Sie kamen, sahen und eroberten - 600 Jahre lang haben Europäer die Welt erkundet, unterworfen und ausgebeutet. Doch zugleich haben sie zahllose Impulse für die Entstehung unserer heutigen Welt gegeben und empfangen. Denn die europäische Expansion war keine Einbahnstraße, sondern ein jahrhundertelanger Prozess der Interaktionen. In Wolfgang Reinhards monumentalem Werk hat die Vorgeschichte der Globalisierung zu einer einzigartigen Gesamtdarstellung gefunden. Der renommierte Historiker beschreibt von den frühen Anfängen der europäischen Expansion in Antike und Mittelalter bis zu den langwierigen Dekolonisationen des 20. Jahrhunderts einen weltgeschichtlichen Vorgang von gewaltigen zeitlichen und räumlichen Dimensionen. Ob er über die Handelssysteme in Asien berichtet oder über die künstliche Welt der Plantagen mit ihren Sklaven, über ökologische Folgen oder konfliktträchtige politische Hinterlassenschaften der europäischen Expansion, stets ist seine beeindruckend kenntnisreiche Geschichte spannend zu lesen und geprägt von dem Interesse nicht nur an den Europäern, sondern auch an - den Anderen.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Micha Brumlik hat mit Wolfgang Reinhards nicht nur seitenstarker Monografie zur Geschichte des Kolonialismus ein neues Standardwerk anzukündigen, das seiner Meinung nach auf Jahre schwer einzuholen sein wird. Reinhard bietet eine genaue Darstellung historischer Sachverhalte, einen souveränen Stil und ein 390 Seiten umfassendes Literaturverzeichnis, lässt Brumlik uns wissen und folgt dem Autor bei seiner Definition Europas und seiner kolonialen Geschichte. Aber auch Amerikas und Afrikas Sklavenhandel lernt Brumlik hier in seiner ganzen Dimension kennen und erfährt vom Autor, dass der Sklavenhandel die Ursache des Rassismus war, nicht umgekehrt. Dass Reinhard die Untaten des Deutschen Reichs in Südwestafrika eher nur andeutet, irritiert Brumlik allerdings ein wenig. In Sachen "orientalische Frage", Zweiter Weltkrieg im Nahen Osten und Unabhängigkeit Indiens wieder überzeugt ihn der Autor auf ganzer Linie und scheint ihm ganze Monorafien zu ersetzen. Reinhards bilanzierende Kritk des postkolonialen Denkens kann Brumlik angesichts der brillanten Argumentation des Autors nicht einfach als eurozentrisch oder gar rassistisch abtun.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2016Wie Affen griffen
sie nach dem Gold
Globalgeschichte mit Leitmotiven:
Wolfgang Reinhards großartige Darstellung
der europäischen Welteroberung
VON GUSTAV SEIBT
Als sie Gold in ihren Händen hatten, brach Lachen aus den Gesichtern der Spanier“, so erinnerte sich ein Azteke an die Eroberung seines Landes am Beginn des 16. Jahrhunderts, „ihre Augen funkelten vor Vergnügen, sie waren entzückt. Wie Affen griffen sie nach dem Gold und befingerten es, sie waren hingerissen vor Freude, auch ihre Herzen waren angesteckt von den Strahlen des Goldes. Nur nach Gold hungerten und dürsteten sie, es ist wahr! Sie schwollen an vor Gier und Verlangen nach Gold, gefräßig wurden sie in ihrem Hunger nach Gold, sie wühlten wie hungrige Schweine nach Gold.“
Auf den 1300 Textseiten von Wolfgang Reinhards Globalgeschichte der europäischen Expansion finden sich viele beeindruckende Quellenzitate, Schilderungen von Grausamkeiten, Wahrnehmungen der Europäer als „Teufel“, Vertragsbrecher, Quäler, Vergewaltiger, aber dieses ist doch das beeindruckendste in seinem tiefen Befremden. Ja, auch die Indianer Amerikas horteten Gold als Schmuckmetall, aber für sie waren kostbare Handschriften, für die sich die Neuankömmlinge kaum interessierten, viel, viel wertvoller. Befremdlich blieb diese Goldgier noch lange – sogar noch, als längst das europäische Haustier Schwein nach Amerika gekommen war und neben dem Affen einen passenden Vergleich bot.
Wer nun wegen dieses Zitats glaubte, Reinhards buchstäblich grenzenlos gelehrte, weil den gesamten Globus umfassende Darstellung zehre besonders von den abenteuerlichen Zügen seiner Geschichte, also dem verfluchten Inka-Gold, den Schätzen Moctezumas, der irrt. Mit kühler sozialwissenschaftlicher Begrifflichkeit, wenn auch unterlegt von einem konstanten Grundbass des Sarkasmus, erschließt der Historiker ein vielgliedriges Geschehen, das den Erdball wie bisher kein anderes in der Weltgeschichte verändert hat. Wenn neuerdings vom „Anthropozän“ die Rede ist, der erdgeschichtlichen Epoche, in der eine einzelne Spezies, nämlich der Mensch, sämtliche natürlichen Bedingungen setzt, dann findet man, noch vor der Industrialisierung, hier die Grundlage.
Warum Europa? Dies bleibt, wie auch bei Kapitalismus und industrieller Revolution, die wichtigste Frage, die heute immer noch gestellt werden muss. Reinhard beantwortet sie im Eingangskapitel, das die „Expansivität Europas“ als auszeichnendes Merkmal einer Weltregion darstellt, die ohne solche Eroberungskraft, nämlich rein geografisch, gar nicht bestünde. Ohne Eroberungen wäre Europa ein Vorgebirge Asiens geblieben, mit Eroberung – zur See über den Atlantik und bis zum Pazifik, zu Land in die Tiefen Asiens – konnte es sich als die Ausnahmeregion der Welt schlechthin etablieren.
Was machte sie so stark, so gewaltsam ausgreifend, so zäh herrschsüchtig? Am Ende war es das Gold, sagt Reinhard. Natürlich, die Kleinräumigkeit, der von ihr provozierte innere Wettbewerb, die günstigen, hafenreichen Küsten, die agonalen Adelsideale, gewisse technisch-naturgeschichtliche Errungenschaften von der Zähmung der Pferde über Segelschiffe bis zu den Feuerwaffen sorgten für eine beispiellose physische Überlegenheit. Europäer ernährten sich besser, eiweißreicher als die mittelamerikanischen Indios mit ihrer Mais- und Kartoffelnahrung oder die Reiskulturen Asiens. Wichtig war zudem eine institutionalisierte Wissenskultur, die sich im Schoß der lateinischen Kirche ausgebildet hatte, einer schon vor der Moderne hochexpansiven, bürokratisch regierten Institution. Ohne Universitäten also keine Konquistadoren, selbst wenn diese persönlich nicht gelehrt waren.
