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Krimis in Kürze: Anthony Horowitz, Nicholas Searle und Matthias Wittekindt
Ab und zu schadet es gar nichts, mal etwas zu lesen, was man sonst a priori zur Seite legt, wegen des Sujets, des Schauplatzes oder des zu erwartenden Personaltableaus. Es könnte sein, dass man ein paar Vorurteile auf Eis legen muss - oder auf den neuesten Stand bringen darf. Der Brite Anthony Horowitz ist ein Mann für jene, die viel von Agatha Christie und Inspektor Barnaby halten und womöglich auch "Der Doktor und das liebe Vieh" schätzen. Zum Erwartungshorizont gehören da natürlich auch Tweed und Tee, grüne Weiden, adrette Häuschen, alte Herrensitze und pikierte Herrschaften. Und Titel wie "Die Morde von Pye Hall" (Insel, 600 S., geb., 24,- [Euro]).
Aber man merkt bald, dass dieses Buch makellos konstruiert ist, erkennt die Blaupausen bei Conan Doyle und Agatha Christie und amüsiert sich über das Spiel mit der Metafiktion, das Horowitz nie übertreibt. Eine Lektorin beginnt das Manuskript eines Erfolgsautors zu lesen, der ein ziemlicher Kotzbrocken ist, aber dessen Krimis nun mal den Verlag am Leben erhalten. Das Manuskript ist leider unvollständig. Es bricht ab, als es spannend wird. Dann ist plötzlich auch noch der Autor tot.
So kann endlich die Fiktion des Romans in die Wirklichkeit der Lektorin einsickern, und man fragt sich, ob das Leben nun die Kunst nachahmt oder ob beider Korrespondenzen noch komplizierter sind. Horowitz hat sichtlich Spaß an der Sache, er erspart dem klassischen Dorfpersonal vom Doktor und Pfarrer bis zur Haushälterin und dem örtlichen Tunichtgut keinen falschen Verdacht und keine Verwirrung. Und er schickt einen moribunden Detektiv aufs Land, den er Atticus Pünd nennt, der aber aufgrund seiner Methodik Hercule Holmes heißen müsste. Ein bisschen arg lang ist das Buch vielleicht, aber ansonsten kommt seine "Britishness" in einer homöopathischen Dosis, die man sich gefallen lässt.
Auf die härtere Seite im United Kingdom, wo Arsen und Spitzenhäubchen durch falsche Pässe und Granatwerfer ersetzt werden, gerät man in jedem Thriller, in dem der Nordirland-Konflikt und dessen Nachwehen in der Gegenwart eine Rolle spielen. Nicholas Searle, der mit "Das alte Böse" (F.A.Z. vom 8. Mai 2017) ein originelles Debüt ablieferte, erzählt, ähnlich wie Gerald Seymour in "Vagabond" (F.A.Z. vom 5. Februar), von einem alten IRA-Kämpfer, dessen Zeit langsam abläuft, weil er in den neuen politischen Verhältnissen nicht mehr gebraucht wird, die mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 eingetreten sind.
"Verrat" (Kindler, 352 S., geb., 19,95 [Euro]) besteht aus neun Kapiteln, die den Zeitraum zwischen 1989 und der Gegenwart umspannen. Der Roman handelt vom eisernen und mörderischen Kämpfer Francis und dessen ergebener Frau, die ihn verrät, von seinem Boss, der sich alle Optionen offenhält, und von einer Geheimagentin, die ihn zu infiltrieren versucht. Searle wechselt versiert die Perspektiven. So lässt sich die verfahrene Konstellation verstehen, ohne dass man die einzelnen Taten deshalb billigen müsste. Es ist ein Blick in eine Welt, in der Loyalität einem Würgegriff gleichen und Verrat zum Akt der Vernunft und Befreiung werden kann, weil einzelne Leben unerbittlich dem Kampf für die gerechte Sache unterworfen werden. Als Sieger darf sich hier niemand fühlen. "Ich bin bloß der Affe, nicht der Leierkastenmann", sagt der Mann vom MI5.
Dies ist definitiv keiner dieser Fälle, in denen Buch- und Fernsehautoren dort, wo sie schon immer gerne Urlaub gemacht haben, einen besonders pittoresken Krimi ansiedeln. Matthias Wittekindt ist ein anderes Kaliber, was Leser wissen, die seinen Gendarm Ohayon schon in vier Romanen kennenlernen konnten. "Die Tankstelle von Courcelles" (Nautilus, 256 S., br., 16,90 [Euro]) ist das Prequel zu diesem Quartett, es zeigt den Polizisten als jungen Mann, und es ist zugleich eine Coming-of-Age-Geschichte von Jugendlichen in der Provinz, am Rande der Vogesen, Mitte der achtziger Jahre, Mitterrand regiert im Elysée-Palast. Eine Geschichte mit all dem Schmerz der ersten Liebe, den Träumen von Paris, den rigorosen Ansichten, der Aufbruchsstimmung, der Angst - und mit einem nächtlichen Doppelmord an der Tankstelle, wo die junge Lou, auch sie kurz vorm Abitur, jobbt.
Wittekindt lässt die genauen Ereignisse jener Nacht nur allmählich sichtbar werden. Einzelne Puzzlesteine kommen zusammen, ergeben zunächst ein recht schlüssiges Bild, das sich mit dem nächsten Stein jedoch schon wieder als trügerisch erweisen kann. Wittekindts elliptisches Erzählen ist genau die Form, die diese Geschichte braucht; es hätte den Roman allerdings noch überzeugender gemacht, wenn der Erzähler nicht immer wieder mal ohne Not Sätze oder Absätze einstreute, die seine Allwissenheit demonstrieren.
PETER KÖRTE
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
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