Mit "Love and Theft", Liebe und Klauen, dem Album von 2001, begann Bob Dylans Spätwerk. Die darauf und den dann folgenden Alben versammelten Songs deuten die Gegenwart nicht nur als apokalyptischen Totentanz, sondern brachten Dylan auch den Vorwurf des Plagiats ein: Waren die Texte nicht allesamt zusammengeklaut, montiert aus Versatzstücken, die er der amerikanischen Musiktradition und der Weltliteratur von Homer und Ovid über Shakespeare bis F. Scott Fitzgerald entnommen hatte, ohne auch nur ein einziges davon nachzuweisen? Was als Inspirationsmangel eines alternden Künstlers erscheinen könnte, bildet, wie der Literaturwissenschaftler und Dylan-Experte Heinrich Detering zeigt, das Kernstück einer zeitgenössischen, ungeheuer produktiven Poetik. Bei Dylan hat Ovid den Blues. Und der Blues hallt durch die Gewölbe der Antike, vernehmbar bis in die Gegenwart. Mit literarischem Einfühlungsvermögen und detektivischer Beobachtungsenergie führt Detering ins Zentrum von Bob Dylans einzigartiger Kunst, der wiederholt als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt wurde. Und er öffnet den Blick für die erstaunlichen schöpferischen Möglichkeiten einer Songpoesie, ja von Poesie generell im 21. Jahrhundert.
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Für Jens-Christian Rabe ist es so etwas wie "kulturelles Grauen", wenn sich ein renommierter Germanist wie Heinrich Detering plötzlich mit Bob Dylan befasst, und leider trügt ihn der erste Eindruck nur wenig, muss der Kritiker feststellen. Denn Deterings Buch, dass sich in fünf Kapiteln kleinstteilig vier Songs und einem Film widmet, liest sich mitunter wie "Fleißarbeit", die man sich allerdings mit Blick auf Online-Foren, die bereits jede literarische Anspielung in Dylans Werk hinlänglich offengelegt haben, hätte sparen können, ätzt der Kritiker. Dass der Autor etwa im "Tempest"-Album zahlreiche Shakespeare-Bezüge nachweist, nimmt der Rezensent achselzuckend zur Kenntnis. Dass Detering sich nie die Mühe macht, die betreffenden Passagen in seinen ewig langen unübersetzten Zitaten noch einmal für die Analyse hervorzuheben, ärgert den Kritiker dann doch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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