Familie ist wie ein Baum - die Zweige wachsen in unterschiedliche Richtungen, aber die Wurzeln halten alles zusammen
Bisher war das Verhältnis der beiden Schwestern Rena und Viktoria eher lose geknüpft, denn ihre unterschiedlichen Charaktereigenschaften haben sie mehr entzweit als geeint. Das
ändert sich, als Hilka, durch einen Herzinfarkt mehr als geschwächt, den Wunsch äußert, mit ihren…mehrFamilie ist wie ein Baum - die Zweige wachsen in unterschiedliche Richtungen, aber die Wurzeln halten alles zusammen
Bisher war das Verhältnis der beiden Schwestern Rena und Viktoria eher lose geknüpft, denn ihre unterschiedlichen Charaktereigenschaften haben sie mehr entzweit als geeint. Das ändert sich, als Hilka, durch einen Herzinfarkt mehr als geschwächt, den Wunsch äußert, mit ihren beiden Töchtern zu sprechen. Hilka weiß, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt, um endlich reinen Tisch zu machen und die Geheimnisse aufzudecken, die sie schon ihr ganzes Leben lang mit sich herumträgt. Als sie zu erzählen beginnt, ändert sich alles....
Regine Kölpin entführt ihre Leser:innen mit ihrem seelenvollen und bildhaften Schreibstil wieder an die Nordseeküste und lässt die alte Kornmühle geradezu majestätisch aus den Seiten steigen. Und genau so , wie es in im Gebälk und den Flügeln der Mühe ächzt und knarzt, so knarzt es auch im Familienkonstrukt. Denn das, was Hilka auf ihre alten Tage zu erzählen hat, ist keine leichte Kost.
Dabei verwebt die Autorin die schreckliche Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg mit Geschehnissen, die nicht stattgefunden haben zu einer neuen Realität, die unglaublich authentisch und mitreißend erzählt wird. Während Rena eher den bodenständigen Part einnimmt und fast schon verbissen für den Erhalt der Mühle kämpft, ist Viktoria eine Getriebene, eine Ruhelose, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Immer auf der Suche nach dem eigenen Ich und einem Heimathafen, lässt sie sich von einem Ort zum anderen treiben und versucht dort ihr Glück.
Die Schilderungen von Hilka sowie die Tagebucheinträge gehen unter die Haut und zeichnen ein sehr lebhaftes Bild von der Zeit, als die Welt in Schutt und Asche gelegen hat. Vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges drehen sich die Flügel der alten Kornmühle und mahlen nicht nur das Mehl, sondern wirbeln auch so manchen Staub auf, der sich über die Jahre auf die Geheimnisse gelegt hat.Lügen, Intrigen und große Gefühle gehören damals wie heute zur Tagesordnung und es gelingt der Schreibenden, diese Komponenten zu einer mitreißenden Handlung zusammenzufassen.
Die Ängste von Tjade sind zum Greifen nahe, seine Liebe zu Hilka geht zu Herzen und der Wandel, der durch seinen Einsatz an der Front mit ihm geschieht, ist für die Leser;innen nachvollziehbar und geht unter die Haut. Zudem schafft es Kölpin, der Enkel:innengeneration einen Einblick in das Leben ihrer Großmütter und Großväter zu geben, denn diese Generation hat viel zu erzählen.
Es ist ein ständiger emotionaler Wechsel zwischen den Rückblenden in die 1940er Jahre und dem Leben in der Gegenwart, der nicht nur die beiden Schwestern wieder einander näher bringt. Köplin schildert mit viel Fingerspitzengefühl, wie das Entblättern der Wahrheit auch ein Annähern und Versöhnen der beiden Schwestern mit der eigenen Herkunft und der Familiengeschichte ist.
Auch wenn Viktoria manchmal recht unnahbar erscheint und Rena ihr vermeintlich das Wasser abgräbt, so sind beide Frauen doch auf ihre Art und Weise liebenswert. Ihre Geschichte berührt mich und es fließen auch schon mal ein paar Tränchen. Der geschwisterliche Zusammenhalt wird mit jeder gelesenen Seite größer und Kölpin gelingt, was vorher unmöglich schien - beide Frauen versöhnen sich und können, trotz unterschiedlicher Lebenseinstellungen, sich gegenseitig Halt und Trost geben.
Kölpin schreibt authentische Geschichten zum Anfassen, miterleben und nachfühlen und dafür gibt es wieder 5 Sternchen