War es also das Kulturgefälle, Technik, Wissenschaft, Buchkultur, die Europa jenen gewaltigen Schub gaben, der es ihm als erster Weltkultur ermöglichte, seinen Bevölkerungsüberschuss nicht mehr nur in innerer Kolonisation oder durch Erweiterung seiner unmittelbaren Ränder zu versorgen, sondern an alle Küsten dieser Erde zu entsenden? Das alles hätte nicht ausgereicht. Hochkulturen gab es auch anderswo, und die Europäer unterwarfen und durchdrangen nicht nur das, was man eine Zeitlang Naturvölker nannte, sondern eben Mittelamerika, später Indien, in komplexen Zoll- und Handelssystemen sogar China, das flächenmäßig größte aller Reiche.
Es war tatsächlich das Gold, glaubt Reinhard, beziehungsweise sein toxischer Ableger, der grenzenlose Kredit. Gold war als Zahlungsmittel dringend benötigt im spätmittelalterlichen Handelskapitalismus und darum eben weit wertvoller, als wenn es nur ein Schmuckmetall wie bei den Indios gewesen wäre. Gleichzeitig ermöglichte der Kredit, das Versprechen künftigen Goldes, die grenzenlose und dauerhafte dezentrale Mobilisierung von Kräften, wie sie zuvor keine Kultur zustande gebracht hatte.
Gold und Kredit ersetzten den schwerfälligen Zwangsapparat der alten Imperien, die mit Sklaven- und Soldatenheeren und Pferdeherden operieren mussten, um massive Gewalt aufzubauen. Durch den Kredit wurden der neuzeitliche Staat und das neuzeitliche Handelsunternehmen, die beiden Hauptagenten der europäischen Welteroberung, zu den schlagkräftigsten Organisationen, die die Menschheit bisher hervorgebracht hatte. Der Kredit aber war unersättlich, er machte seine Schuldner zu Affen und Schweinen, die, zum Befremden der Indianer, beim Anfassen von Gold vor Glück zu strahlen begannen.
Reinhard lässt sein Grundmotiv wie jeder große Historiker und also wie ein Richard Wagner seines Faches nicht im Dauerstakkato einer These, sondern als unendliche Begleitmelodie im Untergrund einer reichen anschaulichen Empirie anklingen. Großartig und ein wenig erschöpfend ist es, an seiner Hand durch alle Weltteile und Epochen zu reisen. Schon die Vorgeschichte der dünnen, aber umso abenteuerlicheren Weltverbindungen in Altertum und Mittelalter – spätantike Christen in Indien, römische Münzen in China, Wikinger in Nordamerika – ist sinnverwirrend, dabei nimmt sie nur ein paar Promille des schweren, engbedruckten Bibelbandes ein.
Die Zeit wird hier zum Raum: Reinhard arbeitet die Eroberungsgeschichte nach Ausgangs- und Zielregionen ab, wir lernen nacheinander den spanischen, portugiesischen, französischen und britischen, sogar einen jüdischen Atlantik kennen, letzteren, weil im Windschatten vor allem der Portugiesen und Holländer sephardische Kaufleute ein Netz über das Weltmeer spannten. Mit unermüdlicher Unterscheidungsfreude differenziert er die unterschiedlichen Formen von Herrschaftsbildung der Kolonisatoren aus – Spanier gründen Provinzen, Holländer halten Stützpunkte. Kolonien, Mandate, Handelsverträge, Meistbegünstigungen, Häfen, Eisenbahnen beweisen eine organisatorische Gelenkigkeit und Findigkeit, in denen die wahre Überlegenheit der Europäer besteht – vielleicht ist es der Kern ihrer „Kultur“?
Kühl weigert sich Reinhard postkolonialen Sentimentalitäten nachzugeben – da die Welteroberung ein europäischer Vorgang war, darf er mit europäischen Begriffen beschrieben werden, also mit Rechtsbegriffen, die zugleich Herrschafts- und Gewaltmittel waren. Nicht, dass Reinhard die Rolle der nackten, physischen Gewalt herunterspielte: Dass die Spanier als Frauenräuber, Vergewaltiger und Kinderschänder durch ihre Kolonien zogen, damit auch Mischlinge und Mitarbeiter zeugten, sprachkundige Prinzessinnen gewannen, benennt er mit einer Härte, die in amerikanischen Seminaren Triggerwarnungen erfordern müsste. Ja, „mit dem Schwanz“ sei Mittelamerika ebenso unterworfen worden wie mit dem Schwert, und im Gefolge davon kam es auch zur Globalisierung von Infektionen, die sich als besonders hässlicher Nebenstrom der Welteroberung erwies.
Nichts lässt Reinhard aus, natürlich auch nicht die Phase der Dekolonisierung, nicht einmal die jüngsten Flüchtlingsströme zurück nach Europa, das sich davor heute so gruselt, während seine eigene Expansionsgeschichte erst seit ein paar Jahrzehnten gestoppt ist. In diesem Großsystem der Anschauung ist Israel die letzte Siedlerkolonie des Westens, und der welthistorisch vergleichende Blick trägt mehr zu seinem Verständnis bei als die beliebten wechselseitigen Schuldvorwürfe, die den Frieden blockieren.
„Vielleicht besteht die Lösung“, schreibt Reinhard kurz vor dem Schluss, „in einer Möglichkeit, die zwar der derzeit obligatorischen Kultur des Erinnerungszwangs widerspricht, aber der zu Unrecht ignorierten Kultur des Vergessens gerecht würde. Was wäre, wenn junge Araber die Nabka, die Katastrophe der Vertreibung ihrer Eltern und Großeltern, und junge Juden die Shoah, die massenweise Ermordung ihrer Großelterngeneration, als identitätsstiftende Traumata hinter sich ließen und eine gemeinsame Zukunft ihrer Vergangenheiten suchten? If we ever remember, we never get peace, sprach Guldborg Chemnitz, eine Vorkämpferin der Dekolonisation Grönlands.“
Was für ein Vorschlag von einem Historiker, dessen Beruf die Erinnerung ist. Bei Reinhard allerdings wird Erinnerung zu Erkenntnis abgekühlt, und darum gehört sein Buch in die Handbibliothek eines jeden Europäers. Wenn von irgendwo ein Konflikt in die Nachrichten gelangt, kann man sicher sein, bei Reinhard seine Vorgeschichte zu finden. Dieses vor vier Jahrzehnten begonnene, in den Achtzigerjahren in vierbändiger Fassung schon einmal vorgelegte, nun gründlich revidierte Standardwerk sollte recht bald aus seinem buchbinderischen Bibelschrein erlöst und in handhabbare Taschenbücher aufgeteilt werden.
