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Die Aufgabe ist sehr einfach und sehr schwer: Städte zu bauen für Menschen, die darin wohnen. Vittorio Magnago Lampugnani überblickt die verwickelte Geschichte der abendländischen Stadt und erzählt sie anhand ihrer bedeutsamsten Episoden.

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Produktbeschreibung
Die Aufgabe ist sehr einfach und sehr schwer: Städte zu bauen für Menschen, die darin wohnen. Vittorio Magnago Lampugnani überblickt die verwickelte Geschichte der abendländischen Stadt und erzählt sie anhand ihrer bedeutsamsten Episoden.

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Autorenporträt
Vittorio Magnago Lampugnani, geboren 1951 in Rom, studierte Architektur in Stuttgart und Rom, wo er 1983 promovierte. Nach Stationen in Stuttgart, Harvard, Berlin und Frankfurt am Main ist Lampugnani seit 1994 ordentlicher Professor für Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich und hat zusammen mit zwei Partnern ein Architekturbüro in Mailand. Von 1990 bis 1994 war er Direktor des Deutschen Architektur-Museums und konzipierte zahlreiche wichtige Ausstellungen in Washington, Berlin, Mailand und Venedig. Sein Forschungsschwerpunkt liegt bei den Grundlagen zu Geschichte und Theorie der Architektur und des Städtebaus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2017

Aus der Fabrik des städtebauenden Tieres

Kaiser, Päpste und Bürger hatten jeweils eigene Vorstellungen von ihrer Idealstadt: Vittorio Magnago Lampugnani erläutert die glanzvollsten Epochen der Urbanistik.

Von Michael Mönninger

Selbst der Kulturpessimist Oswald Spengler zweifelte nicht an der welthistorischen Bedeutung von Städten. "Alle großen Kulturen sind Stadtkulturen", schrieb der Historiker 1922. Den Menschen nannte er "ein städtebauendes Tier" und befand: "Weltgeschichte ist die Geschichte des Stadtmenschen." Doch die Stadthistorie ist nicht nur eine anspruchsvolle, sondern auch eine riskante Disziplin. Weil sich die urbanen Gefäße mit allerhand politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Inhalten befüllen lassen, tendieren Stadtgeschichten mangels fachlicher Beschränkungen zum Universaldilettantismus. Dieser Gefahr versuchten die neueren Meister der historischen Urbanistik - Mumford, Giedion, Egli, Benevolo, Kostof, Kieß - zu entgehen, indem sie entweder konzentrierte geographische Grundrissfibeln, Entwurfslehren, Bilderbücher oder Erziehungsromane vorlegten.

Ein bisschen von allem versammelt der deutsch-italienische Wissenschaftler, Architekt und Publizist Vittorio Magnago Lampugnani in seinem neuen Buch "Die Stadt von der Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert" als Abschluss seiner dreibändigen abendländischen Stadtbaugeschichte. Die beiden ersten Bände (F.A.Z. vom 27. November 2010) waren ganz dem zwanzigsten Jahrhundert gewidmet und schilderten glänzend detailliert und dokumentiert den Aufstieg und Niedergang des internationalen Wahnsystems der Moderne. Der neue Band, der mit Quellen und Literaturangaben etwas sparsam umgeht, umfasst die vorangehenden sieben Jahrhunderte seit dem Hochmittelalter einschließlich einer Grundlegung der antiken Städte.

Das führt zu einer gröberen Skalierung und sprunghafteren Darstellung, so dass auf Lampugnanis latinozentrischer Landkarte große weiße Flecken bleiben, die vom hellenistischen Orient über den slawischen bis skandinavischen Kulturraum reichen. Obwohl der Autor den Anspruch erhebt, den Zusammenhang von Stadtform und Gesellschaftsordnung zu untersuchen, um in der Architekturgeschichte der Stadt das soziale Leben zu spiegeln, verzichtet er weitgehend auf eine verbindende Erzählung und vergleichende Interpretation. Heraus kommt dabei eine zuweilen etwas trockene Morphologie von Stadtplänen und Häusern, die nur gelegentlich von einer rückschauenden Vergegenwärtigung belebt wird.

Glücklicherweise hält sich der Autor nicht lange beim öden Kleinstadtleben des antiken Athens auf, sondern geht schnell zu den Stadtgründungen der griechischen Westkolonisierung in Italien und Sizilien über. Seit dem vierten Jahrhundert vor Christus setzten sich im Mittelmeerraum die zeitlosen Rastergrundrisse des Hippodamus von Milet durch, die bis heute als ideale Bauform demokratisch-egalitärer Stadtgesellschaften gelten. Das republikanische Rom entwickelte das griechische Schachbrett mit Insulae-Parzellen und zentralem Achsenkreuz weiter und übernahm auch die urbane Arbeitsteilung zwischen heiliger Akropolis und profaner Agora in der komplementären Gestalt von Kapitol und Forum.

