Von dem Abenteuer, allein auf offener See zu sein
Thomas Käsbohrer fühlt sich dort am wohlsten, wo nur noch Himmel, Wind und Wasser sind. Neun Monate im Jahr verbringt er auf dem Segelschiff und trotzt der Unwirtlichkeit des Meeres. Für »Die vergessenen Inseln« reist er durch das Mittelmeer, steuert große Eilande wie Sizilien an, aber auch fast vergessene wie Palagruža. Auf jeder Insel entdeckt er eine Geschichte, die über den Ort hinausweist und zeigt, warum unsere Welt so wurde, wie sie ist. Käsbohrer erzählt von dem Abenteuer, allein auf offener See zu sein, er bringt uns die Sehnsucht nach Weite nahe, die wir alle in uns tragen, und verdichtet seine Reise zu einer Geschichte der Welt, die so noch nicht erzählt wurde.
Thomas Käsbohrer fühlt sich dort am wohlsten, wo nur noch Himmel, Wind und Wasser sind. Neun Monate im Jahr verbringt er auf dem Segelschiff und trotzt der Unwirtlichkeit des Meeres. Für »Die vergessenen Inseln« reist er durch das Mittelmeer, steuert große Eilande wie Sizilien an, aber auch fast vergessene wie Palagruža. Auf jeder Insel entdeckt er eine Geschichte, die über den Ort hinausweist und zeigt, warum unsere Welt so wurde, wie sie ist. Käsbohrer erzählt von dem Abenteuer, allein auf offener See zu sein, er bringt uns die Sehnsucht nach Weite nahe, die wir alle in uns tragen, und verdichtet seine Reise zu einer Geschichte der Welt, die so noch nicht erzählt wurde.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.08.2018Kapitän im Wörtermeer
Thomas Käsbohrer ist segelnder Schriftsteller. Seine Beschreibungen in „Die vergessenen Inseln“ sind so präzise, dass man fast danach navigieren könnte
München – Wenn Segler übers Segeln schreiben, schreiben sie meist für Segler. Das hält den Markt klein und ist deswegen zur Organisation des Lebensunterhalts nur bedingt geeignet. Es liegt dies zum einen an der für Nichtsegler etwas rätselhaften Terminologie. Wer versteht schon einen Satz wie: „Da kam Wind auf, ich setzte den Unterliekstrecker durch, zog die Cunningham dicht, gab der Genuaschot einen Schrick, und schon sprang die Logge auf über sieben Knoten.“ Zum anderen aber könnte es auch damit zu tun haben, dass Segler zwar fasziniert sind von der Weite des Meeres; dass sie diese Faszination aber nur schwer zu Papier bringen. Deswegen ist der Münchner Thomas Käsbohrer eine echte Ausnahmeerscheinung: Sein aktuelles Buch „Die vergessenen Inseln“ ist ein Segelbuch, das (fast) ohne Fachkauderwelsch auskommt, es ist aber auch und vor allem ein Erzählbuch, das die mediterrane Historie in die Gegenwart holt, geschrieben in einer Sprache, die einen tief in die Geschichte und Geschichten hineinzieht.
Es sind 58 Kapitel auf 504 Seiten, in denen der Autor die Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit zieht. Die Gegenwart, das ist sein Boot „Levje“, Pi mal Daumen zehn Meter lang, gebaut von der deutschen Werft Dehler in den Achtzigerjahren. Schiffe sind normalerweise weiblich, egal ob kleine Jolle oder Flugzeugträger. Käsbohrer aber nimmt seiner Levje diese Beschränkung, nimmt ihr das feminine „die“ und schreibt statt dessen artikelfrei von „Levje“, als sei das Schiff ein Freund, ein Gefährte, ein guter Geist. Er und das Schiff seien, erzählt er am Telefon, eine verschworene Gemeinschaft, man „passt aufeinander auf“ und lebe nach der Devise:„Beschütz du mich vor dem Land, beschütze ich dich vor der See.“
Thomas Käsbohrer führt den Leser schnell auf die Fährte, die er durch dieses Buch gelegt hat. Geht es im ersten Kapitel mit der Überschrift „Gegenwart“ noch darum, bei etwas zu viel Wind durch den Golf von Tarent zu segeln, also entlang der Stiefelsohle Italiens, und dabei darüber nachzudenken, warum es so schwer ist für den Menschen, seinen Sehnsüchten zu folgen, so wird schon im zweiten, „Milos“ betitelt, klar, welchen Stoff uns der Autor anbietet: Fünf Männer bewegen ein Schiff aus Schilfrohr, sie machen sich auf die gefährliche Reise zur Insel der schwarzen Steine. Denn diese Steine sind so hart und scharfkantig, dass sie ein perfektes Handwerkszeuge abgeben und wohl auch als Waffen taugen. Man muss diese Steine nur finden, respektive die Insel, wo sie der Vulkan ausgespuckt hat. Steinzeit also, eine Reise vom Festland zur Insel Milos in der südwestlichen Ägäis, wo schon Tausende Jahre vor Christus die frühkykladische Kultur gedieh. Käsbohrer nimmt den Leser bei der Hand, baut geschickt Spannung auf mit einer Sprache, die so uneitel wie wortsicher ist. Man sitzt bei den fünf Männern und ihrem großen Abenteuer mit im Boot.