Wolfgang Reinhard: Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415 – 2015. Verlag C. H. Beck, München 2016. 1648 Seiten, 58 Euro. E-Book 52,99 Euro.
Was also machte Europa so stark?
Am Ende war es das Gold, sagt
Reinhard. Und der Kredit
Nichts lässt Reinhard aus,
nicht einmal die jüngsten
Flüchtlingsströme nach Europa
Die Indianer liebten das Gold rein als Schmuck. Dann kamen die Europäer
und machten daraus in ihrer Gier die treibende Kraft ihrer Eroberungen.
Hier ein Relief des Sonnengottes der Inka. Foto: mauritius images
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
sie nach dem Gold
Globalgeschichte mit Leitmotiven:
Wolfgang Reinhards großartige Darstellung
der europäischen Welteroberung
VON GUSTAV SEIBT
Als sie Gold in ihren Händen hatten, brach Lachen aus den Gesichtern der Spanier“, so erinnerte sich ein Azteke an die Eroberung seines Landes am Beginn des 16. Jahrhunderts, „ihre Augen funkelten vor Vergnügen, sie waren entzückt. Wie Affen griffen sie nach dem Gold und befingerten es, sie waren hingerissen vor Freude, auch ihre Herzen waren angesteckt von den Strahlen des Goldes. Nur nach Gold hungerten und dürsteten sie, es ist wahr! Sie schwollen an vor Gier und Verlangen nach Gold, gefräßig wurden sie in ihrem Hunger nach Gold, sie wühlten wie hungrige Schweine nach Gold.“
Auf den 1300 Textseiten von Wolfgang Reinhards Globalgeschichte der europäischen Expansion finden sich viele beeindruckende Quellenzitate, Schilderungen von Grausamkeiten, Wahrnehmungen der Europäer als „Teufel“, Vertragsbrecher, Quäler, Vergewaltiger, aber dieses ist doch das beeindruckendste in seinem tiefen Befremden. Ja, auch die Indianer Amerikas horteten Gold als Schmuckmetall, aber für sie waren kostbare Handschriften, für die sich die Neuankömmlinge kaum interessierten, viel, viel wertvoller. Befremdlich blieb diese Goldgier noch lange – sogar noch, als längst das europäische Haustier Schwein nach Amerika gekommen war und neben dem Affen einen passenden Vergleich bot.
Wer nun wegen dieses Zitats glaubte, Reinhards buchstäblich grenzenlos gelehrte, weil den gesamten Globus umfassende Darstellung zehre besonders von den abenteuerlichen Zügen seiner Geschichte, also dem verfluchten Inka-Gold, den Schätzen Moctezumas, der irrt. Mit kühler sozialwissenschaftlicher Begrifflichkeit, wenn auch unterlegt von einem konstanten Grundbass des Sarkasmus, erschließt der Historiker ein vielgliedriges Geschehen, das den Erdball wie bisher kein anderes in der Weltgeschichte verändert hat. Wenn neuerdings vom „Anthropozän“ die Rede ist, der erdgeschichtlichen Epoche, in der eine einzelne Spezies, nämlich der Mensch, sämtliche natürlichen Bedingungen setzt, dann findet man, noch vor der Industrialisierung, hier die Grundlage.
Warum Europa? Dies bleibt, wie auch bei Kapitalismus und industrieller Revolution, die wichtigste Frage, die heute immer noch gestellt werden muss. Reinhard beantwortet sie im Eingangskapitel, das die „Expansivität Europas“ als auszeichnendes Merkmal einer Weltregion darstellt, die ohne solche Eroberungskraft, nämlich rein geografisch, gar nicht bestünde. Ohne Eroberungen wäre Europa ein Vorgebirge Asiens geblieben, mit Eroberung – zur See über den Atlantik und bis zum Pazifik, zu Land in die Tiefen Asiens – konnte es sich als die Ausnahmeregion der Welt schlechthin etablieren.
Was machte sie so stark, so gewaltsam ausgreifend, so zäh herrschsüchtig? Am Ende war es das Gold, sagt Reinhard. Natürlich, die Kleinräumigkeit, der von ihr provozierte innere Wettbewerb, die günstigen, hafenreichen Küsten, die agonalen Adelsideale, gewisse technisch-naturgeschichtliche Errungenschaften von der Zähmung der Pferde über Segelschiffe bis zu den Feuerwaffen sorgten für eine beispiellose physische Überlegenheit. Europäer ernährten sich besser, eiweißreicher als die mittelamerikanischen Indios mit ihrer Mais- und Kartoffelnahrung oder die Reiskulturen Asiens. Wichtig war zudem eine institutionalisierte Wissenskultur, die sich im Schoß der lateinischen Kirche ausgebildet hatte, einer schon vor der Moderne hochexpansiven, bürokratisch regierten Institution. Ohne Universitäten also keine Konquistadoren, selbst wenn diese persönlich nicht gelehrt waren.
War es also das Kulturgefälle, Technik, Wissenschaft, Buchkultur, die Europa jenen gewaltigen Schub gaben, der es ihm als erster Weltkultur ermöglichte, seinen Bevölkerungsüberschuss nicht mehr nur in innerer Kolonisation oder durch Erweiterung seiner unmittelbaren Ränder zu versorgen, sondern an alle Küsten dieser Erde zu entsenden? Das alles hätte nicht ausgereicht. Hochkulturen gab es auch anderswo, und die Europäer unterwarfen und durchdrangen nicht nur das, was man eine Zeitlang Naturvölker nannte, sondern eben Mittelamerika, später Indien, in komplexen Zoll- und Handelssystemen sogar China, das flächenmäßig größte aller Reiche.