Leider beschreibt Lampugnani die immer prächtiger werdenden Fora des kaiserzeitlichen Rom ohne politische Deutung. Dabei wäre es durchaus erwähnenswert, wie die Caesaren in der zerfallenden Demokratie das Volk mit immer glanzvolleren Platzanlagen für den Verlust seiner Freiheit entschädigten. Das hatte schon Oswald Spengler moniert und den gehaltlosen Pomp der Kaiserforen als "das getreue Gegenstück moderner Weltausstellungen, aufdringlich, massenhaft, leer" beschrieben.

Hier deutet sich mit dem Verhältnis von heilig und profan - längst abgesunken zu: öffentlich und privat - ein begrifflicher Leitfaden an, der über eine formale Stadtgeschichte hinaus auch eine funktionale Analyse urbaner Machtverhältnisse erlaubt. Diese Perspektive greift Lampugnani aber nicht systematisch auf. Zwar kommt er am Beispiel der mittelalterlichen Baukunst der Stadtstaaten Florenz und Siena auch auf die urbanen Eigentumsverhältnisse zu sprechen, verliert aber die stadtbegründende Bodenökonomie immer wieder aus den Augen. Immerhin zeigt der Autor anhand eines rekonstruierten, parzellenscharfen Katasterplans aus Florenz von 1427 mit den Namen sämtlicher Hauseigentümer, wie kompakt historische Stadtgewebe aus privaten Grundstücken zusammengesetzt waren und wie wenig es das gab, was heute als höchstes Gut gilt - öffentliche Räume.

Das Öffentliche entstand hier offenbar mit Hilfe des Heiligen. Denn erst hatte Kaiser Konstantin jeder selbständigen Stadt einen Bischofssitz zugeordnet, dann übertrug die Reichsregierung den Kirchen zunehmend juristische und militärische Aufgaben, und als eingefleischter Gegner des Feudaladels stieg die Kirche schließlich zum wichtigsten Förderer der kommunalen Eigenständigkeit auf. Das prägte sich auch in den Stadtgrundriss ein, weil Mönchsorden auf der Suche nach einem direkteren Verhältnis zur Bevölkerung öffentliche Plätze als Predigträume schufen.

In Siena drängten die selbstbewussten Bürger und Zünfte schließlich auch den Klerus zurück und bauten von 1200 an mit ihrem prächtigen Rathausplatz in Form eines römischen Theaters das Ideal eines städtischen Versammlungsraumes. Lampugnani erwähnt auch die von Wolfgang Braunfels eindringlich beschriebene Bauordnung von 1297 mit ihren strengen Vorgaben für Fenster und Fassaden bis hin zum Verbot von lärmenden Umtrieben, wodurch der Campo von Siena bis heute in unverstellter Schönheit erhalten ist.

Die Idealstädte der italienischen Renaissance waren aufgrund der stark literarischen Prägung der Epoche zunächst von Theatern und Bühnenbildern inspiriert und wurden erstmals in der Papststadt Pienza 1458 in Stein gehauen. Deren winziges Platzensemble bildet mit seinen geheimnisvollen Proportionen und Schattenwürfen ein kosmologisch-kalendarisches Wunderwerk, dessen Natur- und Himmelsbezug auf höchster entwerferischer Kunstfertigkeit beruht. Solche Spezialkenntnisse sind der grundlegenden Pienza-Monographie von Jan Pieper zu verdanken, die Lampugnani unerwähnt lässt.

Zu Hochform läuft der Autor beim gigantischen Stadtumbau in Rom von Papst Sixtus V. 1585 auf. In der heißen Phase der Gegenreformation, in der die Kirche nicht nur England, sondern auch Frankreich zu verlieren fürchtete, wollte der Papst seine Autorität zeigen, indem er Rom als neue Welthauptstadt in ein begehbares Heiligtum für Religionstouristen verwandelte. Anstelle von neuen Sakralbauten ließ er seinen Architekten Domenico Fontana die sieben Hauptkirchen räumlich und funktional zusammenbinden, damit zu Stoßzeiten bis zu vierhunderttausend Pilger alle Gotteshäuser an einem Tag abschreiten konnten. Es entstanden Wasserleitungen für zwanzig neue Brunnenplätze und gewaltige Prozessionsstraßen zwischen den Kirchen, deren Fernwirkung durch ägyptische Obelisken gesteigert wurde.