Käsbohrer zieht dieses Konzept durch. Überall gibt es Neues zu entdecken. Dazu sind die Geschichten der Orte zwischen Antalya im Südosten der Türkei bis Mallorca, das ja auch von etwa 4000 vor Christus an besiedelt wurde, zu fantastisch. Und wer einige der Inseln, deren Historie der Autor aufbereitet, selbst schon ersegelt hat, erinnert sich schnell wieder an diese oder jene Einfahrt, wenn er hier die markanten Details wiederfindet. Egal, ob es der verschlungene, wirre Hafen von Spetses gut 30 Meilen südlich von Athen ist oder das Kap Uluburun nahe dem türkischen Kaş, wo im 14. Jahrhundert vor Christus ein Frachtschiff mit wertvollster Ladung gesunken ist, Käsbohrers Beschreibungen sind so präzise, dass man fast danach navigieren könnte. Was einen natürlich neugierig macht auf diesen Autor, der eben kein schreibender Segler ist, sondern ein segelnder Schriftsteller. Das wiederum ist ein großer Unterschied. Dass er dafür mit einer sehr guten Freundin wieder einen kleinen Verlag namens „Millemari“ gegründet hat, lässt zu allem auch auf einen guten Geschäftssinn schließen.
1960 in München geboren, aufgewachsen in Gauting, kein guter Schüler, vor allem nicht in Deutsch, „eine elende Quälerei“, sei das gewesen, sagt er heute. Trotzdem hegte er Zeit seines Lebens den Wunsch zu schreiben, Schriftsteller zu werden (nach Lokomotivführer und Archäologe). Das Studium von Germanistik und Geschichte brachte ihn einigen dieser Ziele näher, und als er einen Job angeboten bekam in einem Verlag, wähnte er sich dem Beruf des Schreibens schon recht nahe. 22 Jahre arbeitete er bei diesem Verlag, machte eine respektable Karriere, segelte am Starnberger See herum und wurde eines Tages eingeladen zu einem Törn an der türkischen Küste. „Das war mein Erweckungserlebnis“, erzählt Käsbohrer heute; diese erste Fahrt raus aus der Bucht von Marmaris, zweifelsfrei eine der schönsten des Mittelmeers, habe „einen Schalter umgestellt“. Doch es dauerte noch 16 Jahre, bis er mit eigenem Boot, der „Levje“ (Liebchen), in See stechen konnte. Davor musste er: im Verlag scheitern, eine Trennung überleben, lernen, nicht über die Zukunft nachzudenken, und ein Museum entdecken, in dem alte Tonkrüge Geschichten erzählen. Dann wusste Thomas Käsbohrer, was zu tun ist.
Nun sind Menschen, die (meistens) alleine segeln, durch die selbst auferlegte und durchaus als Genuss empfundene Einsamkeit meist eher scheu in Gesellschaft. Thomas Käsbohrer ist da ganz anders. Schon am Telefon im Hafen von La Coruna, wo er sich gerade auf die Überfahrt des Biskaya-Golfs vorbereitet (und natürlich die Geschichte und Geschichten der Atlantikküste nachgräbt) plaudert er fröhlich über alte und neue Pläne und darüber, wie er auf den Dreh gekommen ist, die Geschichte des Segelns mit der Geschichte der angesegelten Orte zu verbinden.