Es war tatsächlich das Gold, glaubt Reinhard, beziehungsweise sein toxischer Ableger, der grenzenlose Kredit. Gold war als Zahlungsmittel dringend benötigt im spätmittelalterlichen Handelskapitalismus und darum eben weit wertvoller, als wenn es nur ein Schmuckmetall wie bei den Indios gewesen wäre. Gleichzeitig ermöglichte der Kredit, das Versprechen künftigen Goldes, die grenzenlose und dauerhafte dezentrale Mobilisierung von Kräften, wie sie zuvor keine Kultur zustande gebracht hatte.
Gold und Kredit ersetzten den schwerfälligen Zwangsapparat der alten Imperien, die mit Sklaven- und Soldatenheeren und Pferdeherden operieren mussten, um massive Gewalt aufzubauen. Durch den Kredit wurden der neuzeitliche Staat und das neuzeitliche Handelsunternehmen, die beiden Hauptagenten der europäischen Welteroberung, zu den schlagkräftigsten Organisationen, die die Menschheit bisher hervorgebracht hatte. Der Kredit aber war unersättlich, er machte seine Schuldner zu Affen und Schweinen, die, zum Befremden der Indianer, beim Anfassen von Gold vor Glück zu strahlen begannen.
Reinhard lässt sein Grundmotiv wie jeder große Historiker und also wie ein Richard Wagner seines Faches nicht im Dauerstakkato einer These, sondern als unendliche Begleitmelodie im Untergrund einer reichen anschaulichen Empirie anklingen. Großartig und ein wenig erschöpfend ist es, an seiner Hand durch alle Weltteile und Epochen zu reisen. Schon die Vorgeschichte der dünnen, aber umso abenteuerlicheren Weltverbindungen in Altertum und Mittelalter – spätantike Christen in Indien, römische Münzen in China, Wikinger in Nordamerika – ist sinnverwirrend, dabei nimmt sie nur ein paar Promille des schweren, engbedruckten Bibelbandes ein.
Die Zeit wird hier zum Raum: Reinhard arbeitet die Eroberungsgeschichte nach Ausgangs- und Zielregionen ab, wir lernen nacheinander den spanischen, portugiesischen, französischen und britischen, sogar einen jüdischen Atlantik kennen, letzteren, weil im Windschatten vor allem der Portugiesen und Holländer sephardische Kaufleute ein Netz über das Weltmeer spannten. Mit unermüdlicher Unterscheidungsfreude differenziert er die unterschiedlichen Formen von Herrschaftsbildung der Kolonisatoren aus – Spanier gründen Provinzen, Holländer halten Stützpunkte. Kolonien, Mandate, Handelsverträge, Meistbegünstigungen, Häfen, Eisenbahnen beweisen eine organisatorische Gelenkigkeit und Findigkeit, in denen die wahre Überlegenheit der Europäer besteht – vielleicht ist es der Kern ihrer „Kultur“?
Kühl weigert sich Reinhard postkolonialen Sentimentalitäten nachzugeben – da die Welteroberung ein europäischer Vorgang war, darf er mit europäischen Begriffen beschrieben werden, also mit Rechtsbegriffen, die zugleich Herrschafts- und Gewaltmittel waren. Nicht, dass Reinhard die Rolle der nackten, physischen Gewalt herunterspielte: Dass die Spanier als Frauenräuber, Vergewaltiger und Kinderschänder durch ihre Kolonien zogen, damit auch Mischlinge und Mitarbeiter zeugten, sprachkundige Prinzessinnen gewannen, benennt er mit einer Härte, die in amerikanischen Seminaren Triggerwarnungen erfordern müsste. Ja, „mit dem Schwanz“ sei Mittelamerika ebenso unterworfen worden wie mit dem Schwert, und im Gefolge davon kam es auch zur Globalisierung von Infektionen, die sich als besonders hässlicher Nebenstrom der Welteroberung erwies.
Nichts lässt Reinhard aus, natürlich auch nicht die Phase der Dekolonisierung, nicht einmal die jüngsten Flüchtlingsströme zurück nach Europa, das sich davor heute so gruselt, während seine eigene Expansionsgeschichte erst seit ein paar Jahrzehnten gestoppt ist. In diesem Großsystem der Anschauung ist Israel die letzte Siedlerkolonie des Westens, und der welthistorisch vergleichende Blick trägt mehr zu seinem Verständnis bei als die beliebten wechselseitigen Schuldvorwürfe, die den Frieden blockieren.
„Vielleicht besteht die Lösung“, schreibt Reinhard kurz vor dem Schluss, „in einer Möglichkeit, die zwar der derzeit obligatorischen Kultur des Erinnerungszwangs widerspricht, aber der zu Unrecht ignorierten Kultur des Vergessens gerecht würde. Was wäre, wenn junge Araber die Nabka, die Katastrophe der Vertreibung ihrer Eltern und Großeltern, und junge Juden die Shoah, die massenweise Ermordung ihrer Großelterngeneration, als identitätsstiftende Traumata hinter sich ließen und eine gemeinsame Zukunft ihrer Vergangenheiten suchten? If we ever remember, we never get peace, sprach Guldborg Chemnitz, eine Vorkämpferin der Dekolonisation Grönlands.“
Was für ein Vorschlag von einem Historiker, dessen Beruf die Erinnerung ist. Bei Reinhard allerdings wird Erinnerung zu Erkenntnis abgekühlt, und darum gehört sein Buch in die Handbibliothek eines jeden Europäers. Wenn von irgendwo ein Konflikt in die Nachrichten gelangt, kann man sicher sein, bei Reinhard seine Vorgeschichte zu finden. Dieses vor vier Jahrzehnten begonnene, in den Achtzigerjahren in vierbändiger Fassung schon einmal vorgelegte, nun gründlich revidierte Standardwerk sollte recht bald aus seinem buchbinderischen Bibelschrein erlöst und in handhabbare Taschenbücher aufgeteilt werden.
Wolfgang Reinhard: Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415 – 2015. Verlag C. H. Beck, München 2016. 1648 Seiten, 58 Euro. E-Book 52,99 Euro.
Was also machte Europa so stark?
Am Ende war es das Gold, sagt
Reinhard. Und der Kredit
Nichts lässt Reinhard aus,
nicht einmal die jüngsten
Flüchtlingsströme nach Europa
Die Indianer liebten das Gold rein als Schmuck. Dann kamen die Europäer
und machten daraus in ihrer Gier die treibende Kraft ihrer Eroberungen.
