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1945 wurde die SS von den Alliierten verboten und aufgelöst. Damit endete aber nicht die Geschichte dieser verbrecherischen Organisation. Vielmehr war bereits zu diesem Zeitpunkt die Auseinandersetzung über die Bedeutung, Verantwortung und Wirkung der SS und ihrer Mitglieder in vollem Gange – eine Auseinandersetzung, die bis heute andauert. Kollektivschuldvorwürfe standen gegen die Versuche von SS-Gliederungen, sich im Nachhinein von der Gesamtorganisation zu distanzieren. In Illustrierten und Spielfilmen lebte das Narrativ vom teuflischen SS-Offizier auf und verwandelte die SS medial in eine…mehr

Produktbeschreibung
1945 wurde die SS von den Alliierten verboten und aufgelöst. Damit endete aber nicht die Geschichte dieser verbrecherischen Organisation. Vielmehr war bereits zu diesem Zeitpunkt die Auseinandersetzung über die Bedeutung, Verantwortung und Wirkung der SS und ihrer Mitglieder in vollem Gange – eine Auseinandersetzung, die bis heute andauert. Kollektivschuldvorwürfe standen gegen die Versuche von SS-Gliederungen, sich im Nachhinein von der Gesamtorganisation zu distanzieren. In Illustrierten und Spielfilmen lebte das Narrativ vom teuflischen SS-Offizier auf und verwandelte die SS medial in eine exklusive Geheimorganisation. Die Beiträge dieses Bandes analysieren die Strafverfolgung der SS nach 1945, die personellen Seilschaften und politischen Kontinuitäten, aber ebenso die vielfältige Dimension einer nach wie vor virulenten Erinnerungskultur an die SS in Europa. The SS was forbidden and dissolved in 1945 by the allies. However, the history of this criminal organisation did not end. Moreover, at this point a debate on the significance, responsibility and effect of the SS and its members was taking place – a debate that lasts until today. Allegations of collective guilt were standing against the efforts of SS groups to distance themselves from the whole organisation. The narrative of the devilish SS officer came to live in magazines and films and turned the SS into an exclusive secret organisation in the media. The contributions in this volume analyse the prosecution of the SS after 1945, the personal coteries and political continuities as well as the different dimensions of a still virulent culture of remembrance of the SS in Europe.
Autorenporträt
PD Dr. Jan Erik Schulte ist Leiter der Gedenkstätte Hadamar und Privatdozent für Zeitgeschichte an der Universität Bochum.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.03.2019

https://www.sueddeutsche.de/politik/holocaust-ss-himmler-verbrecher-nazi-1.4351786
NS-Verbrecher
So stiegen SS-Veteranen in der Bundesrepublik auf
Ein neues Buch dokumentiert, wie Himmlers Schergen nach Kriegsende Karriere machten - und wie Alt-Nazis die SS verharmlosten.
Rezension von Johannes Koll
Der Untergang des Dritten Reiches bedeutete mitnichten das Ende der SS. Auch wenn die Schutzstaffel 1946 vom Internationalen Militärgerichtshof zu Nürnberg als verbrecherische Organisation eingestuft wurde, haben deren Angehörige und Sympathisanten die gesamte Nachkriegszeit über verbissen für eine Rehabilitierung gekämpft.
Der Sammelband "Die SS nach 1945" untersucht, welche Netzwerke, Aktivitäten und Diskursstrategien dabei sichtbar werden. Wie erfolgreich waren apologetische Bestrebungen, wie stellt sich die Rezeptionsgeschichte der SS seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dar?
Einerseits war der SS- und Polizeiapparat ein Sündenbock, auf den die Nachkriegsgesellschaften in beiden Teilen Deutschlands alle Verantwortung für die unsäglichen Verbrechen des NS-Staates abzuleiten versuchten.
Dass seine Angehörigen dabei mitunter für Verbrechen verantwortlich gemacht wurden, die auf das Konto anderer NS-Organisationen oder der Zivilbevölkerung gegangen waren, zeigt, dass die SS sehr bald zu einer willkommenen Chiffre im Streben nach "Schulddelegation" wurde. Darüber hinaus diente der SS- und Polizeiapparat ab 1945 allzu gerne als Kontrastfolie beim Versuch, die angeblich "saubere" Wehrmacht von den Verbrechen des NS-Regimes freizusprechen.
Andererseits fanden selbst schwer belastete Angehörige des SS- und Polizeiapparats erstaunlich mühelos ihren Weg in die postnationalsozialistische Gesellschaft. In der jungen Bundesrepublik bot ihnen etwa die Organisation Gehlen, die 1956 in den BND überführt wurde, die Möglichkeit, ihre "Expertise" im Ost-West-Konflikt zu entfalten.