Damals, am Gargano, dem östlichen Sporn an Italiens Stiefel, habe er alte Steinplatten entdeckt und festgestellt, dass jede dieser Platten Geschichten erzählt, Geschichten, die er etwas weiter nördlich in einem Museum in Brindisi wiederfand. „Es gibt Menschen, die saugen alles auf, was Geschichte ist. Ich glaube, ich bin so einer“, sagt er. Da kamen ihm noch ein paar andere Eigenschaften zu pass: die Freude am Recherchieren, die Lust, sich in Geschichten fallen zu lassen, die Gabe, sich in Englisch, Italienisch, Französisch, Russisch, Arabisch, Türkisch und Portugiesisch ausdrücken zu können, wenn auch nicht immer perfekt. Und ohne Hemmungen einfach loszuplappern, wenn man was wissen will.
Und so passierte Thomas Käsbohrer all die Inseln des Mittelmeeres, Gozo und Malta etwa mit ihrer uralten Geschichte, oder Paros, wo er schnell wieder aus der trubeligen Hafenstadt Parikia in die einsame Bucht des heiligen Johannes floh und einem Steinmetz aus der Steinzeit bei der Arbeit „zusah“. Er ankerte vor Kreta, wo er dann von Chania aus nach Antikythera segelte und einen faszinierenden Helm entdeckte, segelte rüber nach Mallorca, wo schon Roms Hautevolee den Charme des Zweitwohnungswesens genoss, oder – ganz andere Richtung – nach Chalki, dieser Perle westlich von Rhodos, wo Thomas Käsbohrer die Geschichte der Schwammtaucher entdeckt. Und natürlich Sizilien, immer wieder Sizilien, die große Insel mit ihren tausend Geschichten. Ein Dorado für den Schriftsteller Thomas Käsbohrer.
Es gibt eine Menge Literatur jenseits der Sachbuchsparte, in der das Segeln eine große Rolle spielt. Cecil Scott Foresters Hornblower-Bücher gehören dazu, Bernard Moitessiers „Tamata“ und natürlich „Der Freisegler“ von Peter Nichols, wo es vor allem darum geht, sich aus einer zerstörten Beziehung „frei zu segeln“. Thomas Käsbohrers „Vergessene Inseln“ werden in diese Reihe mit aufgenommen, auch wenn sich dieses Buch ganz unromanhaft mit dem wirklichen Leben beschäftigt, mit dem Leben in fernen Vergangenheiten und dem hier und jetzt auf dem Segelschiff „Levje“. Wenn man dann liest, wie Thomas Käsbohrer die Lagunenlandschaft um Venedig entdeckt, wie er die Brücke baut zwischen den Zeiten des alten Rom zu heute, wie er den Zauber dieser Welt zwischen Wasser und Land Wort für Wort zu einem Bildnis malt, würde man am liebsten sofort packen und losfahren, um es diesem Autor gleichzutun.
Aber vorher muss man ja noch das Buch zu Ende lesen.
KARL FORSTER
Thomas Käsbohrer: Die vergessenen Inseln, Penguin Verlag, 15 Euro
Sein Schiff ist dem
Münchner ein Freund,
ein Gefährte, ein guter Geist
Er hat die Gabe,
sich in mehreren Sprachen
ausdrücken zu können
Ein Segelbuch, das die mediterrane Historie in die Gegenwart holt, hat der Autor Thomas Käsbohrer geschrieben.
Foto: Thomas Käsbohrer
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Thomas Käsbohrer ist segelnder Schriftsteller. Seine Beschreibungen in „Die vergessenen Inseln“ sind so präzise, dass man fast danach navigieren könnte
München – Wenn Segler übers Segeln schreiben, schreiben sie meist für Segler. Das hält den Markt klein und ist deswegen zur Organisation des Lebensunterhalts nur bedingt geeignet. Es liegt dies zum einen an der für Nichtsegler etwas rätselhaften Terminologie. Wer versteht schon einen Satz wie: „Da kam Wind auf, ich setzte den Unterliekstrecker durch, zog die Cunningham dicht, gab der Genuaschot einen Schrick, und schon sprang die Logge auf über sieben Knoten.“ Zum anderen aber könnte es auch damit zu tun haben, dass Segler zwar fasziniert sind von der Weite des Meeres; dass sie diese Faszination aber nur schwer zu Papier bringen. Deswegen ist der Münchner Thomas Käsbohrer eine echte Ausnahmeerscheinung: Sein aktuelles Buch „Die vergessenen Inseln“ ist ein Segelbuch, das (fast) ohne Fachkauderwelsch auskommt, es ist aber auch und vor allem ein Erzählbuch, das die mediterrane Historie in die Gegenwart holt, geschrieben in einer Sprache, die einen tief in die Geschichte und Geschichten hineinzieht.