Hier ein Relief des Sonnengottes der Inka. Foto: mauritius images
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2016"Eine tolle Unterhaltung"
Zu Weihnachten ein Buch schenken, das geht immer. Und welches? Das haben wir Buchhändler in der Region gefragt. Sie empfehlen Romane und Sachbücher und sagen, was sie selbst gerade lesen und zu lesen planen.
Von Carl Dohmann
Geschichten vom Tambora.
In der "Wendeltreppe" in Frankfurt-Sachsenhausem fühlt man sich zu Hause: Zwei ältere Frauen sitzen an der Theke und beraten einen. Sie erzählen lustige Anekdoten aus dem Weihnachtsverkauf. Jutta Wilkesmann empfiehlt zwei Sachbücher: Einerseits "Tambora und das Jahr ohne Sommer" von Wolfgang Behringer (C. H. Beck, 24,95 Euro). Der Klimahistoriker erzählt vom Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien im Jahr 1816, der damals die Weltpolitik in eine Krise stürzte.
Besonders begeistert berichtet Wilkesmann von ihrem Lieblingsroman: "Eine überflüssige Frau" von Rabih Alameddine (Louisoder, 24,90 Euro). Die Handlung spielt in Beirut, der Hauptstadt des Libanons, während des Bürgerkrieges. "Es ist sensationell, dass es ein Mann geschrieben hat", sagt Wilkesmann. Denn die Hauptfigur ist eine Frau, eine Buchhändlerin, die beginnt, Bücher aus Europa ins Arabische zu übersetzen. Das sei trotz des Bürgerkriegsthemas kein Drama, sondern erzähle vom ganz normalen Leben. Natürlich kramt Wilkesmann auch noch einen Krimi hervor, schließlich arbeitet sie in einem Buchladen für Kriminalromane: "Miss Terry" von Liza Cody (Argument-Verlag, 17 Euro). Der spiele in London, es gehe um eine Babyleiche und eine dunkelhäutige Grundschullehrerin und ein Klima erst versteckten, dann zunehmenden Rassismus.
Buchhandlung "Die Wendeltreppe", Brückenstraße 34 in Frankfurt.
Familienbande.
Ein "großartiges" Buch, das Jutta Leimbert, die Inhaberin der Buchhandlung Vaternahm in Wiesbaden, gerne liest, ist eigentlich sehr alt: Die jüdische Buchhändlerin Françoise Frenkel schrieb ihre Erlebnisse zu der Zeit auf, als sie von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Die Polin lebte in Berlin und Paris, floh zunächst nach Nizza und dann in die Schweiz. Sie überlebte den Nationalsozialismus und starb 1975 in Nizza. Ihr Buch "Nichts, um sein Haupt zu betten" erschien schon 1945, wurde aber erst vor kurzem neu entdeckt: Auf dem Flohmarkt wurde es gefunden, erzählt Leimbert. Dieses Jahr ist es bei Hanser neu erschienen, es kostet 22 Euro.
Welchen Roman sollte man jetzt lesen? Die Buchhändlerin meint: "Das Nest" von Cynthia D'Asprix Sweeney (Klett-Cotta, 19,95 Euro). Er handelt von erwachsenen Geschwistern in ihren vierziger Jahren, die sich im Zusammenhang mit einer Erbschaft zerstreiten. Warum das lesen? "Sehr scharfzüngig" sei das Buch, sagt Leimbert. Als bestes Sachbuch, das in jüngerer Vergangenheit erschienen sei, nennt sie "Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur" von Andrea Wulf (Bertelsmann, 24,99 Euro). Die Autorin stellt darin Humboldts Prägung des modernen Naturverständnisses in den Mittelpunkt und zeigt Bezüge zu unserem heutigen Wissen um die Verwundbarkeit der Erde auf.
Buchhandlung Vaternahm, An den Quellen 12 in Wiesbaden.
Jedermanns Neurosen.
Die Lage dieses traditionsreichen Buchladens war nicht immer schön. Doch der Markt in Offenbach habe sich in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt, freut sich Andrea Tuscher. Sie legt Wert darauf, dass sie Inhaberin des Buchladens am Markt ist, den Begriff Buchhandlung mag sie nicht. Als Weihnachtsgeschenk empfiehlt sie den Gesellschaftsroman aus dem Großbürgertum "Wir & Ich" von Saskia de Coster (Tropen-Verlag, 22,95 Euro), einer in Belgien sehr bekannten Autorin. Es kämen Figuren darin vor, die einem jederzeit begegnen können, "mit allen Eigenwilligkeiten und Neurosen". Als bestes Sachbuch nennt Tuscher "Das Café der Existenzialisten" von Sarah Bakewell (C. H. Beck, 24,95 Euro). Es sei das erste Buch, das die philosophische Strömung des Existentialismus insgesamt beleuchte, erklärt sie. Ihr selbst, sagt sie dann, werde seit zwei Jahren "Das achte Leben" von Nino Haratischwili empfohlen, ein Buch, das sie zwar seit langem lesen wolle, das aber mehr als 1000 Seiten lang ist: Da denke sie eher ökonomisch und lese stattdessen drei Bücher mit jeweils 300 Seiten.
Buchladen am Markt, Wilhelmsplatz 12 in Offenbach.
Weltgeschichte.
Als besten Roman nennt Frank Rüb etwas "Originelles": Der Mainzer Buchhändler aus der Buchhandlung am Dom empfiehlt "Drach" von Szczepan Twardoch (Rowohlt, 22,95 Euro). Es ist ein historischer Roman, der die Entwicklung einer schlesischen Familie im Verlauf des 20. Jahrhunderts erzählt. Sachbücher gebe es "etliche, die sehr gut laufen". Rüb empfiehlt "Die Unterwerfung der Welt" des Frühe-Neuzeit-Historikers Wolfgang Reinhard (C. H. Beck, 58 Euro). Es behandelt die Geschichte des europäischen Imperialismus und Kolonialismus vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart - dem Untertitel zufolge von 1415 bis 2015. Es ist sehr ausführlich, hat es doch mehr als 1600 Seiten. Ein wenig erinnere es an Jürgen Osterhammels "Die Verwandlung der Welt" über das 19. Jahrhundert aus dem Jahr 2010, sagt Rüb. Was ist auf seiner Leseliste? Die Biographie über Siegfried Kracauer von Jörg Später, die bei Suhrkamp für 39,95 Euro erschienen ist, sagt Rüb. Der 1889 in Frankfurt geborene Kracauer war ein philosophischer und soziologischer Autor und unter anderem auch Journalist bei der "Frankfurter Zeitung". Es sei erfreulich, sagt der Buchhändler dann noch, dass er hinter vielen Büchern, die dieses Jahr gut verkauft würden, auch stehen könne.
