Ambitionierter Krimi zwischen der Suche nach vermissten Teenagern und Coming-of-Age Drama
Im Lodjurskogen verschwindet eine Gruppe vom renommierten Internat auf Evedal. Zwei Lehrer und vier Schüler waren in diesem Wald für eine zweitägige Exkursion unterwegs. Auf dieser wollten sie
fächerübergreifend zum einen die Mottenpopulation von Laub- und Nadelholzhabitaten vergleichen und zum anderen…mehrAmbitionierter Krimi zwischen der Suche nach vermissten Teenagern und Coming-of-Age Drama
Im Lodjurskogen verschwindet eine Gruppe vom renommierten Internat auf Evedal. Zwei Lehrer und vier Schüler waren in diesem Wald für eine zweitägige Exkursion unterwegs. Auf dieser wollten sie fächerübergreifend zum einen die Mottenpopulation von Laub- und Nadelholzhabitaten vergleichen und zum anderen einige Szenen aus der Dreigroschenoper im Rahmen eines Waldtheaters aufführen. Doch nachdem die begleitende Biologielehrerin an die zwanzig Stunden weggetreten war, ist der Rest der Gruppe unauffindbar. Weder in der Schule noch die Familien der Vermissten haben etwas von ihnen gehört. Eine fieberhafte Suche beginnt im Wald. Geleitet wird die Ermittlung von Ingrid Nyström, die sich nach der so unglücklich verlaufenen Gefährderansprache mit der Aktivistengruppe der Wilden Luchse eigentlich von ihren Verletzungen im Krankenhaus erholen sollte.
Die Spur der Luchse ist der bereits zehnte Fall für Nyström und Forss. Obwohl dies das erste Buch der Reihe ist, das ich gelesen habe, habe ich auch ohne Kenntnis der anderen Bände gut in diesen Krimi reingefunden. Denn die Autoren lassen gerade zu Beginn relevante Informationen der Vorgänger Bände wiederholt mit einfließen, um mich die Mitglieder des Teams besser kennenlernen und deren durch vergangene Ereignisse begründete Beziehungen verstehen zu lassen. Das in der schief gegangenen Gefährderansprache mit der Aktivistengruppe sowie im rätselhaften Vermisstenfall ermittelnde Team besteht neben Hauptkommissarin Ingrid Nyström und Hauptkommissarin Stina Forss aus Computerass und Datenforensikspezialisten Hugo Delgado, dem gutmütigen, bärenhaften Lasse Knutsson und der jungen Sara Hjalmarsson, die die Freundin von Nyströms Tochter ist.
Abwechslungsreich wird die Spur der Luchse aus verschiedenen Perspektiven geschildert, die die Gedankengänge der einzelnen Mitglieder des ermittelnden Teams und zusätzlich die eines für lange Zeit namenlosen Internatschülers umfassen. Das erste Drittel dies Krimis ist rasant erzählt. Das Tempo ist schnell und die Spannung ist aufgrund der neuen Enthüllungen, die in rascher Taktung auftreten, hoch. Denn zu Beginn werden die Vermissten nach und nach aufgefunden. Dabei konnten mich die Fundorte überraschen und auch, wer noch am Leben ist bzw. wer auf welche Weise ermordet worden ist.
Nebenher sprechen die Autoren eine Vielzahl sozial relevanter Themen an. So erfolgt etwa die Auseinandersetzung mit einem Gerichtsverfahren, das darüber entscheidet, ob die wirtschaftliche Nutzung eines Naturschutzgebiets erlaubt wird, wenn eine Bahntrasse dadurch gebaut werden darf. Diese soll den Verzicht auf Inlandsflüge in Schweden ermöglichen, zerstört aber Teile des ursprünglichen Waldes und wird wohl die dort lebende Luchspopulation, die dem Lodjurskogen (Luchswald) seinen Namen gibt, vertreiben. Und die vermissten Teenager, die die Außenseitergruppe auf dem Internat bilden, sind von verschiedenen Problemen belastet. Die Kinder, die von ihren erfolgreichen Eltern aufs Internat abgeschoben wurden, da sie selbst keine Zeit für sie haben, quälen sich mit Lernschwierigkeiten, ADHS, Bulimie, Selbsthass und Autismus. Zudem sind sie Opfer von Ausgrenzung und Mobbing.
Wenn die Ermittlungen in der zweiten Hälfte dieses Krimis dann ins Stocken geraten, hatte der schon die ein oder andere Länge für mich. Denn der Wald wird zwar weiter durchsucht, ohne dass dies aber neue Erkenntnisse liefern würde, und die Mitglieder des ermittelnden Teams gehen zwar verschiedenen Spuren nach, die aber nicht zum Ziel zu führen scheinen. Dabei ist oft unklar, ob die Hinweise, die sie verfolgen, überhaupt mit dem aktuellen Fall zusammenhängen, da in diesem einfach nichts zusammenpassen will.
Das Buch habe ich letztlich ein wenig so wie diesen Fall empfunden. Denn dies fügt sich für mich leider nicht zu einem stimmigen Ganzen und so entsteht der Eindruck, dass die Autoren zu viel auf einmal gewollt haben. Denn der Krimi mäandert zwischen einem rätselhaften Fall und einem Coming-of-Age-Drama. Die Drama-Teile nehmen aber leider das Tempo aus dem anfangs so rasant erzählten Fall heraus, der in der stetigen Erweiterung um gänzlich unerwartete Komponenten immer vertrackter wurde und so das Spannungslevel hoch gehalten hat. Im Coming-of-Age-Drama bin ich zwar einerseits den Gedankengängen und dem Leid des für lange Zeit unbekannten Internatsschülers nah gewesen. Andererseits haben die Autoren bis zum Schluss wesentliche Informationen zurückgehalten, um die Identität dieses Schülers erst dann in einem zentralen Twist zu enthüllen. Für den Überraschungseffekt mag das gut gewesen sein, doch die Intensität des Dramas hat für mich darunter gelitten. Da sind Krimi und Drama nicht Hand in Hand gegangen, sondern haben einander behindert. Das Drama hätte vermutlich auch eine größere Wucht entfalten können, wenn die Ereignisse zudem aus Sicht der Eltern dieses Teenagers geschildert worden wären.