Es sind 58 Kapitel auf 504 Seiten, in denen der Autor die Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit zieht. Die Gegenwart, das ist sein Boot „Levje“, Pi mal Daumen zehn Meter lang, gebaut von der deutschen Werft Dehler in den Achtzigerjahren. Schiffe sind normalerweise weiblich, egal ob kleine Jolle oder Flugzeugträger. Käsbohrer aber nimmt seiner Levje diese Beschränkung, nimmt ihr das feminine „die“ und schreibt statt dessen artikelfrei von „Levje“, als sei das Schiff ein Freund, ein Gefährte, ein guter Geist. Er und das Schiff seien, erzählt er am Telefon, eine verschworene Gemeinschaft, man „passt aufeinander auf“ und lebe nach der Devise:„Beschütz du mich vor dem Land, beschütze ich dich vor der See.“
Thomas Käsbohrer führt den Leser schnell auf die Fährte, die er durch dieses Buch gelegt hat. Geht es im ersten Kapitel mit der Überschrift „Gegenwart“ noch darum, bei etwas zu viel Wind durch den Golf von Tarent zu segeln, also entlang der Stiefelsohle Italiens, und dabei darüber nachzudenken, warum es so schwer ist für den Menschen, seinen Sehnsüchten zu folgen, so wird schon im zweiten, „Milos“ betitelt, klar, welchen Stoff uns der Autor anbietet: Fünf Männer bewegen ein Schiff aus Schilfrohr, sie machen sich auf die gefährliche Reise zur Insel der schwarzen Steine. Denn diese Steine sind so hart und scharfkantig, dass sie ein perfektes Handwerkszeuge abgeben und wohl auch als Waffen taugen. Man muss diese Steine nur finden, respektive die Insel, wo sie der Vulkan ausgespuckt hat. Steinzeit also, eine Reise vom Festland zur Insel Milos in der südwestlichen Ägäis, wo schon Tausende Jahre vor Christus die frühkykladische Kultur gedieh. Käsbohrer nimmt den Leser bei der Hand, baut geschickt Spannung auf mit einer Sprache, die so uneitel wie wortsicher ist. Man sitzt bei den fünf Männern und ihrem großen Abenteuer mit im Boot.
Käsbohrer zieht dieses Konzept durch. Überall gibt es Neues zu entdecken. Dazu sind die Geschichten der Orte zwischen Antalya im Südosten der Türkei bis Mallorca, das ja auch von etwa 4000 vor Christus an besiedelt wurde, zu fantastisch. Und wer einige der Inseln, deren Historie der Autor aufbereitet, selbst schon ersegelt hat, erinnert sich schnell wieder an diese oder jene Einfahrt, wenn er hier die markanten Details wiederfindet. Egal, ob es der verschlungene, wirre Hafen von Spetses gut 30 Meilen südlich von Athen ist oder das Kap Uluburun nahe dem türkischen Kaş, wo im 14. Jahrhundert vor Christus ein Frachtschiff mit wertvollster Ladung gesunken ist, Käsbohrers Beschreibungen sind so präzise, dass man fast danach navigieren könnte. Was einen natürlich neugierig macht auf diesen Autor, der eben kein schreibender Segler ist, sondern ein segelnder Schriftsteller. Das wiederum ist ein großer Unterschied. Dass er dafür mit einer sehr guten Freundin wieder einen kleinen Verlag namens „Millemari“ gegründet hat, lässt zu allem auch auf einen guten Geschäftssinn schließen.
1960 in München geboren, aufgewachsen in Gauting, kein guter Schüler, vor allem nicht in Deutsch, „eine elende Quälerei“, sei das gewesen, sagt er heute. Trotzdem hegte er Zeit seines Lebens den Wunsch zu schreiben, Schriftsteller zu werden (nach Lokomotivführer und Archäologe). Das Studium von Germanistik und Geschichte brachte ihn einigen dieser Ziele näher, und als er einen Job angeboten bekam in einem Verlag, wähnte er sich dem Beruf des Schreibens schon recht nahe. 22 Jahre arbeitete er bei diesem Verlag, machte eine respektable Karriere, segelte am Starnberger See herum und wurde eines Tages eingeladen zu einem Törn an der türkischen Küste. „Das war mein Erweckungserlebnis“, erzählt Käsbohrer heute; diese erste Fahrt raus aus der Bucht von Marmaris, zweifelsfrei eine der schönsten des Mittelmeers, habe „einen Schalter umgestellt“. Doch es dauerte noch 16 Jahre, bis er mit eigenem Boot, der „Levje“ (Liebchen), in See stechen konnte. Davor musste er: im Verlag scheitern, eine Trennung überleben, lernen, nicht über die Zukunft nachzudenken, und ein Museum entdecken, in dem alte Tonkrüge Geschichten erzählen. Dann wusste Thomas Käsbohrer, was zu tun ist.