Dom-Buchhandlung, Markt 24 in Mainz.
Häuser-Storys.
Ursula Maria Ott empfiehlt für unter den Weihnachtsbaum den Roman "Cox - oder der Lauf der Zeit" von Christoph Ransmayr, der für 22 Euro im Fischer-Verlag erschienen ist: Ein englischer Uhrmacher erhält darin vom chinesischen Kaiser den Auftrag, eine Uhr zur Messung der Ewigkeit zu bauen. Das Buch sei sehr phantasievoll und episch geschrieben. Als Sachbuch empfiehlt Ott den "Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner" des F.A.Z.-Redakteurs Niklas Maak (Hanser, 20 Euro). Maak schreibt unter anderem über ein Haus auf Sardinien, das ein Filmemacher auf einer Steilküste gebaut hat, laut Ott eine "tolle Unterhaltung".
Sie selbst wolle das Sachbuch "Rückkehr nach Reims" von Didier Eribon lesen (Suhrkamp, 18 Euro). Eribon ist ein französischer Philosoph und Soziologe, der über die Elitengesellschaft in Frankreich schreibt, aber auch darüber, wie er seine eigene Herkunft aus der Arbeiterklasse verleugnet. Der Roman "Wiesengrund" von Gisela von Wysocki (Suhrkamp, 22 Euro) gehört ebenfalls zu den Titeln, die Ott persönlich bevorzugt. Er handelt von einer Philosophie-Studentin, die nach Frankfurt reist, um den Philosophen Wiesengrund zu erleben, er steht sinnbildlich für Theodor Adorno, bei dem Wysocki studiert hat.
Georg-Büchner-Buchladen, Lauteschlägerstraße 18 in Darmstadt.
Die Welt von Andreas Maier.
Fragt man Friederike Herrmann nach Tipps für Buchgeschenke, bietet sie eine große Auswahl an. Mehrere Romane haben auch einen Bezug zu Friedberg. Die Buchhändlerin empfiehlt den Roman von Andreas Maier "Der Kreis" (Suhrkamp, 20 Euro). Meier beschreibt, wie er zwischen vier und 13 Jahren die Welt auf seine Weise entdeckt, in Friedberg. Herrmann nennt auch "Archiv der toten Seelen" von Ales Steger: Es spielt im slowenischen Maribor, im Jahr 2012 Kulturhauptstadt Europas, und thematisiert absurde Erfahrungen mit Künstlern - so absurd, dass eben ein Roman daraus geworden ist. Er ist bei Schöffling erschienen (22,95 Euro). Die Bücher "Raumpatrouille" von Matthias Brandt (Kiepenheuer & Witsch) und "Frohburg" von Guntram Vesper (Schöffling) hätten schon genug Presse bekommen, Herrmann könne aber beide empfehlen.
Das empfehlenswerteste Sachbuch? Nach längerer Überlegung entscheidet sich Herrmann für Alwin Meyers "Vergiss deinen Namen nicht - Die Kinder von Auschwitz" (Steidl, 38,80 Euro), auch lesenswert sei "Geniale Störung" von Steve Silberman (Dumont, 28 Euro), in dem es um Autismus geht.
Buchhandlung Bindernagel, Kaiserstraße 72 in Friedberg
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zu Weihnachten ein Buch schenken, das geht immer. Und welches? Das haben wir Buchhändler in der Region gefragt. Sie empfehlen Romane und Sachbücher und sagen, was sie selbst gerade lesen und zu lesen planen.
Von Carl Dohmann
Geschichten vom Tambora.
In der "Wendeltreppe" in Frankfurt-Sachsenhausem fühlt man sich zu Hause: Zwei ältere Frauen sitzen an der Theke und beraten einen. Sie erzählen lustige Anekdoten aus dem Weihnachtsverkauf. Jutta Wilkesmann empfiehlt zwei Sachbücher: Einerseits "Tambora und das Jahr ohne Sommer" von Wolfgang Behringer (C. H. Beck, 24,95 Euro). Der Klimahistoriker erzählt vom Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien im Jahr 1816, der damals die Weltpolitik in eine Krise stürzte.
Besonders begeistert berichtet Wilkesmann von ihrem Lieblingsroman: "Eine überflüssige Frau" von Rabih Alameddine (Louisoder, 24,90 Euro). Die Handlung spielt in Beirut, der Hauptstadt des Libanons, während des Bürgerkrieges. "Es ist sensationell, dass es ein Mann geschrieben hat", sagt Wilkesmann. Denn die Hauptfigur ist eine Frau, eine Buchhändlerin, die beginnt, Bücher aus Europa ins Arabische zu übersetzen. Das sei trotz des Bürgerkriegsthemas kein Drama, sondern erzähle vom ganz normalen Leben. Natürlich kramt Wilkesmann auch noch einen Krimi hervor, schließlich arbeitet sie in einem Buchladen für Kriminalromane: "Miss Terry" von Liza Cody (Argument-Verlag, 17 Euro). Der spiele in London, es gehe um eine Babyleiche und eine dunkelhäutige Grundschullehrerin und ein Klima erst versteckten, dann zunehmenden Rassismus.
Buchhandlung "Die Wendeltreppe", Brückenstraße 34 in Frankfurt.
Familienbande.
Ein "großartiges" Buch, das Jutta Leimbert, die Inhaberin der Buchhandlung Vaternahm in Wiesbaden, gerne liest, ist eigentlich sehr alt: Die jüdische Buchhändlerin Françoise Frenkel schrieb ihre Erlebnisse zu der Zeit auf, als sie von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Die Polin lebte in Berlin und Paris, floh zunächst nach Nizza und dann in die Schweiz. Sie überlebte den Nationalsozialismus und starb 1975 in Nizza. Ihr Buch "Nichts, um sein Haupt zu betten" erschien schon 1945, wurde aber erst vor kurzem neu entdeckt: Auf dem Flohmarkt wurde es gefunden, erzählt Leimbert. Dieses Jahr ist es bei Hanser neu erschienen, es kostet 22 Euro.
