Studienarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Politik - Allgemeines und Theorien zur Internationalen Politik, Note: 1,0, Universität Rostock (Institut für Politik und Verwaltungswissenschaften), Veranstaltung: Proseminar Klassiker der Staatsphilosophie, Sprache: Deutsch, Abstract: Luther stellt 1523 seiner Schrift „Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“ Zitate von Paulus im Römerbrief (Röm. 13; 1,2) und Petrus (1. Petr. 2; 13,14) voran. Diese Schrift stand nachfolgend häufig im Mittelpunkt theologischer und staatsphilosophischer Betrachtungen. Insbesondere mit der daraus abgeleiteten sogenannten Zwei-Reiche-Lehre wurde Martin Luther vielfach als Kronzeuge für die politische Entwicklung besonders in Deutschland herangezogen. Fast scheint es aber, als hätten gerade jene Rezipienten der Obrigkeitsschrift, die Luther als Gewährsmann für politisches Handeln heranzogen nicht oder nicht viel mehr als die o. g. hinlänglich bekannten Bibelzitate gelesen oder verstanden. Jedenfalls sollte die Reduktion Luthers auf „Obrigkeitsstaat“ und „Obrigkeitsgehorsam“, insbesondere für das Regime des Dritten Reichs, künftig eine zentrale Rolle spielen. Aber gerade die Inanspruchnahme dieser Lehre durch Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts forderte Theologen, Philosophen und Staatsrechtler zu Widerspruch oder Parteinahme heraus. Sie schufen jedoch mit ihren Interpretationen um die Zwei-Reiche-Lehre herum einen „Irrgarten“ ausufernder Literatur, die nicht immer zu vermehrter Klarheit über Luthers Theologie beigetragen hat. Ein besseres Verständnis von Luthers staatsbezogenen Schriften mag sich aus der Betrachtung des historischen Kontextes ergeben, aus dem heraus Luthers Werk entstanden ist. Der Zusammenhang von Luthers Zwei-Reiche-Lehre mit den spätmittelalterlichen Schriften insbesondere Marsilius von Padua und Wilhelms von Ockham ist bislang wenig bearbeitet worden. Weithin bekannt und untersucht sind die Wurzeln der Zwei-Reiche-Lehre in den civitates des Augustinus. Zwischen Augustinus und Luther liegen allerdings mehr als eintausend Jahre Rezeptionsgeschichte. Luther selbst war in der Disputationstradition Wilhelms von Ockham geschult und sah sich auch als dessen Schüler. Insofern kann ein Blick zumindest auf die spätmittelalterlichen Theologen, von denen hier besonders Wilhelm von Ockham herausgegriffen werden soll, Luthers Glaubensverständnis und seine Transformation der zuvor maßgeblichen Lehre von den „zwei Schwertern“ zur Zwei-Reiche-Lehre erhellen. Dabei liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit nicht in der Erörterung der Zwei-Reiche-Lehre insgesamt. Vielmehr wird die Entwicklung von der spätmittelalterlichen Zwei-Schwerter-Lehre bis zu Luthers Gewaltentrennung dargestellt.