Nun sind Menschen, die (meistens) alleine segeln, durch die selbst auferlegte und durchaus als Genuss empfundene Einsamkeit meist eher scheu in Gesellschaft. Thomas Käsbohrer ist da ganz anders. Schon am Telefon im Hafen von La Coruna, wo er sich gerade auf die Überfahrt des Biskaya-Golfs vorbereitet (und natürlich die Geschichte und Geschichten der Atlantikküste nachgräbt) plaudert er fröhlich über alte und neue Pläne und darüber, wie er auf den Dreh gekommen ist, die Geschichte des Segelns mit der Geschichte der angesegelten Orte zu verbinden.
Damals, am Gargano, dem östlichen Sporn an Italiens Stiefel, habe er alte Steinplatten entdeckt und festgestellt, dass jede dieser Platten Geschichten erzählt, Geschichten, die er etwas weiter nördlich in einem Museum in Brindisi wiederfand. „Es gibt Menschen, die saugen alles auf, was Geschichte ist. Ich glaube, ich bin so einer“, sagt er. Da kamen ihm noch ein paar andere Eigenschaften zu pass: die Freude am Recherchieren, die Lust, sich in Geschichten fallen zu lassen, die Gabe, sich in Englisch, Italienisch, Französisch, Russisch, Arabisch, Türkisch und Portugiesisch ausdrücken zu können, wenn auch nicht immer perfekt. Und ohne Hemmungen einfach loszuplappern, wenn man was wissen will.
Und so passierte Thomas Käsbohrer all die Inseln des Mittelmeeres, Gozo und Malta etwa mit ihrer uralten Geschichte, oder Paros, wo er schnell wieder aus der trubeligen Hafenstadt Parikia in die einsame Bucht des heiligen Johannes floh und einem Steinmetz aus der Steinzeit bei der Arbeit „zusah“. Er ankerte vor Kreta, wo er dann von Chania aus nach Antikythera segelte und einen faszinierenden Helm entdeckte, segelte rüber nach Mallorca, wo schon Roms Hautevolee den Charme des Zweitwohnungswesens genoss, oder – ganz andere Richtung – nach Chalki, dieser Perle westlich von Rhodos, wo Thomas Käsbohrer die Geschichte der Schwammtaucher entdeckt. Und natürlich Sizilien, immer wieder Sizilien, die große Insel mit ihren tausend Geschichten. Ein Dorado für den Schriftsteller Thomas Käsbohrer.
Es gibt eine Menge Literatur jenseits der Sachbuchsparte, in der das Segeln eine große Rolle spielt. Cecil Scott Foresters Hornblower-Bücher gehören dazu, Bernard Moitessiers „Tamata“ und natürlich „Der Freisegler“ von Peter Nichols, wo es vor allem darum geht, sich aus einer zerstörten Beziehung „frei zu segeln“. Thomas Käsbohrers „Vergessene Inseln“ werden in diese Reihe mit aufgenommen, auch wenn sich dieses Buch ganz unromanhaft mit dem wirklichen Leben beschäftigt, mit dem Leben in fernen Vergangenheiten und dem hier und jetzt auf dem Segelschiff „Levje“. Wenn man dann liest, wie Thomas Käsbohrer die Lagunenlandschaft um Venedig entdeckt, wie er die Brücke baut zwischen den Zeiten des alten Rom zu heute, wie er den Zauber dieser Welt zwischen Wasser und Land Wort für Wort zu einem Bildnis malt, würde man am liebsten sofort packen und losfahren, um es diesem Autor gleichzutun.
Aber vorher muss man ja noch das Buch zu Ende lesen.
KARL FORSTER
Thomas Käsbohrer: Die vergessenen Inseln, Penguin Verlag, 15 Euro
Sein Schiff ist dem
Münchner ein Freund,
ein Gefährte, ein guter Geist
Er hat die Gabe,
sich in mehreren Sprachen
ausdrücken zu können
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Foto: Thomas Käsbohrer
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