Welchen Roman sollte man jetzt lesen? Die Buchhändlerin meint: "Das Nest" von Cynthia D'Asprix Sweeney (Klett-Cotta, 19,95 Euro). Er handelt von erwachsenen Geschwistern in ihren vierziger Jahren, die sich im Zusammenhang mit einer Erbschaft zerstreiten. Warum das lesen? "Sehr scharfzüngig" sei das Buch, sagt Leimbert. Als bestes Sachbuch, das in jüngerer Vergangenheit erschienen sei, nennt sie "Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur" von Andrea Wulf (Bertelsmann, 24,99 Euro). Die Autorin stellt darin Humboldts Prägung des modernen Naturverständnisses in den Mittelpunkt und zeigt Bezüge zu unserem heutigen Wissen um die Verwundbarkeit der Erde auf.
Buchhandlung Vaternahm, An den Quellen 12 in Wiesbaden.
Jedermanns Neurosen.
Die Lage dieses traditionsreichen Buchladens war nicht immer schön. Doch der Markt in Offenbach habe sich in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt, freut sich Andrea Tuscher. Sie legt Wert darauf, dass sie Inhaberin des Buchladens am Markt ist, den Begriff Buchhandlung mag sie nicht. Als Weihnachtsgeschenk empfiehlt sie den Gesellschaftsroman aus dem Großbürgertum "Wir & Ich" von Saskia de Coster (Tropen-Verlag, 22,95 Euro), einer in Belgien sehr bekannten Autorin. Es kämen Figuren darin vor, die einem jederzeit begegnen können, "mit allen Eigenwilligkeiten und Neurosen". Als bestes Sachbuch nennt Tuscher "Das Café der Existenzialisten" von Sarah Bakewell (C. H. Beck, 24,95 Euro). Es sei das erste Buch, das die philosophische Strömung des Existentialismus insgesamt beleuchte, erklärt sie. Ihr selbst, sagt sie dann, werde seit zwei Jahren "Das achte Leben" von Nino Haratischwili empfohlen, ein Buch, das sie zwar seit langem lesen wolle, das aber mehr als 1000 Seiten lang ist: Da denke sie eher ökonomisch und lese stattdessen drei Bücher mit jeweils 300 Seiten.
Buchladen am Markt, Wilhelmsplatz 12 in Offenbach.
Weltgeschichte.
Als besten Roman nennt Frank Rüb etwas "Originelles": Der Mainzer Buchhändler aus der Buchhandlung am Dom empfiehlt "Drach" von Szczepan Twardoch (Rowohlt, 22,95 Euro). Es ist ein historischer Roman, der die Entwicklung einer schlesischen Familie im Verlauf des 20. Jahrhunderts erzählt. Sachbücher gebe es "etliche, die sehr gut laufen". Rüb empfiehlt "Die Unterwerfung der Welt" des Frühe-Neuzeit-Historikers Wolfgang Reinhard (C. H. Beck, 58 Euro). Es behandelt die Geschichte des europäischen Imperialismus und Kolonialismus vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart - dem Untertitel zufolge von 1415 bis 2015. Es ist sehr ausführlich, hat es doch mehr als 1600 Seiten. Ein wenig erinnere es an Jürgen Osterhammels "Die Verwandlung der Welt" über das 19. Jahrhundert aus dem Jahr 2010, sagt Rüb. Was ist auf seiner Leseliste? Die Biographie über Siegfried Kracauer von Jörg Später, die bei Suhrkamp für 39,95 Euro erschienen ist, sagt Rüb. Der 1889 in Frankfurt geborene Kracauer war ein philosophischer und soziologischer Autor und unter anderem auch Journalist bei der "Frankfurter Zeitung". Es sei erfreulich, sagt der Buchhändler dann noch, dass er hinter vielen Büchern, die dieses Jahr gut verkauft würden, auch stehen könne.
Dom-Buchhandlung, Markt 24 in Mainz.
Häuser-Storys.
Ursula Maria Ott empfiehlt für unter den Weihnachtsbaum den Roman "Cox - oder der Lauf der Zeit" von Christoph Ransmayr, der für 22 Euro im Fischer-Verlag erschienen ist: Ein englischer Uhrmacher erhält darin vom chinesischen Kaiser den Auftrag, eine Uhr zur Messung der Ewigkeit zu bauen. Das Buch sei sehr phantasievoll und episch geschrieben. Als Sachbuch empfiehlt Ott den "Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner" des F.A.Z.-Redakteurs Niklas Maak (Hanser, 20 Euro). Maak schreibt unter anderem über ein Haus auf Sardinien, das ein Filmemacher auf einer Steilküste gebaut hat, laut Ott eine "tolle Unterhaltung".
Sie selbst wolle das Sachbuch "Rückkehr nach Reims" von Didier Eribon lesen (Suhrkamp, 18 Euro). Eribon ist ein französischer Philosoph und Soziologe, der über die Elitengesellschaft in Frankreich schreibt, aber auch darüber, wie er seine eigene Herkunft aus der Arbeiterklasse verleugnet. Der Roman "Wiesengrund" von Gisela von Wysocki (Suhrkamp, 22 Euro) gehört ebenfalls zu den Titeln, die Ott persönlich bevorzugt. Er handelt von einer Philosophie-Studentin, die nach Frankfurt reist, um den Philosophen Wiesengrund zu erleben, er steht sinnbildlich für Theodor Adorno, bei dem Wysocki studiert hat.
Georg-Büchner-Buchladen, Lauteschlägerstraße 18 in Darmstadt.
Die Welt von Andreas Maier.
Fragt man Friederike Herrmann nach Tipps für Buchgeschenke, bietet sie eine große Auswahl an. Mehrere Romane haben auch einen Bezug zu Friedberg. Die Buchhändlerin empfiehlt den Roman von Andreas Maier "Der Kreis" (Suhrkamp, 20 Euro). Meier beschreibt, wie er zwischen vier und 13 Jahren die Welt auf seine Weise entdeckt, in Friedberg. Herrmann nennt auch "Archiv der toten Seelen" von Ales Steger: Es spielt im slowenischen Maribor, im Jahr 2012 Kulturhauptstadt Europas, und thematisiert absurde Erfahrungen mit Künstlern - so absurd, dass eben ein Roman daraus geworden ist. Er ist bei Schöffling erschienen (22,95 Euro). Die Bücher "Raumpatrouille" von Matthias Brandt (Kiepenheuer & Witsch) und "Frohburg" von Guntram Vesper (Schöffling) hätten schon genug Presse bekommen, Herrmann könne aber beide empfehlen.