Für eine bemerkenswerte personelle Kontinuität in sensiblen Bereichen öffentlicher Verwaltung steht auch das Polizeiwesen. So hatte ein Großteil der leitenden Beamten des Bundeskriminalamts in der NS-Zeit der SS angehört. In den Fünfzigerjahren wurde deren Einstellung im BKA durch Verwaltungschef Eduard Michael befördert, der während des Weltkriegs für die Sicherheitspolizei in Polen an NS-Verbrechen beteiligt gewesen war.
Und wie der Fall Günther Niethammer zeigt, fanden einstige SS-Männer auch im Wissenschaftsbereich Unterschlupf: Dass der "Ornithologe von Auschwitz" ab Herbst 1940 Wachmann im dortigen Konzentrationslager gewesen war, der SS-Forschungsgemeinschaft "Das Ahnenerbe" angehört und während des Krieges an Expeditionen in besetzten Ländern teilgenommen hatte, war für die Universität Bonn kein Hinderungsgrund, Niethammer 1951 zu habilitieren und sechs Jahre später mit einer Professur zu betrauen.
Ebenfalls spielte die gezielte Propaganda durch Veteranen eine wichtige Rolle bei den Bestrebungen zur gesellschaftlichen Rehabilitierung der Männer, die bis 1945 unter Heinrich Himmler gewütet hatten.
So wurden die Angehörigen der Waffen-SS mit Vorliebe als Soldaten "wie andere auch" verharmlost, wenn nicht gar als antikommunistische Vorreiter einer "europäischen Mission" glorifiziert. In zahlreichen Büchern, Filmen und Zeitungsartikeln bemühten sich scheinbar authentische Zeitzeugen wie Paul Karl Schmidt ("Paul Carell") oder Joachim Peiper darum, Himmlers Schergen zu entlasten.
Solche Apologien stießen in der Nachkriegszeit nicht nur kaum auf Widerspruch. Wie Karsten Wilke zeigt, agierte die wichtigste Interessenvertretung der Waffen-SS in der Nachkriegszeit, die "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit", zeitweilig "in der Mitte der Gesellschaft".
Die Idealisierung des SS-Apparats reicht bis in die jüngere Vergangenheit
Dass die Idealisierung des SS- und Polizeiapparats bis in die jüngere Vergangenheit reicht, belegen nachdrücklich Carl-Eric Linsler und Michael Kohlstruck.
Neonazistische Magazine verwenden Sig-Runen, SS-Totenköpfe und verbreiten antisemitische und anderweitige rassistische Hetze; rechtsextreme Bands wie Schutzstaffel , SS-Sturmführer , Arisches Blut oder Sonderkommando Dirlewanger lassen schon im Namen und in Songtexten Geschichtsverfälschung in propagandistischer Absicht erkennen; und in der Reichsbürgerbewegung, in rechtsesoterischen Organisationen sowie in manchen Hooligangruppen fehlt - gelinde ausgedrückt - Distanz zur SS.
Doch auch außerhalb Deutschlands wird gelegentlich ein revisionistisches Geschichtsbild verbreitet. Besonders in einigen Ländern des früheren Ostblocks erlebte die Waffen-SS seit dem Jahr 1989 eine geradezu nostalgische Renaissance. Deren Soldaten wurden ungeachtet ihrer Beteiligung an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit als vorgeblich integre Protagonisten eines antisowjetischen Freiheitskampfes reingewaschen.
Diese anhaltende Heroisierung und Relativierung bildet in gewisser Weise einen Kontrapunkt zu jenen politisch motivierten "Demonstrationsprozessen", die in den Vierzigerjahren in sowjetisch besetzten Ländern unter Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien gegen SS-Männer und andere deutsche Kriegsverbrecher geführt worden sind.
Vor diesem Hintergrund fassen die Herausgeber die Ergebnisse ihres Sammelbandes, den einschlägige Beispiele aus Österreich durchaus hätten bereichern können, in dem Satz zusammen: "Die SS als verbrecherische Organisation ist 1945 durch den Sieg der Alliierten zu ihrem Ende gekommen; ihre Geschichte als Bildermaschine, Projektionsfläche und Element europäischer Erinnerungsdiskurse begann damit erst."
Angesichts revisionistischer Tendenzen bleibt die kritische Auseinandersetzung mit der SS für demokratische Gesellschaften aktuell.
Johannes Koll ist Senior Scientist an der Wirtschaftsuniversität Wien und Privatdozent an der Universität Wien.
SZ vom 04.03.2019
Jan Erik Schulte, Michael Wildt (Hg.): Die SS nach 1945. Entschuldungsnarrative, populäre Mythen, europäische Erinnerungsdiskurse. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018. 451 Seiten. 45 Euro. Der Buchtitel zeigt den Schauspieler Götz George als SS-Mann im Film "Aus einem deutschen Leben", der sich an der Vita des KZ-Auschwitz-Kommandeurs Rudolf Höß anlehnt.
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Eine Dienstleistung des SZ-Archivs
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