Die am Ende des 20. Jh.s im deutschen Sprachraum entstandene und bis heute nicht beigelegte Kontroverse um die Deutung der Tragödien des Sophokles führte nicht so sehr zu einem eindeutigen 'Paradigmenwechsel', sondern legte vielmehr erneut die methodische Unsicherheit der Klassischen Philologie gegenüber Fragen der Gesamtinterpretation bloß. Dieses Buch möchte die verfahrene Diskussion auf eine neue Grundlage stellen, indem es die geistesgeschichtlichen und methodischen Voraussetzungen der neueren Sophokles-Deutungen und somit der Sophokles-Interpretation überhaupt in mehreren Schritten systematisch zu klären versucht. Ein erster Teil legt die Geschichte des Verständnisses und der Deutung der griechischen Tragödie im allgemeinen und des sophokleischen Oedipus Rex im besonderen zwischen 1500 und 1900 in ihrer gedanklichen Entwicklung und im Zusammenhang mit der europäischen Tragödientheorie analytisch dar. Ein zweiter Teil geht einigen zentralen und bis heute nicht eindeutig geklärten Postulaten der Tragödien- und Handlungstheorie des Aristoteles und deren neuzeitlichen Interpretationen nach, die das Verständnis der griechischen Tragödie Jahrhunderte lang bestimmt haben und durch die neueren Sophokles-Interpretationen wieder ins Zentrum der Diskussion gerückt sind. Ein dritter Teil versucht, die Aporien der Sophokles-Interpretationen literaturtheoretisch zu erfassen und wirft erneut die Frage nach den Möglichkeiten und Kriterien eines angemessenen Verständnisses der sophokleischen Tragödie auf.
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