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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Sehr kompakte Objekte: Der Astrophysiker Luciano Rezzolla lässt verstehen, wie die Aufnahme des Schattens eines Schwarzen Lochs bewerkstelligt wurde.
Schwarze Löcher sind geheimnisvolle Objekte. Von Einsteins Relativitätstheorie vorhergesagt, ist ihre Gravitation so stark, dass ihnen nichts, nicht einmal Licht, entkommen kann. Dieser unwiderstehlichen Anziehung der Schwerkraft ist das Buch des Astrophysikers Luciano Rezzolla gewidmet. Allgemein können Schwarze Löcher entstehen, wenn massive Objekte unter dem Einfluss ihrer eigenen Gravitation kollabieren - eine Einsicht, die wir einer Arbeit von Roger Penrose aus dem Jahre 1965 verdanken, 55 Jahre später ausgezeichnet mit dem Nobelpreis für Physik. Wir wissen heute, dass zahlreiche Schwarze Löcher unser Universum bevölkern, mit Massen entweder im Bereich von drei bis einigen Dutzend Sonnenmassen (stellare Schwarze Löcher) oder im Bereich von Millionen und Milliarden Sonnenmassen (supermassive Schwarze Löcher). Letztere lauern im Zentrum fast aller Galaxien, einschließlich unserer eigenen Milchstraße.
Der Autor, seit 2013 Professor an der Goethe-Universität Frankfurt, ist selber an der Erforschung Schwarzer Löcher beteiligt. Er ist insbesondere Mitglied des Event Horizon Telescope (EHT)- Projektes, eines Gemeinschaftsprojekts internationaler Institutionen, das sich zum Ziel gesetzt hat, den "Schatten" eines Schwarzen Lochs abzubilden, der entsteht, wenn Strahlung von dem Objekt verschluckt oder von ihm auf bizarre Weise abgelenkt wird. Tatsächlich handelt es sich hierbei um Radiostrahlung, die von acht auf der Erde verteilten Radioteleskopen beobachtet wird, um eine möglichst hohe Winkelauflösung zu erzielen. Das erste Bild dieser Art - der Schatten des Schwarzen Lochs im Zentrum der elliptischen Galaxie Messier 87 (M87) - wurde im April 2019 veröffentlicht und hat in den sozialen Medien Kultstatus erlangt. Entscheidend für das Projekt war die finanzielle Unterstützung durch den Europäischen Forschungsrat, die Rezzolla gemeinsam mit seinen Kollegen Heino Falcke (Nijmegen) und Michael Kramer (Bonn) 2013 gewinnen konnte.
Der Verfasser eines Sachbuchs zu solchen Themen sieht sich üblicherweise einem Dilemma ausgesetzt. Setzt er auf zu leichte Lesbarkeit, besteht die Gefahr, dass sich der Inhalt eher um banale Anekdoten im Umkreis der beteiligten Forscher dreht als um die eigentliche Wissenschaft. Pocht er zu sehr auf Präzision und Vollständigkeit, besteht die Gefahr, sich im Fachjargon zu verheddern. Zum Glück für den Leser ist Rezzolla die Balance zwischen diesen Extremen vorzüglich gelungen. Er hat ein Buch verfasst, das gut lesbar ist, aber auch nicht vor mathematischen Formeln zurückschreckt, dort, wo sie wirklich weiterhelfen. Der Autor führt nicht nur kompetent in die Grundlagen des Gebiets ein, sondern vermittelt auch ein Gefühl dafür, wie wissenschaftliche Arbeit zu diesen hochkomplexen Themen in der Praxis abläuft.
Nach Einsteins Theorie ist Gravitation nichts anderes als die Geometrie einer vierdimensionalen Raum-Zeit. Kaum irgendwo wird das so deutlich wie bei einem Schwarzen Loch. Dies entspricht einem materiefreien Gebiet der Raum-Zeit, das kausal von den Bereichen abgekoppelt ist, in denen sich äußere Beobachter aufhalten. Ist ein solcher Beobachter wagemutig genug, sich in ein Schwarzes Loch zu stürzen, gibt es kein Entrinnen mehr, aus dem einfachen Grund, weil im Inneren Raum sich wie Zeit verhält und eine Umkehr in der Zeit eben unmöglich ist. Hinter der unwiderstehlichen Anziehung der Schwerkraft verbergen sich also die eigenartigen Eigenschaften von Raum und Zeit.
Wie gelingt es nun, den Schatten eines Schwarzen Lochs aufzunehmen? Da es sich um ein kompaktes Objekt handelt, dessen Ausdehnung aber mit seiner Masse zunimmt, müsste man sich ihm entweder nähern oder nach einem besonders massereichen Exemplar Ausschau halten. Da die erste Möglichkeit offensichtlich ausfällt, verbleiben nur die supermassiven Schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien als Alternativen. Tatsächlich gibt es derzeit nur zwei aussichtsreiche Kandidaten - das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße und ebendas Objekt im Kern von M87. Dennoch bleibt die räumliche Auflösung eine Herausforderung - es ist, als wollte man, wie der Autor schreibt, ein Samenkorn in New York von Rom aus beobachten.
