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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Die Stimmen in der Radiowerbung wandeln sich
Der soziale Wandel macht auch vor der menschlichen Stimme nicht halt. Besonders gut zeigt sich das im Hörfunk, wo die Sprechweise ohne visuelle Ablenkung gesellschaftliche Trends sichtbar macht. Potenziert scheint dieser Effekt in der Rhetorik von Werbespots. Die Stimmen dort legen Zeugnis ab über sozio-ökonomische Gegebenheiten, Rollenverhältnisse und Klischees. Dabei sind die deutlichsten Veränderungen bei weiblichen Stimmen zu verzeichnen, schreibt die Linguistin Ulrike A. Kaunzner, die an der italienischen Universität Modena germanistische Sprachwissenschaft lehrt. Ihr kürzlich erschienenes Buch nimmt die Sprechmoden der Radioreklame der Jahre 1950 bis 1970 in Westdeutschland unter die Lupe. Als Quelle dienen Werbespots aus dem Werbefunkarchiv der Regensburger Unibibliothek.
Kaunzner beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit der Rundfunkwerbung. Schon 2008 erschien von ihr ein Aufsatz mit dem schönen Titel "Vom 'Leiden' der Pause am Lampenfieber. Sprechen im Hörfunk" in einem Sammelband. Ihr ausdrücklich an Studierende und Lehrende der Sprech- und Sprachwissenschaft gerichtetes neues Buch ist nicht unbedingt eine süffige Lektüre, doch auch für Werber und Medienarbeiter interessant. Denn der Hörfunk, der seine besten Zeiten in den 1920er und 1930er Jahren erlebte und als Begleitmedium fleißiger Hausfrauen reüssierte, ist nach wie vor präsent. Doch haben sich Stimmen und Sprechstil erheblich verändert.
Wie sehr, macht Kaunzner nicht zuletzt in Kapitel 5 deutlich, für das Werbespots zu Kaffee, Zahnpasta und Waschpulver aus der Zeit von 1950 bis 1970 mit Beispielen von 2010 konfrontiert wurden. Die historischen Exempel galten den 120 Testhörern unserer Tage durchweg als zu negativ, emotional und stimmlich überbetont. Moniert wurde auch, dass dort fast immer nur männliche "Experten" zu Wort kamen, was sich seitdem zugunsten angenäherter Stimmlagen der Geschlechter geändert habe. Ein Wandel, der sich erneut zu wandeln scheint. Denn in den Medien und in der Werbung seien "squeaky (quietschende) weibliche Stimmen, die hochemotional oder erotisch klingen, derzeit extrem angesagt", zitiert Kaunzner jüngste Untersuchungen. Sie lässt unbeantwortet, welche gesellschaftlichen Erwartungen hinter diesem Trend zur hohen Frauenstimme stecken. ULLA FÖLSING
Ulrike A. Kaunzner: Die Stimme als Zeitzeugin. Werberhetorik im Hörfunk. Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2021, 254 Seiten, 68 Euro.
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