Die Uhren in Mutters Zimmer ist ein nichtlinear erzählter Roman mit dramatischen Höhepunkten, der trotz seiner Vielschichtigkeit sehr ausgewogen ist. Den Haupterzählstrang bildet die Geschichte von Müttern und Töchtern, die sich über mehrere Generationen erstreckt, es ist aber auch eine Geschichte vom Leben der Frauen im ehemaligen Jugoslawien, ihrer vernachlässigten Rolle bei großen historischen Umbrüchen, aber auch den kulturellen Schablonen, die die Rolle der Frau allzu oft ignorieren. Die stets aktuelle Frage nach der Frau in der patriarchalischen Gesellschaft wird neu gestellt und überzeugend aktualisiert. Der Krieg stellt in diesem Kontext lediglich ein extremes unausweichliches Hintergrundereignis dar. Die Sprache ist durchweg sehr gewaltig und lyrisch, niemals anklagend oder analysierend; die Bilder von einzigartiger Reife und Prägnanz. Die zärtliche Erinnerung an die Zeit, bevor die Uhren im Zimmer der Mutter für immer verstummt sind, zieht sich durch das ganze Werk und gipfelt in einem hochemotionalen Bewusstseinsstrom zum Briefwechsel zwischen Hannah Arendt und Martin Heidegger. Mutterschaft wird hier viel komplexer als generell von der Gesellschaft akzeptiert dargestellt, nicht nur die Mutterrolle, sondern auch das Rollenbild von der Kindheit bis ins reife Alter.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensentin Olga Hochweis überzeugt das Debüt von Tanja Stupar Trifunovic durch eine komplexe Struktur und die im Text vermittelten Erfahrungen von Frauen in der postjugoslawischen Gesellschaft. Auch wenn letztere eher schmerzhaft sind, schätzt Hochweis das Buch mit seinen Erinnerungen an eine von Sprachlosigkeit und Distanz geprägte Kindheit, an traumatische Erlebnisse im Krieg und unerfüllte Lebenswünsche. Die verdichtete Sprache des Romans verrät die preisgekrönte Lyrikerin, meint Hochweis.
© Perlentaucher Medien GmbH
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