen zu verarbeiten.
Ähnliche Erfahrungen machen wir auch mit der Thematik des Romans. Der Plot selbst und die wechselnden Hauptfiguren sind beinahe schon unwichtig. Stattdessen wählt Vonnegut recht kontroverse Themen als Leitmotive seines Romans aus, unter anderem die Möglichkeit des freien Willens, religiöse Gruppierungen und Führerkulte. Wer jetzt allerdings tiefgreifende Auseinandersetzungen erwartet, wird auch hier enttäuscht.
Ob wir einen freien Willen haben oder nicht, wie kritisch Religionen betrachtet werden müssen und was Heldenverehrung aus Menschen macht sind zwar interessante Themen und den einen oder anderen wichtigen Gedanken verarbeitet der Autor auch. Das eigentliche Leitmotiv und die eigentliche Keimzelle gibt er allerdings bereits auf der ersten Seite aus: “Heutzutage weiß jeder, wie man den Sinn des Lebens in sich selbst findet. Aber dieses Glück war der Menschheit nicht immer beschieden (…)“.
Und mehr als die ersten zwei Seiten braucht man eigentlich nicht, um den ganzen Roman zu verstehen – und das ist gut so. Manchmal muss man hinter die glitzernden Fassaden blicken und wie so oft sind es die einfachen Botschaften, die entscheidend sind.
Fazit
Die Sirenen des Titan von Kurt Vonnegut stellt eine lohnenswerte Leseerfahrung dar, sofern man bereit ist die eigene Erwartungshaltung anzupassen. Bei Vonnegut erwartet den Leser keine komplexe Sprache mit einer umfangreichen Hintergrundwelt. Stattdessen trifft eine einfache und klare Sprache auf einfache Botschaften – und das ist möglicherweise der einzig richtige Weg mit komplexen Themen umzugehen.