Der Autor beschreibt Sixtus V. treffend als "aggressiven Unternehmer" und protomodernen Planer, der die Stadtwirtschaft ankurbelte, päpstliche Staatsanleihen mit zehnprozentiger Verzinsung ausgab und seine Investitionen durch den Verkauf von Ämtern und Straßenverkehrssteuern finanzierte. Die heilige Stadt wurde derart radikal zu einem öffentlichkeitswirksamen Publikumsmagneten umgebaut, dass der Chronist Abt Angelo Grillo 1612 schrieb, er habe Rom nach zehn Jahren Abwesenheit kaum wiedererkannt.

Der französische Absolutismus steigerte die barocken Achsen und Symmetrien Roms zu den strengen Gartengeometrien von Vaux-le-Vicomte bis Versailles, die wiederum auf die Stadtplanung mit ihren Königsplätzen zurückwirkten. Die parallele Geburt des neuzeitlich-rationalen Urbanismus aus dem Geist der Waffentechnik und Ballistik zeigt Lampugnani anhand des Festungsbaumeisters Vauban, der dreihundert Städte befestigte und dreiunddreißig Neustädte errichtete. Doch Stanislaus von Moos' grundlegende Arbeit zu diesem internationalen Stil der Wehrarchitektur nennt der Autor nicht.

Vor dem Großereignis des Pariser Stadtumbaus im Second Empire behandelt das Buch die wichtigen Vorarbeiten von Napoleon I., der sich trotz seiner ständigen Feldzüge um die Pariser Stadthygiene mit neuen Trinkwasserleitungen, Marktplätzen, Schlachthöfen und Friedhöfen kümmerte. Die Abkehr von der absolutistischen zur nachrevolutionären Stadt zeigte sich am deutlichsten in der Aufteilung und Erschließung der Latifundien, die der Republik nach der Enteignung von Kirche und Adel zugefallen waren; allerdings lief die Immobilienverwertung zunächst schleppend, weil die politisch emanzipierten Citoyens erst lernen mussten, zu bauenden Bourgeois zu werden.

Napoleon ließ die Seine-Insel und den Louvre aufräumen und trieb die arkadengesäumte Stadtdurchquerung der Rue de Rivoli voran. Doch als größten urbanistischen Verdienst nennt Lampugnani seine Neuordnung von mehr als zwei Dutzend europäischer Großstädte; die Venezianer verdanken ihren heutigen Markusplatz ebenso wie die Düsseldorfer ihre Königsallee dem französischen Kaiser, der zumindest seine stadtästhetischen Vernunftprinzipien zum nachhaltigen Exportschlager machte. Dies gilt erst recht für die Transformation von Paris durch Napoleon III. und seinen Generalplaner Haussmann von 1853 an, deren Achsen, Durchbrüche, Perspektiven und Freilegungen von nahezu allen Großstädten weltweit übernommen wurden.

Je mehr sich Lampugnanis Stadtgeschichte dem neunzehnten Jahrhundert nähert, desto dichter wird auch die verfügbare Literatur zu Paris, London, Wien und Berlin, so dass der Leser viel Bekanntes erfährt. So bleibt nach dem Parforceritt durch die europäischen Planungsmentalitäten eine Metropole übrig, der Lampugnanis größte Liebe gilt: Barcelona, jene riesige Stadtfabrik, die erstmals nicht mehr Innenausbau, sondern Expansion betrieb und ihre Stadtfläche von 1859 an verzehnfachte.

So abstrakt das Werk des autokratischen Ingenieurs Ildefonso Cerdà auf dem hippodamischen Raster sowie auf verkehrstechnischen Zwängen beruhte, so lebendig haben die Einwohner das riesige Schachbrett aus über tausend privaten Insulae-Blöcken und zweihundert öffentlichen Stadtplätzen umgebaut, verdichtet und eingerichtet. Indem Lampugnani sein Buch mit einer nach antikem Muster organisierten Stadt schließt, die bis heute in ihrer urbanen Vielfalt und vitalen Mischung zu den weltweit beliebtesten Reisezielen zählt, zeigt er, dass das Abendland des städtebauenden Tieres Mensch noch lange nicht untergehen wird.

Vittorio Magnago Lampugnani: "Die Stadt von der Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert". Urbane Entwürfe in Europa und Nordamerika.

Wagenbach Verlag, Berlin 2017. 384 S., 350 Abb., geb., 78,- [Euro].

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