Die Ukraine – ein Teil unserer europäischen Geschichte Eingeklemmt zwischen Habsburg und Russland blieb der Ukraine im Lauf der Geschichte meist das Recht auf Selbstbestimmung verwehrt. In Deutschland spielten dabei spätestens seit Russlands Krym-Annexion von 2014 historische Mythen und abenteuerliche Geschichtsauslegungen eine zentrale Rolle. Welch komplexes Geflecht zwischen den Territorien besteht, erkennen Deutschland, der Westen und die NATO erst seit der Katastrophe des Ukraine-Krieges im Zuge der russischen Totalinvasion von 2022. Warum galt die Ukraine vielen so selbstverständlich als Teil der russischen Geschichte, während ihre Verflechtungen mit Polen, Belarus, der Habsburger Monarchie, aber auch Deutschland kaum gesehen wurden? - Das neue Buch von Franziska Davies, der Trägerin des Bayerischen Buchpreises 2022 - Mit Beiträgen internationaler Historiker:innen und Publizist:innen - Historisches Hintergrundwissen zur aktuellen politischen Lage - Der fundierte Blick auf die Ukraine jenseits von imperialen MythenWarum war das Land so lange ein blinder Fleck für Deutschland? Erst jetzt scheinen viele Deutsche die Ukraine neu zu entdecken und stellen erschrocken fest, wie wenig sie über das Land wissen. Franziska Davies liefert einen wichtigen Essayband, der Geschichte und Gegenwart dieser Beziehungen aufzeigt: Die Ukraine als Teil der Habsburger-Monarchie, imperialistische Denkmuster oder schlichte Ignoranz der Ukraine gegenüber, Nationalismus in Russland und in der Ukraine, die Geschichte der Krym, Putins imperiale Visionen, das Verhältnis der Ukraine zu Belarus, zu Polen oder auch die Situation der Frauen in und aus der Ukraine. Versammelt werden mit dem Thema engstens verbundene, hoch engagierte Historiker:innen und Publizist:innen.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensent Christian Thomas schätzt überwiegend die Beiträge im von Franziska Davies herausgegebenen Sammelband, der ein weiteres Mal eine "nicht abreißende Gewaltgeschichte" der Ukraine dokumentiert. Dabei geht es, etwa mit der Idealisierung Russlands vs. der Degradierung der Ukraine, um psychologische Kurzschlüsse und "mentale Knackse", die leider immer noch fortbestehen, vermittelt Thomas. Aber auch in die konkrete Historie tauchen die Beiträge von Fachleuten wie Jurko Prochasko, Martin Aust, Julia Herzberg oder Jana Osterkamp ein: So gehe es etwa um die Ähnlichkeit zwischen Russland und Deutschland bzgl. ihrer "imperialen Vergangenheit", wie der Kritiker Martin Aust zitiert, um den Vertrag von Perejaslaw 1654 als Schlüsseldatum, um das "aufreibend komplizierte" Verhältnis zu Polen, und, vor allem, um die Ausrichtung der Ukraine gen Europa, wie der Kritiker wiedergibt. Dabei findet er die Mehrzahl der Aufsätze "historisch aufschlussreich und argumentativ anregend", bis auf ein paar Ausnahmen, auf die er aber nicht genauer eingeht. Insgesamt scheint er Davies' Band für eine Bereicherung zu halten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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