Das empfehlenswerteste Sachbuch? Nach längerer Überlegung entscheidet sich Herrmann für Alwin Meyers "Vergiss deinen Namen nicht - Die Kinder von Auschwitz" (Steidl, 38,80 Euro), auch lesenswert sei "Geniale Störung" von Steve Silberman (Dumont, 28 Euro), in dem es um Autismus geht.
Buchhandlung Bindernagel, Kaiserstraße 72 in Friedberg
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ein unglaublich interessantes Buch."
SRF Literaturclub, Milo Rau
"Wie alles kam, und warum es nicht notwendig so kommen musste"
Tilman Spreckelsen, FAZ, 28. November 2016
"Was immer Sie über die Vorgeschichte der heutigen Globalisierung wissen möchten, in diesem Buch werden Sie es finden!"
Damals, 2016
"Wer für eine ausführliche [...] Darstellung dieses spannenden und auch heute noch vielerlei bedeutsamen Prozesses bereit ist, Zeit, Interesse und Muskelkraft zu investieren, der wird in Reinhards Opus Magnum genügend anregende Lektüre finden"
Robert Mizia, Lesart, Herbst 2016
"ein Standardwerk"
Michael North, Damals, Oktober 2016
"Reinhards Darstellung solcher Prozesse sind viele Leser zu wünschen. Die Beschäftigung mit der europäischen Expansion [...] ist spannender und vielseitiger als die meisten Romane"
Julian Köck, Literaturkritik.de, 27. Juni 2016
"Die Unterwerfung der Welt wird auf Jahre hinaus seinesgleichen suchen und für Jahrzehnte ein nur schwer überholbares Standartwerk bleiben."
Micha Brumlik, taz, 8. August 2016
"Reinhard hat ein lehrreiches, dabei sehr spannendes Buch vorgelegt, das zeigt, wie Europa die unterschiedlichen Weltreligionen geprägt hat."
Hans-Dieter Füser, Mannheimer Morgen, 4. August 2016
"Beeindruckend in seiner Vielschichtigkeit"
Neue Luzerner Zeitung, 2. August 2016
"Eine umfassende, fundierte und gut geschriebene Studie".
Andreas Schmidt, Media-Mania.de, Mai 2016
"Eine Pflichtlektüre für alle, die sich für die Geschichte europäischer Expansion interessieren oder auch nur besser verstehen wollen warum unserer Welt so ist, wie sie ist".
Theodor Kissel, spektrum.de, 2. Mai 2016
"Gut lesbare Gesamtdarstellung".
Andreas Eckert, Zeit, 4. Mai 2016
"Stets ist seine beeindruckend kenntnisreiche Geschichte spannend zu lesen und geprägt von dem Interesse nicht nur an den Europäern, sondern auch an - den Anderen".
Nürtinger Zeitung, 11. Mai 2016
"Seine klare Gliederung, vor allem Reinhards präzise, aber sich so gut wie nie in Fachtermini verlierende Sprache machen die Lektüre zu einem Genuss, zumal sich erzählende Darstellung und differenzierende Analyse abwechseln."
Wulf Rüskamp, Badische Zeitung, 27. April 2016
"Ein Kompendium von enormer Dichte, das durch die Fülle seiner Informationen mehr ein Nachschlagewerk als ein Lesebuch ist".
Christian Muggenthaler, Donau-Post, 23. April 2016
"Sehr spannende Lektüre."
Peter Meisenberg, WDR3, 10. April 2016
SRF Literaturclub, Milo Rau
"Wie alles kam, und warum es nicht notwendig so kommen musste"
Tilman Spreckelsen, FAZ, 28. November 2016
"Was immer Sie über die Vorgeschichte der heutigen Globalisierung wissen möchten, in diesem Buch werden Sie es finden!"
Damals, 2016
"Wer für eine ausführliche [...] Darstellung dieses spannenden und auch heute noch vielerlei bedeutsamen Prozesses bereit ist, Zeit, Interesse und Muskelkraft zu investieren, der wird in Reinhards Opus Magnum genügend anregende Lektüre finden"
Robert Mizia, Lesart, Herbst 2016
"ein Standardwerk"
Michael North, Damals, Oktober 2016
"Reinhards Darstellung solcher Prozesse sind viele Leser zu wünschen. Die Beschäftigung mit der europäischen Expansion [...] ist spannender und vielseitiger als die meisten Romane"
Julian Köck, Literaturkritik.de, 27. Juni 2016
"Die Unterwerfung der Welt wird auf Jahre hinaus seinesgleichen suchen und für Jahrzehnte ein nur schwer überholbares Standartwerk bleiben."
Micha Brumlik, taz, 8. August 2016
"Reinhard hat ein lehrreiches, dabei sehr spannendes Buch vorgelegt, das zeigt, wie Europa die unterschiedlichen Weltreligionen geprägt hat."
Hans-Dieter Füser, Mannheimer Morgen, 4. August 2016
"Beeindruckend in seiner Vielschichtigkeit"
Neue Luzerner Zeitung, 2. August 2016
"Eine umfassende, fundierte und gut geschriebene Studie".
Andreas Schmidt, Media-Mania.de, Mai 2016
"Eine Pflichtlektüre für alle, die sich für die Geschichte europäischer Expansion interessieren oder auch nur besser verstehen wollen warum unserer Welt so ist, wie sie ist".
Theodor Kissel, spektrum.de, 2. Mai 2016
"Gut lesbare Gesamtdarstellung".
Andreas Eckert, Zeit, 4. Mai 2016
"Stets ist seine beeindruckend kenntnisreiche Geschichte spannend zu lesen und geprägt von dem Interesse nicht nur an den Europäern, sondern auch an - den Anderen".
Nürtinger Zeitung, 11. Mai 2016
"Seine klare Gliederung, vor allem Reinhards präzise, aber sich so gut wie nie in Fachtermini verlierende Sprache machen die Lektüre zu einem Genuss, zumal sich erzählende Darstellung und differenzierende Analyse abwechseln."
Wulf Rüskamp, Badische Zeitung, 27. April 2016
"Ein Kompendium von enormer Dichte, das durch die Fülle seiner Informationen mehr ein Nachschlagewerk als ein Lesebuch ist".
Christian Muggenthaler, Donau-Post, 23. April 2016
"Sehr spannende Lektüre."
Peter Meisenberg, WDR3, 10. April 2016