Eine Aufnahme, mit wie viel Mühe sie auch zustande gekommen sein mag, kann nur im Rahmen von theoretischen Berechnungen sinnvoll interpretiert werden. Und hier kommt die Frankfurter Arbeitsgruppe um Rezzolla ins Spiel. Auf der Grundlage von Einsteins komplizierten Feldgleichungen werden dort Simulationen auf Hochleistungsrechnern durchgeführt, ähnlich wie bei Wettervorhersagen, nur viel aufwendiger und für viel längere Zeiträume gültig als beim Wetter. Eine Stärke des Buchs sind die vielen eindrucksvollen Abbildungen, die das Ergebnis von Berechnungen sind und nicht, wie oft, das Ergebnis einer künstlerischen Arbeit. Im Rahmen des EHT-Projekts wurden nach einem Jahr der Auswertung vier Beobachtungsbilder rekonstruiert und mit 60 000 so berechneten Modellbildern verglichen, um nach einer Übereinstimmung zu suchen - eine Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen, die von Erfolg gekrönt war. Auf diese Weise konnten auch alternative Deutungsversuche, die andere Objekte als Schwarze Löcher für die Bilder verantwortlich machen, ausgeräumt werden, zum Beispiel exotische Bosonensterne, die sich in den Aufnahmen durch einen kleineren Schatten bemerkbar machen würden.
Beobachtungen von Schwarzen Löchern sind nicht auf Aufnahmen mit Radioteleskopen beschränkt. Zwei kompakte Objekte, die sich umkreisen und schließlich miteinander verschmelzen, senden Gravitationswellen aus, die mit hochsensiblen Detektoren auf der Erde nachgewiesen werden können. Aus dem Zusammenspiel von Beobachtungen und aufwendigen Berechnungen, letztere wieder unter Beteiligung der Frankfurter Gruppe, können aufschlussreiche Details über beteiligte Schwarze Löcher erforscht werden. Bei den kompakten Objekten kann es sich auch um Neutronensterne handeln, die sich von Schwarzen Löchern durch ihre feste Oberfläche und ihre Zusammensetzung unterscheiden (Neutronen statt Vakuum). Ein Ereignis im Jahr 2017 war hier besonders eindrucksvoll, da die Verschmelzung von Neutronensternen sich nicht nur in der Aussendung von Gravitationswellen, sondern auch von Gammastrahlen offenbarte. Bei diesem Prozess entstanden zudem schwere Elemente, insbesondere Platin und Gold mit einer Menge der zehnfachen Erdmasse - nur schade, dass der Weg dahin so weit ist.
Rezzolla ist, wie uns Wikipedia verrät, ein leidenschaftlicher Segler, weshalb es nicht erstaunt, dass die Idee zu diesem Buch auf einer kleinen Segeljacht im Mittelmeer entstanden ist. Auch das Buch beschreibt eine Reise, die freilich noch nicht an ihr Ende gekommen ist. Schwarze Löcher haben bei weitem noch nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben. CLAUS KIEFER
Luciano Rezzolla: "Die unwiderstehliche Anziehung der Schwerkraft". Eine Entdeckungsreise zu den Schwarzen Löchern.
C. H. Beck Verlag, München 2021. 269 S., Abb., geb., 24,- Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, Claus Kiefer
"Luciano Rezzolla liefert in seinem neuen Buch eine anspruchsvolle Einführung in die wundersame Welt der Schwerkraft. ... Rezzolla gibt unumwunden zu, dass sein Buch aktives Mitdenken erfordert, aber die einfache Begründung dafür ist: Das macht es ja gerade spannend. ... Ein lesenswertes Buch."
Spektrum, Stefan Gillessen
"Rezollas Buch ... nimmt uns mit auf eine wunderbare Reise durch die Welt der Gravitation"
Physik in unserer Zeit, Thomas Bührke
"Dem Autor gelingt es, dem Leser diese hochkomplexe Theorie in einer sehr lebendigen, gut verständlichen Sprache ohne allzu viele mathematische Formeln näher zu bringen. ... Der Leser bekommt einen sehr unterhaltsamen Einblick in dieses hochaktuelle Forschungsgebiet."
Fachbuchjournal, Peter Sattelberger
"Das Buch baut mit Leichtigkeit eine Brücke von den banalsten Alltagserfahrungen zu den unglaublichsten Artefakten und Vorgängen im Universum."
mdr, Peggy Grunwald
"Die fesselnde Geschichte eines der schönsten Abenteuer der Physik der letzten Jahre."
Carlo Rovelli