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Klaus Mann kannte Oda Schottmüller als bizarre Zeichnerin. Vor allem aber war sie eine bedeutende Bildhauerin und Ausdruckstänzerin, die sich auch nach 1934 nicht scheute, ihre phantastischen, oftmals tragischen Choreographien öffentlich zu zeigen. Ihre Beziehung zu dem kommunistischen Bildhauer Kurt Schumacher brachte sie Ende der 1930er Jahre in Kontakt mit dem Freundeskreis um Harro Schulze-Boysen, in dem freimütig künstlerische und politische Fragen diskutiert, ausländische Sender gehört, Verfolgten geholfen und Aktionen gegen die Nazi-Diktatur vorbereitet wurden. Im Spätsommer 1942…mehr

Produktbeschreibung
Klaus Mann kannte Oda Schottmüller als bizarre Zeichnerin. Vor allem aber war sie eine bedeutende Bildhauerin und Ausdruckstänzerin, die sich auch nach 1934 nicht scheute, ihre phantastischen, oftmals tragischen Choreographien öffentlich zu zeigen. Ihre Beziehung zu dem kommunistischen Bildhauer Kurt Schumacher brachte sie Ende der 1930er Jahre in Kontakt mit dem Freundeskreis um Harro Schulze-Boysen, in dem freimütig künstlerische und politische Fragen diskutiert, ausländische Sender gehört, Verfolgten geholfen und Aktionen gegen die Nazi-Diktatur vorbereitet wurden. Im Spätsommer 1942 verhaftete die Gestapo Harro Schulze-Boysen, Kurt Schumacher, Arvid Harnack, Oda Schottmüller und etwa 120 weitere Personen. Die Gestapo hatte diesem Kreis den Namen 'Rote Kapelle' als Fahndungsbegriff zugeordnet und verdächtigte die Verhafteten, einer von Moskau gesteuerten Spionageorganisation anzugehören. Oda Schottmüller wurde vorgeworfen, ihr Atelier für Funkversuche nach Moskau zur Verfügung gestellt zu haben. Das Reichskriegsgericht verurteilte sie dafür zum Tode; am 5. August 1943 wurde sie enthauptet. Eine Vielzahl bislang unbekannter Dokumente und Fotos erlauben jetzt die weitgehende Rekonstruktion des tragischen Lebensweges und des künstlerischen Schaffens von Oda Schottmüller.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.12.2006

Roter Tanz
Geertje Andresen über Leben und Kunst der Oda Schottmüller

In der Adventszeit vor fünfundsechzig Jahren begannen die Lage für Hitlers Armee schwierig auszusehen. Das "Unternehmen Barbarossa", der Plan, die sowjetische Großmacht mit einem Blitzangriff zu besiegen, war gescheitert. Am 11. Dezember erklärte Deutschland auch noch den Vereinigten Staaten den Krieg.

Just in diesen Tagen nahmen die deutsche Funkabwehr und die Gestapo in Belgien die Spur europaweit agierender Widerstandskreise auf. In Brüssel wurden Funker verhaftet, die in Kontakt zu Moskau gestanden hatten. Die Widerstandsgruppe trug den Namen "Rote Kapelle".

Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen aber ahnten in Berlin noch nicht, wie nah das Unglück war, wie bald die Verhaftungen und Ermordungen der befreundeten Widerstandskämpfer beginnen würden. Statt dessen erträumten sie, ermutigt vom Verlauf des Vielfrontenkrieges, für die Nachkriegszeit "eine sozialistische Regierung der Arbeiter und Soldaten und der werktätigen Intelligenz". Zur "Roten Kapelle" zählte auch die Bildhauerin und Tänzerin Oda Schottmüller.

Als das Schicksal des Kreises praktisch schon besiegelt war, trat sie gerade - am Nikolaustag 1941 - eine Wehrmachtstournee an, die sie nach Holland, Frankreich und Italien führen sollte. Oda Schottmüller war mit einem Regimegegner befreundet, der denselben Namen trug wie ein später berühmter SPD-Politiker: Kurt Schumacher. Durch ihn wurde sie in die Kreise der Hitler-Feinde eingeführt.

Schottmüller, die viele ihrer Solotänze mit selbst gestalteten Masken vorführte, war mit Libertas Schulze-Boysen befreundet, die auch einen längeren Aufsatz über die künstlerische Doppelbegabung schrieb, zählte aber nie zu den in die gefährlichsten Aktionen Eingeweihten der "Roten Kapelle". Es ist ganz unklar, ob von ihrer Atelierwohnung wirklich Funksprüche des Widerstands abgesetzt wurden. In der Charlottenburger Reichsstraße ging sie der bildhauerischen Arbeit an ihren Porträtbüsten noch 1942 ungestört nach und plante einen neuen Kammertanzabend.

Im Anschluß an ihre Wehrmachtsauftritte in Italien - die sie absolvierte, um ihren Lebensunterhalt zu sichern - verlebte sie sogar noch Urlaubswochen im Süden. Schottmüller tanzte in Italien vor Soldaten, denen meist nur die Hälfte ihrer anspruchsvollen und nicht selten düsteren Tänze gefiel, als der Funker Johann Wenzel von der "Roten Kapelle" in Brüssel verhaftet wurde. Wenzel hatte ein halbes Jahr zuvor Informationen Schulze-Boysens nach Moskau gesendet. Nun brach er unter furchtbarsten Folterqualen zusammen und ließ sich zur Entschlüsselung der geheimen Botschaften für die Gestapo zwingen. Das war der Anfang vom Ende der "Roten Kapelle".

Am 28. Januar 1943 wurde neben vielen vor, mit und nach ihr die Tänzerin Oda Schottmüller zum Tode verurteilt. Geringes "Mitwissen und Nichtanzeigen", "Solidarität mit ihren Freunden", wie ihre Biographin Geertje Andresen schreibt, bedeuteten ihr Ende. Ein Gnadengesuch, das sie schließlich doch stellte, wurde abgelehnt. Am 5. August 1943 richtete der Henker Oda Schottmüller am Abend mit fünfzehn anderen Widerstandskämpfern hin. "Sei tapfer", hatte die 1905 geborene, auf der Odenwaldschule eng mit Klaus Mann befreundete junge Frau ihrer als "Mein lieber kleiner Teo!" adressierten Mutter noch geschrieben: "denk daran, daß Du wieder eine gute Zeit erleben wirst". Weder ihre Vernehmungsprotokolle noch die Urteilsbegründung sind erhalten.

WIEKBE HÜSTER.

Geertje Andresen: "Oda Schottmüller". Die Tänzerin, Bildhauerin und Nazigegnerin. 1905-1943. Lukas Verlag, Berlin 2006. 353 S., geb., S/W-Abb., 19,80 [Euro].

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