Die "Tagsatzung der Eidgenossen" bietet die überfällige Untersuchung der wichtigsten Institution der vormodernen Schweiz. Diese Versammlung verkörperte im komplexen Bündnisgeflecht der alten Eidgenossenschaft den zentralen Ort der Kommunikation der Vertreter der dreizehn Kantone und der locker assoziierten "Zugewandten Orte" unter sich und mit den Gesandten europäischer Mächte. Trotz ihrer unumstrittenen Bedeutung für die Schweizer Geschichte und in eigentümlichen Kontrast zum Reichtum der Quellen gab es bislang wenig Detailforschung und keine Gesamtdarstellung. Erstmals werden Anzahl, Frequenz, Dauer, Teilnehmer und Gäste der über 5.000 Tagsatzungen und Konferenzen zwischen 1470 und 1798 auf der Baisis der "Eidgenössischen Abschiede", der 1856-1886 edierten Sitzungsnotizen in Regestform, quantifizierend dargestellt. Das Sozialprofil der Teilnehmer - eidgenössische Tagherren und Gesandte fremder Mächte - und die an den Sitzungen behandelten über 60.000 Geschäfte werden in Stichproben rekonstruiert. So entsteht das Profil einer Institution, die zwar keine normativen Gründungsdokumente oder ausformulierte Geschäftsordnungen kannte, sich aber über die ständig wiederholte Praxis als langlebigste föderative Versammlung überhaupt etablierte. Die Analyse der Verfahren zur Entscheidungsfindung, die an der Tagsatzung in Gebrauch waren, mündet in eine Kulturgeschichte des Politischen. Sie untersucht anhand von Berichten, Korrespondenzen und diplomatischen Akten aus dreizehn schweizerischen und europäischen Archiven die Kommunikationsmodi unter den eidgenössischen Tagherren und den europäischen Diplomaten. Eingebettet in vielfältige Formen des Zeremoniells und der Soziabilität vermittelten die Akteure offiziell im Sitzungssaal, aber auch informell im Wirtshaus, im Thermalbad oder im Gotteshaus innereidgenössische Konflikte, verwalteten die "Gemeinen Herrschaften" (Untertanengebiete) und koordinierten die Außen- und Wirtschaftspolitik. Dabei erwies sich die Tagsatzung als stabil, flexibel - etwa in der Ausdifferenzierung konfessioneller Konferenzen nach der Reformation - und weit effizienter als ihr Ruf. Schließlich symbolisierte die Institution Tagsatzung die Eidgenossenschaft als komplexes föderales Gebilde. Dies zeigt nicht nur die eidgenössische Selbstdarstellung in Texten, Bildern und Ritualen, sondern auch die europäische Wahrnehmung von Staatstheoretikern, Bildungsreisenden und Diplomaten. Im Vergleich zu anderen - bündischen und ständischen - repräsentativen Institutionen des frühneuzeitlichen Europa waren die wenig hierarchisierten eidgenössischen Tagsatzungen und Konferenzen bemerkenswert eigenaktiv und langlebig. Die Geschichte der alten Edidgenossenschaft wird als Kommunikationsgeschichte ihrer bedeutendsten politischen Institution geschrieben und die Tagsatzung der Eidgenossen im Vergleich mit europäischen repräsentativen Versammlungen der Vormoderne neu positioniert.